Die Musikindustrie befindet sich im Wandel, wenn man es überhaupt so bezeichnen möchte, denn der Wandel der vergangenen 70 Jahre scheint die einzige Konstante zu sein. Angefangen vom Fortschritt überschreibbarer Magnettonbändern zu Vinyl- statt Schellackplatten, über Digitalisierung mit CDs und den Boom des Musikfernsehens, MP3s und Downloads bis zum heutigen Streaming. Hat sich dabei alles verändert? Nicht alles, denn was bleibt, ist die Musik.
Das Problem mit Streaming
Streaming ist in Deutschland angekommen. 68,3 Prozent der Umsätze aufgenommener Musik wurden 2021 in Deutschland mit Streaming erwirtschaftet („Musikindustrie in Zahlen 2021“, S. 6, Herausgeber: Bundesverband Musikindustrie e. V., 2021). Von diesem Geld erhalten Songwriter sehr wenig. Das zeigt eine von der GEMA in diesem Jahr beauftragte Studie von Goldmedia („Studie: Musikstreaming in Deutschland“, S. 42, Goldmedia, 2022 – LINK). Dabei kam heraus, dass nur 9,7 Prozent der Nettoeinnahmen eines Standard-Abonnements eines Streamingdienstes an die Musikurheber*innen ausgezahlt werden. Der Rest geht an Tonträgerfirmen (42,4 %), die Streamingdienste selbst (30 %), Interpret*innen (12,4 %) und Verlage (5,3 %). Etwas paradox, denn ohne Songwriter gäbe es keine Lieder zu streamen.
Das Problem liegt nach Aussage der European Composers and Songwriter Alliance in der weiter gelebten Tradition der Vergütung für Songwriter („Music streaming and its impact on composers and songwriters”, S. 3, 2021 - Link). Die Streaming-Erlöse werden aufgeteilt wie zu Zeiten von CD-Verkäufen. Tonträgerfirmen erhalten den Löwenanteil der Vergütung. Dies macht aber bei Streaming keinen Sinn, weil die Kosten der Herstellung und Distribution sich ganz anders zusammenstellen.
Aus eigener Erfahrung erhalte ich als Songwriter eines physischen Albums, welches 1.000 Mal bei einem Handelsabgabepreis von 10 Euro verkauft wird, etwa 1.000 Euro. Um das gleiche Geld im Streaming-Kontext zu verdienen, muss ein Album mit zehn Titeln etwa 50.000 Mal vollständig gestreamt werden.
Ein Plus für Songwriter
Jedoch hat die Digitalisierung auch Vorteile. Die Detailliertheit der Nutzungsaufstellung der Ausschüttungen, die heutzutage für ein GEMA-Mitglied einsehbar ist, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Außerdem kann man Reklamationen inzwischen online einreichen. Vanessa Maurischat, Inhaberin des Verlags kosmopolit music group, sagte mir: „Für einen Songwriter ist die Frage, ob eine Verlagsbeteiligung Sinn macht oder sie oder er die Nutzungsverteilung selbst erlernt, heutzutage schwerer abzuwägen.“ Denn die Informationen sind verfügbar. Beispielsweise betreut die GEMA ihre Urheber*innen mit einem wachsenden Angebot von Webinaren, unter anderem über die Einreichung von Setlists und Reklamationen.
Weitere Einkommensmöglichkeiten
VERSO die Fachgruppe für Songwriter im Deutschen Komponist:innen Verband (DKV) setzt sich für bisher unübliche „Walk-In Fees“ ein. Das ist eine Aufwandsentschädigung für die Writing-Session. Denn bisher war es Usus, dass Songwriter nicht für die Session an sich entlohnt wurden, sondern auf ihre Tantiemen warten mussten. Da ging man leer aus, wenn der Song nicht veröffentlicht wurde. Das kommt leider oft vor. Nach einer VERSO-internen Umfrage erhält das Konzept der „Walk-In Fee“ wachsenden Zuspruch und man solle keine Angst haben, sie einzufordern.
Zu nennen sind zudem Synchronisation (Lizenzeinnahmen in TV, Film, Spielen oder Werbung) und Aufführungstantiemen. Bei Synchronisation macht es Sinn, mit einem Verlag, Label oder einer Agentur zusammenzuarbeiten und von ihren Strukturen zu profitieren.
Aufführungstantiemen können auch selbst erzielt werden. Denn die reine Form des Songwriters ist selten zu finden. Die meisten tragen mehrere Hüte. Viele sind als interpretierende*r Künstler*in, Produzent*in oder Unternehmer*in tätig. Ich als Singer-Songwriter zum Beispiel schreibe alle meine Lieder selbst und trete mit ihnen auf. Die Konzerte spülen – zu den Tantiemen im Nachhinein – Gagen in die Kassen und ich kann dort CDs und Merchandise verkaufen. Insgesamt machen die Gagen sogar etwa 70 Prozent, der CD-Verkauf 20 Prozent und die GEMA-Ausschüttungen etwa 10 Prozent meines Einkommens aus. Im Vergleich dazu stehen meine Streaming-Einkünfte bei nur etwa 0,1 Prozent meines Jahresumsatzes.
Das Zweitwichtigste: Netzwerken
Es gibt Online-Plattformen, wie beispielsweise Fiverr, bei denen man seine Dienstleistungen direkt anbieten kann. Die Konkurrenz ist hoch, der Preisdruck enorm und meistens sind produzierte Aufnahmen und nicht nur geschriebene Songs gewünscht. So oder so, letztendlich verkauft man an Menschen. Es klingt platt, aber das Wichtigste neben Songwriter-Qualitäten sind Freundlichkeit und ein starkes Netzwerk.
Mitgliederversammlungen von Berufsverbänden (wie dem DKV) und der GEMA können gute erste Anlaufstellen sein. Außerdem bieten sich Festivals und Konferenzen an, um professionelle Kontakte auszubauen: Für den Popbereich gibt es das Reeperbahnfestival und die c/o pop. Dabei sollte das Ziel sein, sich unter Kolleg*innen bekannt zu machen.
Eine weitere Sache, die schon immer galt: Songwriter üben ihre Tätigkeit aus Liebe zur Musik und langfristig aus. Da ist Geduld gefragt. Wie Jimmy Page mir auf meine Frage „Was würdest du einem jungen Musiker raten?“ antwortete: „Folg‘ deiner Leidenschaft. Und bleib dran.“
Ludwig Wright, Singer-Songwriter, Musikwissenschaftler, Delegierter der außerordentlichen Mitglied der der GEMA, Mitglied im Deutschen Komponist:innenverband.