Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) nimmt die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall „Metall auf Metall“ positiv zur Kenntnis. Nach der heutigen Pressemitteilung des BGH folgt das Gericht den Vorgaben des EuGH und stellt klar, dass Vervielfältigungshandlungen seit Geltung der InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG im Jahr 2002 europarechtskonform auszulegen seien. Nach diesen Maßstäben stelle die Entnahme von zwei Takten einer Rhythmussequenz ohne Zustimmung des jeweiligen Rechteinhabers grundsätzlich eine Verletzung der Tonträgerherstellerrechte dar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten die Rhythmussequenz in beim Hören wiedererkennbarer Form übernommen. Weder eine freie Benutzung noch die Berufung auf etwaige Schrankenregelungen wie das Zitat oder die Parodie komme in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben seien. Eine Berufung auf eine Schranke für Pastiches scheide ebenfalls aus, da diese derzeit nicht in deutsches Recht umgesetzt worden sei.
Gleichwohl sei eine abschließende Entscheidung aufgrund fehlender Tatsachenfeststellung des Oberlandesgerichtes nicht möglich gewesen. Hier wird insbesondere die Frage zu klären sein, ob die Beklagten ab dem 22. Dezember 2002 Handlungen der Vervielfältigung oder Verbreitung vorgenommen hätten oder ob solche Handlungen ernsthaft und konkret zu erwarten gewesen seien. Es bleibt nun abzuwarten, wie das Oberlandesgericht über diese noch offenen Tatsachenfragen entscheiden wird.
Der BGH hat insofern auf Grundlage der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entschieden, der in seinem Urteil vom 29. Juli 2019 die Rechte der Tonträgerhersteller grundsätzlich gestärkt und durch seine Definition mehr rechtliche Klarheit hinsichtlich des „Sampling“ geschaffen hatte. Unter anderem hatte er geurteilt, dass das Tonträgerherstellerrecht in diesem Kontext durchaus im Einklang mit der Grundrechte-Charta der EU sowie mit der Urheberrechtsrichtlinie ist und Sampling einen Eingriff darstellen kann, wenn es ohne Zustimmung der Rechteinhaber erfolgt.
Die Entscheidung ist eine weitere Etappe der bereits seit Ende der 1990er Jahre andauernden gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Gruppe „Kraftwerk“ und Musikproduzent Moses Pelham über eine prägnante rhythmische Sequenz aus dem Kraftwerk-Song „Metall auf Metall“. Pelham hatte diese 1997 für einen von Sabrina Setlur gesungenen Titel genutzt. 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht alle bisherigen Gerichtsurteile als verfassungswidrig aufgehoben und insbesondere mit Blick auf Zweifel an der Vereinbarkeit mit EU-Grundrechten an den BGH zurückverwiesen. Dieser wiederum hatte dem EuGH entsprechende Fragen zur Prüfung vorgelegt.
Dr. Florian Drücke, der Vorstandsvorsitzende des BVMI: „Es ist aus Branchensicht erfreulich, dass die heutige BGH-Entscheidung eng den im Juli 2019 neu eingeführten Vorgaben des EuGH folgt. So verfestigt der BGH nun die Kriterien, wann Sampling unter die Kunstfreiheit fällt, die ggf. schwerer wiegen kann als Eigentumsrechte – und wann nicht, und sorgt dadurch für mehr Rechtssicherheit. Ein Sampling ohne Zustimmung des Rechteinhabers wird auch künftig regelmäßig nur dann erlaubt sein, wenn die übernommene Sequenz so erheblich verändert wird, dass sie für den durchschnittlichen Musikhörer nicht mehr wiedererkennbar ist. Dass die Auslegung der Kriterien in jedem Einzelfall neu abzuwägen ist, liegt in der Natur der Sache. Die Entscheidung führt zu einer Stärkung der Rechte der Tonträgerhersteller im Hinblick auf die Wertigkeit von kürzeren Ausschnitten von Aufnahmen; dies in einer Zeit, in der das Thema digitale Lizenzierung nicht nur durch die bevorstehende Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie besonders sensibel ist.“
René Houareau, Geschäftsführer Recht & Politik beim BVMI: „Die Vorgaben des EuGH sind klar: Ein Tonträgerhersteller hat das Recht, die ‚Vervielfältigung seines Tonträgers zu erlauben oder zu verbieten‘. Auch kann er sich unter bestimmen Bedingungen bei sehr kurzen Audiosequenzen gegen die Nutzung Dritter wehren. Sampling fällt nur dann unter die Kunstfreiheit, wenn das Audiofragment geändert und beim Hören nicht wiedererkennbar ist. Musikalische Zitate wiederum sind nur dann zulässig, wenn eine ausdrücklich künstlerische Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk stattfindet. Wir können nun gespannt sein auf die Entscheidung des OLG.“