Berlin - Nicht für Verkaufserfolge wie beim Echo, sondern für künstlerische Qualität werden die «International Music Awards» vergeben. Die Berliner IMA-Premiere bietet eine spannende Pop-Mixtur: Neben Toptalenten glänzen auch zwei Altstars.
In den 40 Jahren seiner Weltkarriere hat Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt als Sting, schon 17 Grammys nach Hause getragen. Seit Freitagabend ist der britische Rockstar um eine Auszeichnung reicher - den ersten «Lebenswerk»-Preis der neuen «International Music Awards» (IMA). Und er vermittelte nicht den Eindruck, dass die Berliner «Hero»-Trophäe ihm weniger bedeutet als all die viel prestigeträchtigeren davor.
Die modern designte IMA-Statuette wurde der «lebenden Legende» Sting (68) bei einer gelungenen Premieren-Gala unter großem Publikumsjubel von Udo Lindenberg überreicht. Schon am «Roten Teppich», der in Berlin freilich aus kühlen grauen Steinfliesen bestand, hatte der einstige Police-Frontmann zuvor deutlich gemacht, dass er sich eigentlich nicht als «Hero» fühle. «Ich erwähne hier lieber meine eigenen Helden: die Beatles, Miles Davis, David Bowie, Stevie Wonder - die haben mich inspiriert.»
Und noch einen Kollegen rühmte Sting als Helden - den 73 Jahre alten «Panik-Udo». Der sei schließlich der erste Musiker überhaupt gewesen, der Rock auf Deutsch gesungen habe - und überhaupt ein toller Typ, dem er selbst vor gerade mal einem Jahr einen schönen Preis überreicht habe.
Stings Live-Auftritt mit den Songs «If You Love Somebody...» und «So Lonely» sowie einem sympathischen Dankeschön auf Deutsch war Schluss- und Höhepunkt einer erfreulich straff durchgetakteten, in den Video-Übertragungen nicht ganz pannenfreien IMA-Show. Die Gala in der eher sterilen Verti Music Hall lebte von einer spannenden Mischung an Preisträgern und Performances: von der Rock-Tradition mit den beiden Altstars über gehobenen aktuellen Charts-Pop bis zu Avantgarde-Sounds.
Erstmals nach dem Echo-Aus wurde wieder ein großer Popmusik-Preis in Deutschland vergeben. Beeindruckend war das starke Eintreten vieler Künstler für gesellschaftliche Offenheit und sexuelle Toleranz, gegen Rechtsextremismus und Nationalismus - ein Kontrastprogramm zum weitgehend unpolitischen Echo. Dieser war 25 Jahre lang der wichtigste deutsche Musikpreis gewesen - auf Basis von Verkaufszahlen. Der Skandal um die als antisemitisch eingestuften Rap-Texte der Echo-Preisträger Farid Bang und Kollegah führte dann zur Absage der diesjährigen Kommerz-Gala.
Der erstmals vom Musikmagazin «Rolling Stone» und Axel Springer Mediahouse ausgerichtete IMA will kein Echo-Nachfolger sein, sondern orientiert sich an künstlerischer Relevanz und moderneren musikalischen Kategorien. So gab es am Freitag Preise ohne Gender-Grenzen - etwa für «Commitment» (Engagement), «Future» (Innovation) oder «Beginner» (Newcomer). Die Preisträger wurden von Journalisten und Musikern ermittelt.
Lindenberg erhielt für seine politische Haltung den «Courage»-Preis. Hervorgehoben wurde die Hartnäckigkeit, mit der er in den 80er Jahren das DDR-Regime gepiesackt hatte («Sonderzug nach Pankow»). Seine Bühnen-Show mit viel deutsch-englischem Genuschel war so lässig und charmant, dass einem die beiden bemühten, aber biederen Gala-Moderatoren - das deutsche Topmodel Toni Garrn und US-Showstar Billy Porter - daneben fast leid tun konnten.
Weitere IMA-Awards gingen an die Deutschrock-Band Rammstein (Live-Publikumspreis), die britische Gitarristin Anna Calvi, die Elektronik-Musikerin Holly Herndon aus den USA, die US-Rapperin Tierra Whack, die Soul-Newcomerin Lizzo, den Anti-Brexit-Kämpfer Slowthai und die 17-jährige Pop-Überfliegerin Billie Eilish. Bis auf Calvi und Herndon nahmen diese Künstler ihre Preise in Berlin nicht persönlich entgegen, ihr Dank wurden per Video eingespielt.
Auffallend viele weibliche Toptalente waren unter den Geehrten - und auch live mit Bands auf der Bühne: beispielsweise noch die Franzosen Christine and The Queens und die australische Rapperin Iggy Azalea mit Alice Chater. Besonders gut kamen die furchtlose kanadische Performerin Peaches und ihre Fast-nackt-Tänzertruppe an, die das Rammstein-Stück «Du hasst» aufführten. Auch der deutsche Hip-Hop-Stilist Max Herre (mit dem Anti-Neonazi-Stück «Dunkles Kapitel») und seine Frau Joy Denalane begeisterten.
Der Stimmung unter den gut 2000 IMA-Besuchern war gut - zumal das Publikum den noch fehlenden Glamour und kleinere Premierenmängel der Show wohl unter Kinderkrankheiten verbuchte. Als bei Stings Schlussauftritt die Konfetti-Kanonen in Aktion traten, waren die «International Music Awards» als neue Popkultur-Gala in Berlin offenkundig angekommen.