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Bands wollen selbst den Ton angeben - Immer mehr Musiker gründen eigene Plattenfirmen - «Nur wer die Rechte hat, hat das Sagen»
Berlin (ddp). Ice Cube und Eminem haben sie, Bad Religion und NOFX auch, ebenso Tomte und Mike Skinner. Die Musiker und Bands haben den Sprung in die Selbstständigkeit gemacht und ihre eigene Plattenfirma gegründet. Damit liegen sie voll im Trend: «Die meisten Bands haben heute ihr eigenes Label», sagt Klaus Quirini vom Verband Deutscher Musikschaffender (VDM). Zu dieser Entwicklung könne er nur raten: «Nur wer die Verlags- und Labelrechte hat, hat das Sagen.»
Die Motivation der Musiker, ihr eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen, ist unterschiedlich. Ice Cube sagt im ddp-Interview: «Ich hatte die Plattenfirmen satt. Meiner Ansicht nach haben sie nicht so an Veröffentlichungen gearbeitet, wie sie sollten. Ich wollte ihnen die Macht aus der Hand nehmen und in meine eigenen legen, um meine Platte so zu machen, wie ich es für am besten halte.»
Tomte-Frontmann Thees Uhlmann und Musikern der Band Kettcar blieb dagegen 2002 nichts anderes übrig, als ihr eigenes Label zu gründen -damals wollte die Chartstürmer von heute keine Plattenfirma haben. «Die ärgern sich jetzt schwarz», sagt Thees. Mittlerweile bringt Grand Hotel van Cleef nicht nur eigene Sachen heraus, sondern hat auch weitere Bands unter Vertrag - die sich darum rissen, von dem kleinen Hamburger Label unter Vertrag genommen zu werden.
Auch nach Einschätzung der deutschen Phonoverbände ist ein leichter Anstieg an Gründungen kleiner Labels erkennbar. Konkrete Zahlen liegen dem Verband indes nicht vor.
Bei der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), wo Firmen einen Labelcode zur Abrechnung mit den Sendeanstalten beantragen müssen, verzeichnet man eine stetig steigende Zahl von Tonträgerherstellern. 2003 waren dort rund 5000 Tonträgerhersteller registriert, 2004 rund 5500 und 2005 bereits 6000. Dabei könne ein Tonträgerhersteller mit mehreren Labels gemeldet sein. Labels gebe es in Deutschland derzeit etwa 15 000.
Der Chef des Berliner Indie-Labels City Slang, Christof Ellinghaus, ist überzeugt: «Man muss nicht mehr auf einem Major sein, um erfolgreich zu sein.» Große Bands «machen sich selbst».
Quirini betont: «Es ist heute kein Thema mehr, eine CD zu machen.» Für die Selbstständigkeit seien rund 1500 Euro nötig - für die Pressung von Scheiben und sämtliche Gründungsformalitäten. Der VDM, der Musiker bei der Firmengründung unterstützt, rät zum eigenen Geschäft: Das Geld werde in der Reihenfolge Komponist, Textdichter, Verleger, Produzent, Plattenfirma, Business- und Bookingmanager, Musiker und Künstler verdient. «Der wichtigste Mann hat die schlechteste Funktion», kritisiert Quirini. Vor allem für Bands, die selbst komponierten und texteten, mache ein eigenes Label Sinn.
Eine Entwicklung in diese Richtung beobachtet der Experte seit etwa 2002: Zwar gibt es ihm zufolge keine konkreten Zahlen zu Künstlern, die sich selbst verkaufen und verwalten. 2003 fand er im Internet jedoch nur 23 000 Einträge zu dem Begriff «Gemafreie Musik», mittlerweile seien es eine halbe Million. «Die Entwicklung überstürzt alles.» Newcomern, denen ein guter Vertrag bei einem Major Label winkt, empfiehlt er aber dennoch, dieses anzunehmen.
Nadine Emmerich