Marketing und klassische Musik: Was vor nicht allzu langer Zeit noch verpönt war, ist mittlerweile salonfähig geworden. Dass Marketing nichts per se Schlechtes (weil kommerziell Orientiertes) sein muss, ist inzwischen bei den meisten Kulturschaffenden angekommen. Da lag es nahe, dass sich die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit dem Deutschen Musikrat in einem Round Table einen Tag lang dieses Themas annahm, um sich am Folgetag mit der „Klassischen Musik im Kinderfernsehen“ zu beschäftigen. Zwei Fragestellungen, die (noch) mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten Blick aussehen mag.
Jüngstes Beispiel für ein erfolgreiches Klassik-Marketing: Die Salzburger „Traviata“-Inszenierung sowie ihre anschließende Vermarktung durch Fernsehen, DVD- und CD-Produktion. Jan Mojito, Eigner der Firma Unitel, stellte das Erfolgsmodell vor, sprach aber auch von den „unkalkulierbaren Risiken des Produzenten“. Musiker sollten endlich einsehen, so Mojito, dass solche Produktionen in erster Linie Marketing-Funktion hätten. Sprich: Sie sollen auf ihre Rechte an den Produktionen in der bisherigen Form verzichten. Im Falle des wirtschaftlichen Erfolgs könnten sie an den Erlösen beteiligt werden. Ein Gedanke, der in Verwerter-Kreisen um sich greift: Die Investition trägt nicht mehr der Produzent, der Verlag, das Label – der einzelne Musiker geht ins Risiko.
Eine DVD-Produktion aller Salzburger Mozart-Opern im Sommer 2006? Nicht finanzierbar, sagt Jan Mojito. Und auch der Produzent Bernhard Fleischer, der dieses Projekt in Angriff nehmen will, sucht noch nach einem Finanzier, der ihm die fehlenden 2,5 Millionen zur Verfügung stellt.
Ob dies nicht sinnvolles Objekt öffentlicher Fördermittel zum Zwecke der Anwendung im schulischen Musikunterricht sei, fragte Moderator Bernt von zur Mühlen in die Runde. Nein, beschied Rolf Bolwin, Geschäftsführer des deutschen Bühnenvereins. Als Unterlage für den Musikunterricht ohne pädagogisches Begleitmaterial komme die Produktion einer Opernaufführung sicher nicht in Frage. Überhaupt hielt Bolwin die Fahne der Kultur und der Kulturschaffenden hoch in einer Diskussion, die stark von Fragen des wirtschaftlichen Erfolgs geprägt war.
Immerhin lautete das Thema „Klassische Musik und Marketing-Strategien“. Da darf es auch um Geld und Gewinne gehen. Schade aber, dass der Begriff des Marketings sich tatsächlich im Wesentlichen auf das Ziel konzentrierte, klassische Musik im Sinne des kommerziellen Erfolgs gewinnbringend zu verkaufen. Ist aber nicht, wenn wir von Marketing in Zusammenhang mit klassischer Musik sprechen, auch die Frage angebracht, wie wir durch erfolgreiches Marketing klassische Musik (wieder) einem größeren und jüngeren Publikum nahe bringen? Deutlich wurde der Unterschied in der Diskussion über das Klassik-Radio. Einem rein kommerziell agierenden Unternehmen, so das mehrheitsfähige Fazit, könne man nicht unbedingt vorwerfen, dass es genau die Musik spiele, die die Hörer sich wünschen. Quote bringt Werbeeinahmen – so die einfache Formel. Bleibt die Frage, ob man wirklich „Klassik“ drauf schreiben soll, wo Klassik nicht drin ist. Bei der Präsentation des Programmschemas durch Wolfgang Maennel vom Klassik Radio, erwies sich manche Etikettierung zumindest als zweifelhaft.
Themen- und Szenenwechsel beim Vortrag von Martin Hufner, der über „Klassische Musik im Internet“ sprach und den Tagungsteilnehmern zunächst vor Augen führte, dass Webseiten von Musikverbänden (die ja zum „Marketing“ im nicht-wirtschaftlichen Sinne einiges beitragen könnten) durchaus noch Verbesserungspotenzial in sich tragen. Bei der direkten Präsentation von Musik im Netz, so Hufner, stelle die Rechte- und Lizenzierungsfrage nach wie vor eine hohe Hemmschwelle dar. Vieles wird nicht realisiert, weil es zuviel kostet.
Marketing und Strategie
Marketing als strategische Management-Aufgabe sei in vielen Orchester- und Theaterbetrieben noch unterentwickelt – so Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung. Das Potenzial der Neuen Medien sei noch lange nicht ausgeschöpft.
Eher werde von Einzelnen „Bauch-Marketing“ betrieben. Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie, ist da anderer Meinung. Zuallererst gehe es doch ums Produkt, sprich die künstlerische Qualität, und nicht um die Produkt-Werbung. Im Grunde aber sind dies zwei Seiten der gleichen Medaille: Der Begriff des Marketing umfasst durchaus nicht nur Werbung und Promotion, sondern auch Fragen der Produktauswahl und -qualität.
Mit der klassischen Musik im Kinderfernsehen ist immerhin (fast) alles in Ordnung – meinten jedenfalls Gottfried Langenstein (ZDF), Lothar Mattner (WDR) sowie Peter Will, Erfolgsproduzent der Kinderserie „Little Amadeus“. Und tatsächlich gibt es – bei allen Wünschen, die noch offen sind – gute Ansätze. Neben dem „Little Amadeus“, der inzwischen die beachtliche Quote von 25 Prozent erreicht, ist das zum Beispiel auch die „Opernmaus“ des WDR. Oder der „Ritter Rost“, der – so Ralf Möllers, Geschäftsführer des Terzio Verlags – allerdings auch noch einen Investors sucht, damit er sich wie geplant regelmäßig im Fernsehen präsentieren kann. Kinder, so Möllers, können noch gar nicht zwischen „E“ und „U“ unterscheiden, mehr noch: Es ist ihnen gleichgültig. Dies war auch Ergebnis der Schlussdiskussion. Daneben stand die Erkenntnis: Fernsehen kann zwar wichtiges Medium sein, um klassische Musik an das Kind zu bringen. Ohne Live-Erlebnis aber, das Musik unmittelbar vermittelt, darf man eine nachhaltige Wirkung nicht erwarten.
Wichtiges Ergebnis der Tagung war – neben der Information – vor allem der Austausch. Wenn Medienmacher, Produzenten und Verbandsvertreter an einem Tisch über Wünsche und Ideen sprechen, sind die ersten Schritte schon getan.
Dies auch ist das große Verdienst der Landesmedienanstalt, die eine Fortsetzung für das kommende Jahr versprach.