Relativ überraschend hatte am 15. November 2017 der Klassik-Streamingdienst-Anbieter Grammofy seinen Betrieb eingestellt. Das Startup aus Deutschland ging auf Streaming im Mai 2016 mit kuratierten Musikfolgen und sucht auf diese Weise sein Publikum. Tausende Nutzer in 15 Ländern haben aber nicht ausgereicht, um den Dienst auf die Dauer wirtschaftlich zu betreiben. Jetzt hat man sich quasi als Add-On an Spotify angehängt. Nutzer eines Premium-Accounts bei Spotify haben nun wieder Zugang zu Grammofy.
Grammofy-Gründer Lukas Krohn-Grimberghe: „Trotz dieser Erfolge sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass die meisten Hörer nicht für mehrere Services zahlen wollen oder können (immerhin geben Streaming Abonnenten ca. das Doppelte von dem aus, was CD-Käufer im Schnitt jährlich in Musikkonsum investieren) und sie in der Regel bereits über Abonnements bei Spotify, Apple oder Deezer verfügen. All dies hat uns dazu bewogen, das Angebot von Grammofy zu überarbeiten. Herausgekommen ist GRAMMOFY als Zusatz zu den exis-tierenden Services. Damit treten wir nicht in Konkurrenz zu, sondern arbeiten mit diesen Anbietern. Zugleich müssen Kunden nicht für den selben Inhalt mehrfach bezahlen. Wir fokussieren uns damit auf unsere Kernkompetenzen: Interface-Design, Metadaten und natürlich Kuration.“
Spotify soll dabei nicht der letzte Streaming-Service sein. In der Planung sind ebenfalls Kooperationen mit den Streaming-Anbietern Apple-Music und Deezer. Optisch ist Grammofy nach wie vor der reine Genuss. Interface und Kuration (zu vielen Titeln gibt es genügend Hintergrundinformationen, die man sich sogar vorsprechen lassen kann) sind außerordentlich. Man sieht die Liebe zum Detail der Website-Progammierer und -Gestalter. Allein deshalb lohnt sich der Besuch. Bei der Suchmaschine hapert es freilich leider noch.
Für einen Anbieter wie Spotify kann sich das Angebot jedoch auch „bezahlt machen“. Mit Grammofy holt man sich Expertise im Bereich klassischer Musik heran, entsprechend Metadaten, mit denen in diesem Bereich gearbeitet wird, anders als in Pop-, Rock- und Jazzmusik. Das Problem ist ja bekannt – es beginnt bei den verschiedenen Schreibweisen von Komponistennamen und endet damit, dass, anders als im U-Sektor, Komponisten einfach eine höhere Bedeutung haben als üblicherweise im U-Musik-Bereich.
Ganz ohne Opfer ging die Reaktivierung nicht vonstatten: Das „zeitbezogene Abrechnungsmodell, welches die Hördauer zur Grundlage nimmt, statt nur die Anzahl von Tracks beziehungsweise Klicks“ musste geopfert werden, man ist in dieser Hinsicht abhängig von den Streaming-Service-Anbietern. „Wir hoffen aber – sollten wir entsprechendes Volumen auf unserer Plattform bekommen – dieses nutzen zu können, um uns auch weiterhin für ein gerechteres Modell einsetzen zu können. So ermöglichen es auch unsere besseren Metadaten, schon heute genau sagen zu können, wer in welcher Form an einer Aufnahme beteiligt ist, vom Komponisten über die Künstler zum Tontechniker“, betont Lukas Krohn-Grimberghe auf Nachfrage. „Unser Ziel war und ist es, ein einzigartiges Hörererlebnis zu schaffen und den reichen Schatz an klassischer Musik so vielen Menschen wie möglich zu öffnen“, so Krohn-Grimberghe. Das Metronom tickt also wieder.