Erstmals veranstaltete die Popakademie Baden-Württemberg das pop-forum in ihren neuen Räumlichkeiten. Auch in Zukunft soll das Frühjahrsmeeting der Pop-Musikbranche in Mannheim seine feste Heimat finden. Institutsleiter Udo Dahmen baut damit sein in Deutschland einzigartiges Institut einer Popakademie weiter aus und macht klar, dass die Popakademie mehr sein will, als eine poppige Alternative zur Musikhochschule. Sie versteht sich als das deutsche Kompetenzzentrum für Popkultur und Musikwirtschaft.
Die gesamte Musikwirtschaft war zwar noch nicht anzutreffen, dennoch ist in den Partnern Südwestrundfunk, Universal Music und Deutscher Phonoverband oder mit Teilnehmern wie Steinberg Technologies, Sony/BMG und diversen Konzertagenturen und Consultingfirmen schon mehr als ein Nukleus für einen umfassenden Branchentreff vorhanden. Entsteht hier unerwartet die bessere Popkomm? Immerhin werden Themen wie Tonträger und neue Medien, Studiotechnik und neue Technologien sowie Ausbildung in musikalischer wie betriebswirtschaftlicher Sicht nirgends so eng verzahnt wie in Mannheim.
Dass die Theorie die beste Praxis ist, versuchten die Teilnehmer des tags zuvor stattfindenden vierten Fachkongresses „ZukunftPop“ zu belegen. Experten aus Szene, Wirtschaft, Medien, Politik und Forschung erarbeiteten neue Ideen und Thesen für die Musikwirtschaft und die Pop-Ausbildung. „MU:ZONE 2005 Europa rockt zusammen“ hieß das zahlenmäßig am stärksten besuchte Panel. Das MU: ZONE-Projekt unter der Leitung der Popakademie ist ein Music Education Exchange Programme im Rahmen des Leonardo da Vinci Projektes der EU. Die Koordination des im September startenden europaweiten Austauschprogramms mit 50 Studenten wurde auf dem Kongress erarbeitet. Ebenso sprach man über „Strategieentwicklung zur Verbreitung und Gewährleistung der Nachhaltigkeit“.
Das Modewort Nachhaltigkeit, das langsam aber sicher nicht länger nur für ökonomische, ökologische und politische Themen steht, sondern sich nachhaltig einen Platz auch im Kulturbereich erobert hat, beinhaltet hier das Konzept, dem Popnachwuchs aus den diversen europäischen Partner-Akademien, die in MU:ZONE vereinigt sind, Zugang zu einem MU:ZONE-Meeting in London zu ermöglichen und dann im August auf dem Sziget Festival in Ungarn Auftrittsmöglichkeiten.
Das Panel „Schnappi vs. Kettcar“ erörterte Kreativpotenziale im Zeitalter von Klingeltoncharts und Downloads. Provokante Thesen sehen in der Beschleunigung und Diversifikation des aktuellen Medienwandels nicht in erster Linie Gefährdungen von Besitzstand, sondern neue ästhetische und kommerzielle Chancen. Hier die Thesen in Kurzform, zusammengefasst vom Medienwissenschaftler und Panelmoderator Rolf Großmann.
• zu Retrotrends: Die Medienvergangenheit ist ein zentraler Bestandteil der Zukunft des Pop
• zu Mobile Commerce: Das Handy wird zum Musik-Walkmann-Gameboy
• zur Zukunft des Radios: Das Formatradio muss sich in der Sendervielfalt und neben Webradios verändern, während der digitale Rundfunk weiterhin randständig bleibt.
• zu Verwertung und Urheberrecht: Die GEMA bekommt Konkurrenz
• zur Sicherung von Investitionen und Finanzierung von Popmusik: „Indie(pendent)- und Hollywood-Modus werden zu langfristig koexistierenden Wertschöpfungsmodellen
• zum kollaborativen Musizieren im Internet: Internet Sessions ergänzen die reale Studioarbeit.
Das Panel 3, „Pop und Pädagogik – Best Practice“ – zu den Teilnehmern zählten auch Christian Höppner (Generalsekretär Deutscher Musikrat) und Hans Bäßler (Bundesvorsitzender VDS) – widmete sich der Positionierung der Popmusik in Bezug auf den Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen. Wie nicht anders zu erwarten, lautete die zentrale Aussage: „Populäre Musik gehört in den Kernbereich der musikpädagogischen Ausbildung.“ Interessant die „Grundgedanken zu einer innovativen musikpädagogischen Konzeption“ der Hamburger Musikpsychologin Karin Poppensieker: Alte pädagogische Erkenntnisse (handlungs- , erlebnis- und erkenntnisorientierter Unterricht) machen innovative Musikpädagogik erst möglich.
Vorausgesetzt allerdings, dass „konservative Strukturen“ überwunden würden, die „eine längst überfällige Strukturreform der Curricula für die Kindergärten, die Schulen und auch die Lehrpläne in der Musiklehrerausbildung“ behinderten.