Hinter dem Kürzel „c3s“ verbirgt sich die „cultural commons collecting society“. Es handelt sich dabei um eine Ini-tiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, neben der GEMA eine musikalische Verwertungsgesellschaft zu gründen, die für Urheber interessant sein soll, denen die GEMA bislang keine angemessenen Lizenzierungsangebote unterbreiten kann. Genauer handelt es sich um „Creative-Commons-Lizenzen“, bei denen sich die Art der Verwertung im Gegensatz zu den GEMA-Verträgen sehr fein regeln lassen. So kann man beispielsweise Lizenzgebühren daran binden, ob die verwendete Musik in einem kommerziellen Rahmen erfolgt oder nicht. Das geht mit der bestehenden Verwertungsgesellschaft GEMA nicht. Noch handelt es sich um eine Initiative.
Aber die Menschen hinter der Initiative sind wild entschlossen, die Zulassung als Verwertungsgesellschaft beim Deutschen Marken- und Patentamt zu erhalten. Die juristischen Hürden sind hoch, doch man ist auf dem Weg. Damit diese neue Verwertungsgesellschaft im Sinne ihrer Nutzer und künftigen Mitglieder konstruiert wird, bindet man diese ein. Zu diesem Zweck veranstaltete man ein sogenanntes Barcamp im „Supermarkt“ in Berlin. Geistiger Input, Ideen und Vorgehensweisen, politische und juristische, waren zu diskutieren.
Obwohl man sich am liebsten nicht vergleichen will mit der GEMA, gegen die man auch nichts habe, lassen sich die Unterschiede natürlich am bes-ten durch Gegenüberstellungen darstellen. Anders als der Verein GEMA möchte man sich als Genossenschaft gründen, besser noch als „europäische Genossenschaft“. Die Trennung zwischen ordentlichen und angeschlossenen Mitgliedern soll entfallen. Es ist egal, wie viele Anteile ein Genosse zeichnet, er hat eine Stimme. Aber jedes dieser Mitglieder hat diese eine Stimme. Für Verlage, dieser Punkt war umstritten, soll eine stimmberechtigte Mitgliedschaft nicht möglich sein. Diese könnten zwar nach dem Vorbild des „europäischen Genossenschaftsmodells“ Anteile zeichnen, sie hätten dann aber kein Stimmrecht.
Eine Genossenschaft hat aber auch Probleme. Um zu Entscheidungen in den Versammlungen zu kommen, müssten mindestens 50 Prozent der Stimmberechtigten an den Entscheidungen teilnehmen. Übertragen auf etwa 60.000 Wahrnehmungsberechtigte einer Gesellschaft wie der GEMA, hieße das, dass wenigstens 30.000 Stimmen mitentscheiden müssten! Das geht praktikablerweise jedoch nicht über zwingend vorzuschreibende persönliche Anwesenheit.
Eine Verwertungsgesellschaft zu gründen ist ein umfangreiches Unterfangen. Mehrere Arbeitsgruppen arbeiteten sich über den Nachmittag verteilt daran ab. Aber das dürfte nicht genügen. Am Barcamp in Berlin nahmen etwa 60 bis 80 Personen teil, nicht wenige davon kamen aus dem Bereich, der politisch den Piraten zuzuordnen ist. Das ist kein Schaden. Es zeigt vielmehr das Engagement, das seitens der Mitglieder dieser Partei dem Thema entgegengebracht wird. Ungewöhnlich ist eher die musikalische Struktur der Teilnehmer am Barcamp. Sie stammen eher aus dem Bereich der Clubszene oder kommen von kleineren Bands, die mit den Möglichkeiten der GEMA nicht zufrieden sind. Es fehlen Vertreter aus der E-Musik ebenso wie aus den Bereichen der hochkommerziellen Musik wie Filmmusikkomponisten, Klangkünstler, Werbemusikschreiber et cetera. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Sie haben keine Probleme mit der GEMA oder so geringe, dass sich eine Aufregung deshalb nicht lohnt.
Ein Grundgedanke des Ausschüttungssystems der „c3s“ soll sein, dass die Einnahmen ziemlich eins-zu-eins ausgeschüttet werden, ähnlich dem Prinzip der Netto-Einzelverrechnung bei der GEMA; und das übertragen auf das gesamte Repertoire, das man halten will. Keine Wertung, kein kultureller „Bonus“, ob man ein Orches-terwerk schreibt oder einen Dance-floor-Track. Das erhöht die Transparenz. Aber Vorsicht! Laut „Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz)“ soll nach Paragraph 7 der Verteilungsplan „dem Grundsatz entsprechen, dass kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind“.
Abschied will man auch von der personenbezogenen Wahrnehmung von Werken, wie es momentan die GEMA praktiziert, nehmen. Als Mitglied steht es einem frei, welche Stücke man bei der Verwertungsgesellschaft anmeldet und welche nicht.
Sollte diese Verwertungsgesellschaft Realität werden und in nennenswerter Weise Mitglieder und ein Repertoire halten, hätte das unvermeidlich auch gesetzliche Auswirkungen. Eine Annahme, dass quasi jedes Werk mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der GEMA verwertet werde, würde zwingend hinfällig werden. Wie der Lizenzierungsprozess für den Lizenznehmer in Zukunft aussieht, ist auch noch ungeklärt. Muss man jetzt bei zwei Verwertungsgesellschaften anfragen?
Die nächste Etappe ist die Zulassung als Verwertungsgesellschaft beim Deutschen Marken- und Patentamt, die für Anfang 2013 geplant ist. Dafür werden Absichtserklärungen gesammelt. Nur wenn die dafür nötige Masse erreicht ist, dürfte die Zulassung den Hauch von Erfolg haben. Der Teufel steckt im Detail – gerade was Lizenzverträge und Verteilungspläne angeht. Der Eindruck, dass man da noch nicht ganz so tief in die Materie eingedrungen ist und vor allem die künftigen, prospektiven Mitglieder vielleicht andere Erwartungen hegen, als die Gesetze es vorschreiben, macht die Sache äußerst schwer. Die Initiative zur Errichtung einer musikalischen Verwertungsgesellschaft scheint weiter zu sein als man denkt.
Gleichwohl dürfte der Start sehr schwer fallen. „Kurzfristiges Ziel ist die Verwaltung von Online- und Live-Lizenzen, in einem zweiten Schritt sind Lizenzrechte für den B2B-Bereich und die mechanische Vervielfältigung vorgesehen. Vermutlich erst langfristig kann die Lizenzierung im Rundfunk berücksichtigt werden“, liest man auf der Website der „c3s“. Für bestehende Wahrnehmungsberechtigte der GEMA dürfte das Modell der „c3s“ zur Zeit kaum attraktiv sein, es sei denn, sie agieren genau auf der Ebene der kurzfristigen Ziele.