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Nach 30 Jahren: Anne-Sophie Mutters CD mit Berliner Philharmonikern

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Berlin - Herbert von Karajan und Anne-Sophie Mutter – kaum zwei andere Musiker werden in einem Atemzug so oft genannt wie der Dirigent und die Geigerin. Nach der Entdeckung durch den legendären Chef der Berliner Philharmoniker begann die Weltkarriere von Anne-Sophie Mutter. Doch nach dem Streit zwischen Karajan und seinem Orchester spielte auch Anne-Sophie Mutter lange nicht mehr mit den Philharmonikern. Erst nach 30 Jahren hat die Violinistin nun wieder eine CD mit dem Orchester aufgenommen, die an diesem Freitag (25. Oktober) erscheint.

«Es ist eine irrsinnige Truppe, unglaublich leidenschaftlich», sagt sie im dpa-Interview mit Esteban Engel über die Philharmoniker:

Frage: Sie haben erst nach 30 Jahren wieder eine CD mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen. Warum ist so viel Zeit vergangen?

Antwort: Reiner Zufall. Da steckt keine Absicht dahinter. Nach Karajans Tod gab es allerdings 13 Jahre Pause mit den Berliner Philharmonikern. Das war von mir beabsichtigt. Ich habe auch andere Orchester interessant gefunden, mein Schwerpunkt hat sich stark in die USA hin orientiert, zum Boston Symphony Orchestra, den New York Philharmonic, aber auch nach London. Nun gibt's diese Dvorak-CD und ich bin sehr glücklich über die Zusammenarbeit.

Frage: Wollten Sie nicht auch Karajans langem Schatten entkommen?

Antwort: Nein, gar nicht. Ich hatte aber große Probleme, dass in Karajans letzten Lebensjahren diese perfekt scheinende Ehe mit dem Orchester wie so manche Ehe auseinanderbrach. Das hat mich als junge Frau sehr betroffen gemacht, und ich brauchte Abstand von diesen letzten Jahren, die sehr geprägt waren von menschlichen Querelen.

Frage: Hatte Sie der Streit von den Philharmonikern entfremdet?

Antwort: Es hat mich sehr betroffen gemacht, weil trotz allem Verständnis für die Selbstbestimmungswünsche der Philharmoniker meine Sympathien bei Karajan lagen. Ich musste mir Zeit verschaffen, objektiv wieder frei und glücklich arbeiten zu können.

Frage: Es gibt auch ein musikalisches Vermächtnis, den «Karajan-Sound», der eine ganze Ära geprägt hat ...

Antwort: Das war aber keine uniforme Weltanschauung, die er über alles ausgebreitet hat. Dieser «Karajan-Sound» war wandlungsfähig, unverkennbar in seiner Intensität und dem langen musikalischen Bogen. Er hielt sich nicht mit Details auf oder ließ eine Phrase zerfallen. Das bekommt besonders dem deutsch-österreichischen Repertoire ausgezeichnet.

Frage: Wie war Ihr erster Eindruck von Karajan?

Antwort: Es war der 11. Dezember 1976, der Tag, an dem ich Herbert von Karajan vorspielen durfte. Ich komme in das Dirigentenzimmer in der Philharmonie, das später, wenn ich dort Recitals spielte, mein Solistenzimmer wurde. Auf diesen Morgen hatte ich lange warten müssen und hatte schon ein wenig die Lust verloren und war mit null Hoffnung angereist. Aber dann stand er in der Tür mit seiner unglaublichen Aura und Präsenz. Und gleichzeitig war er absolut zugänglich – auch wenn ich mich als Kind nicht traute, diesen Zugang zu suchen.

Frage: Der Altersunterschied muss einschüchternd gewesen sein.

Antwort: Ich habe Menschen nie nach dem Äußerlichen beurteilt. Für mich sind Jugend und Alter inexistent. Ich spielte ihm die Chaconne von Bach und zwei Sätze eines Mozart-Konzerts, Köchelverzeichnis 371a vor, von dem nicht sicher ist, ob es von Mozart ist. Dann sagte er, dass er sich freue, mit mir bei den Pfingstfestspielen im Jahr darauf in Salzburg zu spielen.

Frage: So lapidar, einfach so?

Antwort: Für mich klang das gar nicht lapidar (lacht). Ich war platt und habe mich von diesem unglaublichen Moment bis heute nicht erholt. Ich wurde in ein Leben größter Schönheit und Leidenschaft hineinkatapultiert. Plötzlich war ich im Olymp der Musik.

Frage: Sie haben dann vor allem Beethoven, Brahms, Mendelssohn gespielt und sich erst später für moderne Musik geöffnet.

Antwort: In jungen Jahren wollte ich mein Verständnis für das deutsch-österreichische Kernrepertoire erarbeiten, bevor ich mich auf neues Terrain wagte. Die Vergleiche etwa für ein Beethoven-Konzert sind endlos. Deswegen muss man, ob man will oder nicht, sich zunächst diesen Vergleichen stellen.

Frage: Sie haben jetzt Antonin Dvoraks Violinkonzert erstmals mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen. Wie war die Begegnung mit dem Orchester?

Antwort: Es ist eine irrsinnige Truppe, unglaublich leidenschaftlich. Dieser Perfektionismus ist enorm beflügelnd. Ich wünschte mir, die Zuhörer könnten einmal in der Mitte des Orchesters stehen und diese Klang-Wucht «spüren». Dieser «Umpf» ist schon gewaltig.

Esteban Engel

 

Anne-Sophie Mutter, Berlin Philharmonic Orchestra, Manfred Honeck - Dvoƙák

Label: Deutsche Grammophon Classics

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