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Kassiert die GEMA bei Verwaltungsgebühren ab?

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Ehrenamtspauschalverträge für Vereinsfeste ohne Eintritt jetzt auch in drei weiteren Bundesländern
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Verlangt die GEMA von Verwertern zusätzliche Verwaltungskosten? Obwohl sie zum Beispiel auch bei Autoren- und Autorinnenausschüttung der Tantiemen einen Verwaltungskostenabzug in Ansatz bringt – zum Beispiel für die INKA-Ausschüttung beim Aufführungsrecht 2023 – definiert die GEMA 24,4054 Prozent Verwaltungskostenabzug. Oder kassiert die GEMA nur bei der öffentlichen Hand ab? Und zu wessen Lasten gehen die Strafkürzungen bei Nichteinreichung der Musikfolgebögen/Setlisten bei Vereinsfeiern im Rahmen der von der Politik so genannten „GEMA-Ehrenamtsflatrate“?  Zahlt hier der Steuerzahler einerseits und die Urheber gehen zudem leer aus, wenn Livemusik aufgeführt und Setlisten nicht eingereicht werden? 

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Die GEMA kassiert auch weiterhin mit diesen Pauschalverträgen von inzwischen vier Bundesländern Millionensummen, von denen der größte Teil nicht abgerufen wird. Diese öffentlichen Gelder liegen bei der GEMA, deren Finanzmanagement damit sicherlich Zinsvorteile generiert – ohne diese Zinsen an die öffentliche Hand weiterzugeben. Vertraglich sicherlich legitim – aber auch moralisch? Besonders in einer Zeit, wo vielen Kultureinrichtungen öffentliche Gelder gestrichen werden. 

Zehn Prozent Nutzungsresonanz bleiben nur zehn Prozent!

2023 starteten GEMA und der Freistaat Bayern ein Pilotprojekt. Das Land übernahm die GEMA-Kosten für Vereinsfeiern von gemeinnützigen Vereinen bei eintrittsfreien Veranstaltungen bis 300 Quadratmeter Fläche. Politik und GEMA posaunten hinaus, dass für die vom Land Bayern bezahlten 1,75 Millionen Euro 45.000 Vereinsfeiern von Kosten und Bürokratie befreit würden. Tatsächlich wahrgenommen haben nur 3.712 Vereine diese Option für 4.922 Veranstaltungen. Hierfür fielen Lizenzkosten in Höhe von 269.349 Euro an. Dafür hätte die erste hälftige Rate Bayerns ausge­reicht. Stattdessen floss in der zweiten Jahreshälfte 2023 die andere Hälfte der 1,75 Millionen Euro an die GEMA und erst im April 2024 wurden die nicht verwendeten 1,48 Millionen Euro an die Bayerische Staatskasse zurücküberwiesen. Ohne Zinsen! Nur mit fiktiven drei Prozent für neun Monate verzinst, ein voraussichtlicher Zinsgewinn der GEMA von rund 33.000 Euro.

Die GEMA und die Zins-Moral

Die Anwendungskriterien wurden für 2024 erweitert: die Veranstaltungsfläche auf 500 Quadratmeter erhöht, die Berechtigten von eingetragenen Vereinen unter anderem auch auf Körperschaften des öffentlichen Rechts erweitert. Die Verantwortlichen prognostizierten für 2024 bis zu 120.000 Veranstaltungen, für die der Freistaat Bayern vertraglich fixierte 2,407 Millionen Euro an die GEMA zahlte, so das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Die GEMA-Pressestelle diagnostizierte in ihrer Antwort auf die Bilanzfrage für 2024 hervorgehoben positiv: „So entwickelt sich der Pauschalvertrag Bayern Ehrenamt exponentiell“. Ein Terminus, den wir seit Corona alle verinnerlicht haben – die GEMA augenscheinlich besonders.

Das Bayerische Sozialministerium nennt konkrete Zahlen: „Bis zum 08.12.2024 wurden 9.071 Veranstaltungen von 5.886 Nutzungsberechtigten abgerechnet. Dafür wurden 619.217 Euro berechnet.“ Bei 120.000 anvisierten Veranstaltungen immer noch weniger als zehn Prozent Resonanzquote! Von 4.922 auf knapp über 9.000 Veranstaltungen kann man sich das offenbar schon mal exponentiell schönreden. Die Frage nach dem Flop bleibt im Raum! Mehr aber noch die Frage nach der Moral!

Denn auch 2024 hätte es die zweite Millionenrate des Landes Bayern an die GEMA gar nicht mehr gebraucht, um die anfallende Lizenzsumme auszufinanzieren. Selbst wenn man rund 700.000 Euro Finanzbedarf kalkuliert, liegen bis Ende März 2025 rund 1,7 Millionen Euro für den Steuerzahler unverzinst und nutzlos bei der GEMA. Wie gesagt: Vertraglich mag das korrekt sein! Aber ist das moralisch? Bei der Moral waren wir bereits und haben auch die GEMA dazu angefragt. Die GEMA-Pressestelle aber antwortet zum Thema Moral leider nicht.

Drei weitere ­Bundesländer steigen ein

Nach dem Pilotvertrag mit Bayern haben inzwischen auch die Länder Niedersachsen, Thüringen und Hessen ähnliche Pauschalverträge für Vereinsfeiern abgeschlossen. Die Thüringer Staatskanzlei (TSK) antwortet auf Anfrage: „Bei zirca 19.000 Vereinen in Thüringen gingen die Staatskanzlei und die GEMA davon aus, dass die Zahl der tatsächlichen Inanspruchnahme erheblich größer sein könnte“. Und weiter: „Die Erfahrungen aus Bay­ern wurden im Rahmen der Vertragsgestaltung bereits berücksichtigt“. Bis zum 18. November letzten Jahres wurden laut Staatskanzlei aber überschaubare 655 Veranstaltungen mit einer Summe von 47.750 Euro abgerechnet. Zudem liegt die Hauptzeit der Vereinsfeiern im Sommer und ist im November also schon vorbei. „Die GEMA errechnete“ für Thüringen „eine Summe von knapp 200.000 Euro“, so die Sprecherin für Kultur in der Staatskanzlei. Das Land hatte 295.000 Euro zuzüglich Implementierungskosten an die GEMA überwiesen.

In Niedersachsen hat das Vertragskonstrukt ein Volumen von einer Million Euro und in Hessen von 400.000 Euro – in der Regel vorauszahlbar in zwei Hälften zum Januar und Juli eines Jahres. In Niedersachsen war das Ministerium für Inneres und Sport immerhin schlauer als in Bayern: „Sofern das Kontingent nicht in voller Höhe abgerufen wird, kann das Land Niedersachsen für das Folgejahr eine Absenkung des Pauschalkontingents entsprechend des tatsächlichen Bedarfs gegenüber der GEMA verlangen“.

Verwaltungskosten ­doppelt einkassiert?

Die Thüringer Staatskanzlei schreibt: „Der Haushaltsplan sieht für 2024 insgesamt 325.000 Euro vor, einschließlich der Verwaltungskosten der GEMA.“ Darin enthalten schon 30.000 Euro an sogenannten „Implementierungskosten“. Die TSK erwähnt aber auch eine „Rückzahlungsverpflichtung von 95 Prozent des nicht in Anspruch genommenen Kontingents; 5 Prozent wurden als Verwaltungskostenpauschale vereinbart“. Das Bayerische Sozialministerium antwortete für 2023 bereits, dass unter anderem auch „die Abwicklung der Anmeldung“ von der GEMA als „Implementierungskosten“ deklariert und einkassiert worden sei. Abwicklung bedeutet Verwaltung der Veranstaltungsmeldungen.

Pauschalverträge mit der GEMA haben auch andere Organisationen. In einer telefonischen Erstumfrage unter anderem im religiösen Bereich konnte ein zusätzlicher Verwaltungsobolus nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Ein solcher Versuch führte zu Gelächter am anderen Ende der Leitung.

Warum kassiert die GEMA dann von Ministerien eine zusätzliche Verwaltungsgebühr für Lizenzeinnahmen, aus denen bisher üblicherweise auch die GEMA-Verwaltungskosten gedeckt wurden? Weil Ministeriumsbeamte im Umgang mit Steuergeldern hier überfordert sind? Bei der GEMA-Ausschüttung an die Urheber werden Verwaltungskosten bekanntlich nochmals von den Tantiemen abgezogen und sogar explizit ausgewiesen, wie bei der INKA-Ausschüttung im Aufführungsrecht ab Segment 9 aufwärts (für 2023 laut GEMA ein Verwaltungskostenabzug in Höhe von 22,4054 Prozent).

Die Mär von der ­Bürokratieersparnis

Wer auch immer heute eine Veranstaltungsanmeldung bei der GEMA vornimmt, kommt nicht mehr um deren Onlineportal herum. Das Problem ist und bleibt die Setlisteneingabe bei Nutzung von Livemusik durch Alleinunterhalter oder andere Künstler zum Beispiel auch bei Vereinsfesten. Was aber, wenn die damit überforderten Vereinsverantwortlichen die Setlist nicht abgeben? Üblicherweise verlangt die GEMA dann einen zehnprozentigen Strafzuschlag auf die Rechnung oder sie kürzt den 20-prozentigen Rahmenvertragsnachlass um zehn Prozentpunkte.

Das Bayerische Sozialministerium schreibt, dass es die üblichen GEMA-Nachlässe bekomme. Ergo auch die Strafen bei nicht erfolgter Setlistenabgabe? Die GEMA schreibt, dass die Setlisteinreichung eine gesetzliche Pflicht sei und auch bei den Ehrenamtspauschalverträgen „sämtliche tariflichen Voraussetzungen eingehalten“ würden. Und die GEMA weiter: „Insofern diese nicht erfüllt werden sollten, erfolgt auch keine Übernahme der Vergütungsverpflichtungen.“

Lücke bei der Setlistenabgabe und Monitoring-App als Lösung?

Bedeutet ein Fehlen der Setlist also das Aus für die Abrechnung per Vereinskontingent? Oder können sich überforderte Vereinsverantwortliche auch ohne abgegebene Setlist der Kos­tenübernahme durch das Landesministerium sicher sein? Die GEMA definiert das in ihrer schriftlichen Antwort nicht näher.

Üblicherweise regelt die GEMA das ansonsten mit den vorgenannten zehn Prozent an Rabattkürzung beziehungsweise Strafaufschlag. Keine Setlistmeldung bedeutet allerdings auch keine Tantiemen beziehungsweise Ausschüttung an die Urheber für die Nutzung. Die Fairness gegenüber den Urhebern sollte jedoch über allem stehen!

Die Lösung wäre eine App, wie sie beim Live-Monitoring bereits bei gro­ßen Festivals zum Einsatz kommt (beispielsweise eine Anwendung von Aurismatic)! Da aber tut sich bei der GEMA augenscheinlich seit Jahren nichts. In Branchenkreisen hieß es vor Jahren mal, die GEMA wolle einen Dienste­anbieter übernehmen. Aber dazu herrscht seit langem völlige Stille. In einer Branche, die von hörbaren Klängen geprägt ist, ein unhaltbarer Zustand. Im digitalen Zeitalter noch mehr!

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