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 Junge Dirigenten kämpfen in Köln um «Deutschen Dirigentenpreis». Foto: DMR, WDR/Thomas Kost
Junge Dirigenten kämpfen in Köln um «Deutschen Dirigentenpreis». Foto: DMR, WDR/Thomas Kost
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Junge Dirigenten kämpfen in Köln um «Deutschen Dirigentenpreis»

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Köln (dpa/lnw) - Noch bis zum Freitag messen sich Nachwuchs-Dirigenten aus aller Welt in Köln, um den «Deutschen Dirigentenpreis» zu erlangen. Am Mittwoch begann der öffentliche Teil des Musik-Wettbewerbs - also vor Publikum. Die Kandidaten haben jeweils 30 Minuten Zeit, um die Jury in der Kölner Philharmonie von ihren Fertigkeiten am Taktstock zu überzeugen. Pflichtstück für alle war «Sechs Stücke für Orchester op. 6» von Anton von Webern. Der Wettbewerb wird in dieser Form erstmals ausgetragen.

Lesen Sie dazu einen Bericht von Jonas-Erik Schmidt, dpa

Die Kunst der Windmühle: Wie gewinnt man einen Dirigenten-Wettbewerb?

Dirigenten sind so etwas wie die Kunstturner der Musik. Wenn die Maestros mit dem Taktstock am Pult stehen, umweht sie die Aura des Genies. Ganze Konzertsäle folgen ihren Bewegungen. Musikalisch Mittelbegabte kratzen sich dennoch gelegentlich am Hinterkopf. Sind die ganzen Schwünge wirklich nötig? Und was unterscheidet einen guten von einem schlechten Dirigenten? Die Kunst des Dirigierens ist eine, die man erklären muss.

Thomas Guggeis gehört zu den guten Dirigenten seiner Generation, so viel lässt sich sagen. Deshalb erklärt sich einiges schon, wenn man ihn nur beobachtet. Mit Hemd und Taktstock steht er in der Kölner Philharmonie vor dem WDR Sinfonieorchester, dessen Mitglieder dürften im Durchschnitt deutlich älter sein als er. Guggeis, Jahrgang 1993, hält inne. «Die Zweiunddreißigstelnote, jambada-jambada-jambada, die ist zu schnell», sagt er in höflichem Ton. Er zerlegt das Stück in seine Einzelteile. Dann setzt er sie wieder zusammen. Und nun noch mal, bitte.

Der Jung-Dirigent ist einer der Kandidaten für den «Deutschen Dirigentenpreis», um den noch bis zum Freitagabend in Köln mehrere Nachwuchs-Dirigenten kämpfen. In das Finale schafft er es am Ende leider nicht. Allerdings wurden überhaupt nur zwölf Kandidaten zugelassen, sie kommen aus Deutschland, Armenien, China und anderen Ländern. Wer hier auftritt, hat in jedem Fall Talent. An die Bestplatzierten werden 35 000 Euro ausgeschüttet. Zudem winken Engagements und Assistenzen bei namhaften deutschen Orchestern und Opernhäusern. Einer der Initiatoren ist der Deutsche Musikrat.

Der Wettbewerb wirft ein Schlaglicht auf einen sehr speziellen Beruf. Er ist Kunst, na klar. Aber irgendwie muss es ja bewertungsfähig sein, sonst könnte eine Jury keinen Sieger küren. Natürlich muss ein Dirigent eine Partitur kennen. Und sonst? Ist es die Technik?

Naja. «Es gibt überhaupt keine Technik beim Dirigieren», sagt Lothar Zagrosek, Dirigent und Jury-Chef. Jedenfalls keine im engeren Sinne. Es gebe so etwas wie «Schlagarten». Aber eigentlich sei der Begriff Technik dafür schon zu viel. «Jeder Pianist, jeder Geiger, jeder Sänger braucht wesentlich mehr Technik als ein Dirigent», sagt er.

Viele Kriterien für einen guten Dirigenten lassen sich nicht wie mit der Gießkanne auf alle gleichermaßen anwenden. Sie sind weich. Thema Körpersprache. «Das ist dann ein ganz individueller Ausdruck, den jeder für sich selbst entwickeln und finden muss», sagt Zagrosek. «Je nachdem, ob er klein oder groß, dick oder dünn ist. Oder mehr sportlich oder mehr introvertiert.»

Das erklärt auch die Extreme. Während die eine Dirigenten-Fraktion wild gestikulierend ihre Anzüge durchschwitzt, übt sich die andere in Minimalismus. Beides kann auf seine Art richtig sein. «Man erlebt es sehr oft, dass Dirigenten anfangen als Windmühle und sich dann aber mit höherem Alter immer mehr beruhigen», berichtet Zagrosek. «Man lernt dann auch, nicht nur die Arme und die Hände einzusetzen, sondern auch das Gesicht, die Augen. Das ist ganz wichtig, dass man das Orchester mit den Augen führt.» Als Beispiel führt er Richard Strauss an. Der sei in jungen Jahren ein «wilder Schläger» gewesen. Und später total reduziert.

Wilson Ng, Kandidat aus China, erklärt es so: Ein guter Dirigent sei jemand, der eine sehr gute Vorstellung vom Klang eines Stückes hat - noch bevor er vor ein Orchester tritt. «Der Klang eines Orchesters kann ausdrücken, was ich fühle», sagt er.

Woran es unter den Beteiligten des Dirigenten-Wettbewerbes überhaupt keine Zweifel gibt: Dass man einen Dirigenten braucht. «Es gibt Stücke, da kommt ein Orchester keine drei Takte weit ohne Dirigent», sagt Jury-Chef Zagrosek.

 

Pressemeldung des Deutschen Musikrats:

Premiere des Deutschen Dirigentenpreises in Köln

Öffentliche Wertungsrunden und Finalkonzert in der Kölner Philharmonie

Zwölf Dirigentinnen und Dirigenten aus acht verschiedenen Ländern nehmen am Deutschen Dirigentenpreis teil, der als internationaler Wettbewerb vom 22. bis 29. September 2017 in Köln Premiere feiert. Bis einschließlich Dienstag, 26. September finden die nichtöffentlichen Wertungsrunden statt, in deren Rahmen die zwölf Kandidaten mit dem WDR Sinfonieorchester, dem Gürzenich-Orchester Köln sowie mit Sängern der Oper Köln zusammenarbeiten und in den Gattungen Oper und Konzert ein umfangreiches Repertoirespektrum zu bewältigen haben.

Am Mittwoch, 27. September um 14 Uhr beginnt der öffentliche Teil des Wettbewerbs bei freiem Eintritt in der Kölner Philharmonie. Von da an proben die sechs Kandidaten, die den Sprung in die 2. Wertungsrunde geschafft haben, mit den Orchestern und Sängern. Im Finalkonzert am 29. September um 20 Uhr in der Kölner Philharmonie werden die drei Finalisten des Wettbewerbs zu erleben sein. Karten für das Finalkonzert sind erhältlich ab 15 Euro.

„Das Niveau dieser jungen Dirigentinnen und Dirigenten ist ausnahmslos hoch“, sagt Lothar Zagrosek, Vorsitzender der namhaft besetzten Jury. „Es wird uns nicht leicht fallen, den Ersten Preisträger zu bestimmen.“ Neben Preisgeldern erhalten die Finalisten des vom Deutschen Musikrat ausgetragenen Wettbewerbs Konzertengagements. Der erste Preisträger erhält ein Vorstellungsdirigat an der Oper Köln, eine Produktion mit dem WDR Sinfonieorchester sowie eine Assistenz beim Gürzenich-Orchester Köln und dem Generalmusikdirektor der Stadt Köln, François-Xavier Roth.

Der Deutsche Dirigentenpreis 2017 wird gefördert durch den Freundeskreis Dirigentenforum e.V., die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Land Nordrhein-Westfalen, die Stadt Köln und die Stadt Bonn sowie durch zahlreiche Spenden von Kölner und Bonner Bürgerinnen und Bürgern und durch die Mitglieder der Opernfreunde Bonn e.V.

Die Konzerttermine im Überblick

Öffentliche Wertungsrunden – Eintritt frei
27.09.2017 Mittwoch 14:00
28.09.2017 Donnerstag 14:00
29.09.2017 Freitag 10:00

Finalkonzert
29.09.2017 Freitag 20:00

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