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Musikindustrie hofft auf China, Afrika und das Internet

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Erst hat das Internet das Geschäft der Musikindustrie erschüttert, jetzt sind neue Online-Dienste der große Hoffnungsträger. Und dank Smartphones soll nun auch Geld aus bisher «weißen Flecken» wie China und Afrika fließen. Doch die Konzerne hängen noch am CD-Tropf.

 
 
 Berlin - Musik ist allgegenwärtig, doch das Geschäft damit ist dafür verhältnismäßig klein. Ziemlich genau 15 Milliarden Dollar spielte im vergangenen Jahr der Verkauf von Musik in allen Formen ein. Fast genauso viel Umsatz machte der Internet-Riese Google allein im Weihnachtsquartal - und dazu einen Milliardengewinn, von dem Musikkonzerne nur träumen können. Immerhin hat die Branche in Kernmärkten wie Europa und den USA den ersten Schock des Internet-Wandels überstanden und kann sogar von Wachstum in bisher kaum unerschlossenen Regionen wie Afrika oder China träumen.
 
 In China mit seinen über 600 Millionen Internet-Nutzern machte die Musikindustrie im vergangenen Jahr gerade einmal einen Umsatz von schätzungsweise knapp 83 Millionen Dollar. Selbst diese mageren Erlöse haben die Plattenfirmen hauptsächlich einem Lizenzdeal mit dem Online-Riesen Baidu zu verdanken. Größtenteils werden die Songs nach wie vor ohne jegliche Abgaben an die Rechteinhaber geladen.
 
 In drei bis fünf Jahren könne China aber einer der größten Musik-Märkte sein, verspricht der Landesmanager des Branchenführers Universal Music, Sunny Chang, im neuen Jahresbericht des Industrieverbandes IFPI. Die Hoffnung liegt vor allem auf den neuen Abo-Diensten, bei denen Musik für eine monatliche Gebühr ohne Beschränkungen gehört werden kann. Umfragen zeigten, dass Nutzer solcher Streaming-Dienste seltener zu illegalen Downloads griffen, argumentiert der Branchenverband. Und mit einer Auswahl von insgesamt 37 Millionen Titeln sei inzwischen praktisch der gesamte Schatz an aufgenommener Musik so über das Internet erreichbar.
 
 «Die Verbreitung mobiler Geräte wie Smartphones hilft uns, bisher unzugängliche Kunden zu erreichen», betont IFPI-Chefin Frances Moore. Der riesige Kontinent Afrika zum Beispiel war bisher für die Musik-Industrie weitgehend ein weißer Fleck. Der einzige nennenswerte Markt ist Südafrika mit einem Umsatz von 63 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. Aber die sogenannten digitalen Erlöse mit Internet-Downloads und Abo-Diensten verdoppelten sich auf einen Marktanteil von 14 Prozent. Partnerschaften mit Mobilfunk-Firmen seien der Schlüssel, betont Sony-Manager Guillaume Quelet.
 
 Der Branchenverband feierte das vergangene Jahr als großen Erfolg dank neuer Geschäftsmodelle: Erstes Wachstum seit zwölf Jahren in Europa, ein Ende der Talfahrt im riesigen US-Markt. Doch die neuen Abo-Dienste bringen auch nach dem kräftigen Wachstum gerade einmal sieben Prozent der Gesamterlöse ein. Die Industrie hängt nach wie vor von der CD ab. Und Künstler wie Radiohead oder David Byrne warnen immer wieder, dass die Einnahmen aus den Abo-Modellen und Internet-Radios zu schmal seien, um das Überleben der Musiker zu sichern. So gebe es auch für eine Million Song-Abrufe nur wenige tausend Dollar.
 
 Das sei eine Fehleinschätzung, erklärte der Chef des internationalen Geschäfts bei Universal Music, Max Hole, am Dienstag. Statt auf einmal beim Verkauf einer CD bekämen die Musiker ihren Anteil über einen längeren Zeitraum ausgeschüttet. Und als gutes Beispiel führt der Branchenverband Schweden an, das Heimatland des populären Abo-Dienstes Spotify. Dort werden inzwischen rund 70 Prozent der gesamten Erlöse mit Streaming aus dem Netz eingespielt. Und der Gesamtumsatz sei von knapp 145 Millionen Dollar im Jahr 2008 auf zuletzt 194 Millionen Dollar gestiegen. 
 
Andrej Sokolow
 
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