Der Anspruch war nicht gering. „Beim Musikwirtschaftsgipfel diskutierten am 14. Juni 2018 die 16 wichtigsten Verbände und Institutionen der Musikbranche öffentlich mit hochkarätigen Vertretern der Bundesregierung und Opposition.“ Großspurig, denn das Ganze fand ganz ohne Beteiligung des Deutschen Musikrates, ohne Beteiligung von Medienvertreterinnen oder Stellungnahmen seitens der musikpädagogischen Verbände statt. Da weiß man, was man nicht hat. Und was man hat: Musikwirtschaft pur, losgelöst aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang. Kann das was werden?
Hätte es gekonnt, konnte es aber nicht. Das Ziel, die Dinge mit „hochkarätigen Vertretern aus Bundesregierung und Opposition“ zu besprechen, realisierte sich nämlich nicht. Die waren kaum präsent, was sich nur zum Teil auf die zeitgleich sich abspielende Regierungskrise in Sachen Asylstreit zwischen CDU und CSU zurückführen ließ.
So haben die Vertreterinnen der Verbände in fünfminütigen Statements eher ein Wunschkonzert von Forderungen aufgestellt, denen dann die vor Ort Anwesenden regelmäßig per Votum großzügig zustimmten. Wie sollte es anders auch sein, man war unter sich und so spiegelte sich das Echo großzügig innerhalb der eigenen Fanbase. Man dreht sich einfach im Kreise, wenn man untereinander bleibt. Gefördert wurde die Veranstaltung übrigens von der „Initiative Musik“, die wiederum von der Bundesregierung ihren Verteiletat erhält – auch hier ein Kreislauf.
Dabei war ganz am Anfang immerhin ein möglicher Streitpunkt angerissen: Im Kern geht es um die Regulierung des Internets und die damit verbundenen Probleme eines aktualisierten Urheberrechts auf EU-Ebene. Während Christiane Wirtz als Staatssekretärin des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz irgendwie eine Balance zwischen den Ansprüchen der Beteiligten (Urheberinnen, Musikwirtschaft, IT-Branche und Nutzerinnen) suchte, war mit den vor Ort sprechenden Vertretern von GEMA (Harald Heker), Bundesverband Musikindustrie (Florian Drücke) und Deutschem Komponistenverband (Micki Meuser) naturgemäß nur die eine Hälfte der Beteiligten präsent. Eines der Probleme ist, dass die großflächige Nutzung von Musik im Internet sich nicht im möglichen Ertrag für Musikwirtschaft und Urheberinnen spiegelt – die sogenannte „Value Gap“. Nutznießer dieser Werte-Lücke sind vor allem IT-Unternehmen und ihre Produkte (YouTube zum Beispiel). Diese Lücke möchte man schließen, zum Beispiel durch den Einsatz sogenannter Upload-Filter, um nicht lizenzierte Musiknutzungen auf diese Weise zu verhindern. Algorithmen sollen es richten. So problematisch solche technischen Vorkehrungen selbst schon sind, sind sie zudem auch technisch anspruchsvoll. Für IT-Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 20 Mio. Euro sollen diese Regeln daher nicht gelten, so Wirtz. Dagegen wehren sich die Urheberinnen natürlich und verständlicherweise, schließlich könne man doch nicht die IT-Branche auch noch mitfinanzieren, die ihrerseits ungern etwaigen Lizenzforderungen der Urheber und Verwerter bekanntermaßen nachkommt. Andererseits könnte das zur Folge haben, dass praktisch kaum noch eine innovative IT-Idee mehr wegen dieser Grundkosten durchdringt und der Markt sich auf die Big Player wie Google und Co reduzierte. Gesprächsbedarf wäre da. Diskutiert wurde nicht.
Anderes Beispiel: „Vier Stunden Unterricht pro Woche einschließlich aktivem Musizieren und Einbezug der Digitalisierung in der Musik wird in allen vorschulischen und schulischen Einrichtungen bundesweit Standard“, forderte Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer, Popakademie Baden-Württemberg GmbH & Vizepräsident, Deutscher Musikrat. Zustimmung im Plenum. Kurz danach diskutierten tatsächlich Vertreterinnen aus Wissenschaft und Politik auch diese These. Ein Diskursfeld aus Fragen zur Qualifikation der Musiklehrerinnen (von KiTa über Hauptschule bis Uni), zum „Kanon“ des Unterrichts bis hin zur Finanzierung tat sich dabei auf, stand aber letztlich sowohl als wohlbekanntes Problem wie unter den aktuellen Bedingungen und Entwicklungen (Priorisierung der MINT-Fächer) als unlösbar im Raum.
Das Beste an der Veranstaltung war, dass sonst getrennt agierende Musikwirtschaftsparteien sich gegenseitig darüber informierten, wo sie selbst ihre größten Baustellen sehen. Bei bestimmten Gruppen wie den Ticketverkäufern, der Instrumentenbranche oder den Konzertveranstaltern vernahm man Klagen über bestimmte Probleme der Finanz- und Kultur-Bürokratie, die einen in der Tat sprachlos machen konnten. Ein Beispiel dafür erwähnte Daniel Knöll von der „Society Of Music Merchants“ (SOMM): „Ein Einzelhändler in Niedersachsen erhält von seiner zuständigen Landesbehörde die Auskunft, die Buchführung (Laufende Nummer, Eingangstag, Typ, Holzart, Gewicht der betroffenen Baugruppe, Name des Besitzers, Abgangstag) müsse in einem handschriftlichen gebundenen Buch erfolgen. Im Gegensatz dazu erhält ein Einzelhändler aus Schleswig-Holstein von seiner zuständigen Landesbehörde die Auskunft, die Angabe von Gewicht und Baugruppe sei entbehrlich, die Eintragungen könne auch in Form einer elektronischen Datei erfolgen.“ Dass es hier wie anderswo erheblichen Entbürokratierungsbedarf gibt, steht außer Frage. Und so wäre es gut gewesen, dass die Politik sich dazu hätte äußern können. Die aber musste gerade „Politik“ machen. Und so bleibt als Fazit nur: Friede, Freude, Pustekuchen.
In ihrer Begrüßungsrede beim Musikwirtschaftsgipfel hat die Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Feld schon deutlicher und weiter umrissen als es die Veranstaltung selbst tat, in dem sie Kulturpolitik darauf verpflichtete „Musik nicht nur als Wirtschaftsgut, sondern auch als Kulturgut“ zu sehen. „Wir wenden uns damit gegen die Degradierung von Kulturgütern zur bloßen Handelsware und gegen die Bewirtschaftung einer geistigen und ästhetischen Monokultur, in der nur das überlebt, was sich gut verkauft.“ Dafür aber bedürfte es keiner weiteren Nabelschau, sondern deutlich anders orientierter Veranstaltungen.