Kreativwirtschaft, Gentrifizierung, Migrantenkulturen, Musikcluster, Audiobranding, UNESCO-City of Music, das Verschwinden des Musikunterrichtes an den Schulen, europäische Kulturpolitik – am Ende musste irgendwie noch alles in das Wochenende zum Thema „Music City. Hamburg?!“ hineingepackt werden. Und das war dann auch das Problem der Tagung, die der Landesmusikrat Hamburg in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität Lüneburg und weiteren Kooperationspartnern und Unterstützern in der Hochschule für Musik und Theater vom 22. bis 24. Oktober veranstaltete.
Die Vorträge versuchten eine möglichst vollständige, aber weitgehend abstrakte Abbildung der aktuellen Kreativwirtschafts- und Bildungsfragen, die allgemein virulent sind – als universitäres Seminar zweifelsohne spannend. Die konkreten Fragen und Probleme, die sich derzeit in der wandelnden Musiklandschaft Hamburgs abzeichnen, blieben dahinter bedauerlicherweise mehr oder weniger auf der Strecke. Am drastischsten zeigte sich die Ferne des Kongresses vom aktuellen kulturpolitischen Tagesgeschehen am Vortrag von Robin Kuchar über den „Musikalischen Arbeitsplatz Hamburg“, in dem geradezu fahrlässig ungeniert die Antworten von Hobby- und Berufsmusikern zu gemeinsamen Statistiken zusammengefasst wurden. Die Gefahr liegt auf der Hand, dass eine solche Studie von ahnungslosen Politikern benutzt werden könnte, um existentielle Fragen von freiberuflichen Musikern (zum Beispiel bezahlbare Probenräume) mit dem Argument abzuwiegeln, dass es hier ja nur darum gehe, dass manch einer gern ausgiebiger seinem Hobby frönen würde. Ganz davon abgesehen, dass die in ihrer Freizeit Klavier klimpernde Oma sich im Gegensatz zur Berufspianistin niemals die Frage stellen wird, in welchem Konzertsaal sie auftreten kann.
Dabei steht Hamburg mit der Errichtung der Elbphilharmonie vor einem der spannendsten Entwicklungsschritte im städtischen Musikleben, den man sich überhaupt vorstellen kann. Mit dem Bau des exponierten Konzertgebäudes wird eine zusätzliche Institution errichtet, die primär als touristisches Wahrzeichen geplant wurde und als solches auch aller Voraussicht nach wunderbar funktionieren wird. Gleichzeitig muss ihr Programm in die bestehende Musiklandschaft der Stadt sinnvoll eingegliedert und das kreative Gefüge insgesamt neu ausbalanciert werden, um kontraproduktive Konsequenzen für die kulturelle Lebendigkeit und Vielfalt Hamburgs zu verhindern.
Da aktuell drastische Kürzungen im Kulturbudget vorgesehen sind und gleichzeitig unklar ist, wie die Kos-ten für den zukünftigen laufenden Betrieb der Elbphilharmonie gedeckt werden sollen, sind die Befürchtungen naturgemäß groß, dass das bisher Vorhandene dem politischen Zwang zum Erfolg dieses Leuchtturmprojektes geopfert wird.
Die Gefahr besteht, dass die große Chance, die ein solches Projekt für die positive Weiterentwicklung und die Schärfung der einzelnen Profile des Musiklebens der Stadt mit sich bringen kann, wenn es richtig verankert wird, der derzeitigen schwierigen kulturpolitischen Lage zum Opfer fällt.
Dabei zeigten die Roundtables, wie stark die Musik-Protagonisten Hamburgs sind, welch klare konstruktive Sprache sie sprechen und welche gro-ßen Möglichkeiten der Dialog mit ihnen in sich birgt. Durch RockCity sind viele Musikschaffende seit über 20 Jahren in einem hervorragend aufgestellten Verband organisiert, der bundesweit Vorbildcharakter hat. Aber auch die Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft, das Reeperbahnfestival, Kampnagel, das Ensemble Resonanz, das Netzwerk Musik von den Elbinseln und so viele mehr bilden gemeinsam ein tragfähiges, breit gefächertes Kulturnetzwerk – man muss sie nur in ihrem gemeinsamen Dialog stärken und diesen kulturpolitisch begleiten. Und dass die Hamburger Bürger und Bürgerinnen bei drohender Gefahr auch bereit sind, für ihre Kulturinstitutionen auf die Straße zu gehen, war während des Kongresses an den Beispielen Schauspielhaus und Altonaer Museum unübersehbar.
Vielleicht sollte sich der Landesmusikrat nächstes Mal nicht eine Universität als Partner für eine solche Diskussionsplattform suchen, sondern beispielsweise den neuen Leiter der Musikabteilung in der Hamburger Behörde für Kultur und Medien, Alexander Steinhilber. Vielleicht ändert dies dann zwar immer noch nichts am Verschwinden des Musikunterrichtes aus den Schulen, aber an der politischen Wahrnehmung all dessen, worauf man in Hamburg auch jenseits der Elbphilharmonie im Musikbereich stolz sein kann und das man erhalten sollte.