Es vergeht kein Tag in unserem Leben ohne Verhandlungsroutinen: Es gilt die Honorarfrage für den nächsten Auftritt zu klären, mit dem Lebensgefährten die Farbe der neuen Couchgarnitur festzulegen oder eine Einigung mit dem Nachbarn über die maximale Lautstärke der HiFi-Anlage zu erzielen. Eigentlich müssten wir alle Verhandlungsprofis sein! Trotzdem bekunden die meisten Musiker, dass ihnen Verhandlungen mit Veranstaltern und Labelmanagern, Kollegen oder Medienvertretern unangenehm sind, insbesondere wenn es um Geld geht. Woran liegt das? Wir verbinden Verhandlungen irrtümlicher Weise immer mit einem Kampf um Sieg oder Niederlage. Es geht uns dabei um mehr als nur Sachziele, es geht uns um Gefühle, um Selbstwertgefühl! Bereits wenn wir als Kleinkinder Verhandeln lernen, vermischt sich der eigene Siegeswille mit dem noch dringlicheren Wunsch nach Elternliebe. Viele Menschen finden aus diesem unsichtbaren Gefühlslabyrinth auch als Erwachsene nicht wirklich heraus.
In meinen Seminaren „Selbstmanagement für Musiker“ trainieren die Teilnehmer deshalb ein Verhandlungskonzept, das nicht den Sieg, sondern die gemeinsamen Interessen der Verhandlungspartner in den Mittelpunkt stellt. Auf diese Weise relativiert sich die Angst vor der kritischen Auseinandersetzung. Weil in der Erziehung, der Politik und den Medien bislang die Vertreter der „harten“ oder der „weichen Welle“ dominieren, ist der „dritte Weg“ mit einem Umdenkungsprozess verbunden. Die (heimliche?) Idealisierung des „harten Hundes“ sitzt bei einem Teil der Menschheit genauso fest, wie die Kooperationsbereitschaft zu allen Bedingungen beim anderen.
Wir können uns das Verständnis erleichtern, wenn wir akzeptieren, dass wir es bei Verhandlungen zwar mit Businessexperten, aber vor allem mit Menschen zu tun haben. Produzenten, Manager, Clubchefs, Journalisten, Händler und Kollegen geht es oft ums Geld, genauso aber auch um (innere) Werte, Ansehen und vor allem um Selbstwertgefühl. Die Businessexperten sind uns im Grunde ganz ähnlich. Genau wie wir selbst hassen sie es in einer Verhandlung dumm dazustehen. Betrachten Sie Ihren Verhandlungspartner deshalb unabhängig von dessen Vorgeschichte und Position immer als Mensch, dessen Interesse im Verhandlungsergebnis mit abgebildet werden muss.
Übung Nr. 1 – Verhandlungsziel auswählen
Welche Verhandlung schieben Sie seit langem vor sich hin? Wer ist der richtige Ansprechpartner für Ihre Verhandlung?
Menschen lieben menschliche Umgangsformen. Warum also kühl und abgezockt spielen? Gehen Sie statt dessen freundlich auf Ihren Verhandlungspartner zu und holen Sie Informationen über ihn ein. Auf diese Weise können Sie im Gespräch auf vielfältige Art Vertrauen aufbauen. Wie arbeitet Ihr Verhandlungspartner normaler Weise, wie ist sein Temperament, welche übergeordneten Ziele verfolgt er? Wie können Sie Ihr Geschäftsverhältnis verbessern?
Übung Nr. 2 – Informationen beschaffen
Informieren Sie sich im Detail über Ihre Verhandlungspartner und archivieren Sie Ihr Wissen in Form einer immer weiter ergänzbaren Aufzeichnung. Im Kapitel „Telefonmarketing“ habe ich bereits ausführlich dargestellt, wie Sie die eigene Position vor einer Verhandlung schriftlich erarbeiten. Was aber ist mit der Position Ihres Gegenübers? Viel zu oft werden wir in Verhandlungen von unvermuteten Enthüllungen der Gegenseite überrascht. Wenn wir gut über die Ziele der Verhandlungspartner informiert sind, können wir das Verhandlungsergebnis wirkungsvoll mit steuern.
Übung Nr. 3 – Verhandlungsoptionen der Gegenseite erfassen
Versetzen Sie sich in die Position Ihrer Verhandlungspartner. Welche Ziele verfolgt die Gegenseite? Was wäre für Sie als Verhandlungsergebnis akzeptabel? Welchen Nutzen bieten Ihnen die unterschiedlichen möglichen Verhandlungsergebnisse?
In der Verhandlung können Sie Ihr gesamtes Hintergrundwissen wirkungsvoll ausspielen. Gehen Sie dabei Schritt für Schritt vor. Eröffnen Sie das Gespräch mit Fragen, die Ihr Verhandlungspartner sicher bejahen wird. Ein gesprochenes oder gedachtes „Ja!“ fördert sein Vertrauen und damit die Bereitschaft einseitige Interessen zu überdenken. Weil sich diese Prozesse unterbewusst abspielen, sind sie besonders wirkungsvoll.
Übung Nr. 4. – Formulieren Sie Einleitungsfragen
Formulieren Sie aus Ihrem Hintergrundwissen mehrere Fragen, die Ihr Gegenüber mit Sicherheit bejahen wird.
Bauen Sie stets auf einen guten Gesprächsanfang auf. Gehen Sie erst jetzt zu den eigentlichen Inhalten Ihres Gesprächs über. Was überzeugt Ihren Gesprächspartner am meisten? Hinter jeder konkreten Leistung steht immer ein Nutzen, der für den Käufer viel entscheidender ist, als die Details Ihrer Leistung. Nehmen wir das Beispiel Parfum: Sie kaufen das Versprechen von betörender Präsenz, nicht einer chemische Lösung mit den Komponenten E399, E278 und Hydrometapolidingsbums. Rücken Sie deshalb den Nutzen Ihres Verhandlungsangebots ganz weit in den Vordergrund!
Übung Nr. 5 – Denken Sie über den Nutzen Ihres Angebots nach
Mit welchem Nutzen (mehrere?) Ihres Angebots werden Sie bei der Verhandlung hauptsächlich argumentieren? Der Nutzen Ihres Angebots ist auf das Hintergrundwissen abgestimmt, das Sie über Ihren Kunden besitzen. Nehmen wir das Beispiel eines Musiklehrers, der am Tag der offenen Tür mit diversen Eltern redet. Für manche Eltern sind bildungsbürgerliche Ideale sehr wichtig, für andere die Gewissheit, dass Ihr Kind nicht auf der Straße rumgammelt. Wieder andere Eltern kompensieren mit aufwendigen Förderprogrammen das eigene schlechte Gewissen, weil sie für Ihre Kinder keine Zeit haben. All diese Eltern erwarten von ein und dem selben Angebot einen unterschiedlichen Nutzen. All diese Eltern unterschreiben den Vertrag des Musiklehrers, wenn Ihre individuelle Nutzenvorstellung befriedigt wird.
Lassen Sie sich nicht von den Einwänden Ihrer Gesprächspartner aus der Spur bringen. Betrachten Sie Einwände als optimale Informationen über die Bedürfnisse Ihres Verhandlungspartners. Unterscheiden Sie sehr fein zwischen Einwänden und Vorwänden. Sobald eine Person Ihnen gegenüber einen Einwand äußert, stellen Sie eine Kontrollfrage.
Nehmen wir an, Ihr Kunde sagt beim Tag der offenen Tür: „Meine Nachbarn haben erzählt, dass Ihre Musikschullehrer sehr unterschiedlich qualifiziert sind.“ Anstatt sich zu verteidigen, fragen Sie zurück: „Habe ich Sie richtig verstanden: Würden Sie Ihre Kinder an unserer Schule anmelden, wenn Sie sicher sind, dass Ihre Kinder ausschließlich und immer von hervorragenden Dozenten betreut werden?“ Ihr Gesprächspartner wird diese Frage bejahen, wenn es sich um einen Einwand handelte. Sie versichern ihm nun, dass Sie diese Leistung garantieren. Falls es sich um einen Vorwand handelte und Ihr Gesprächspartner Ihre Frage verneint, brauchen Sie diesem Thema keine weitere Beachtung zu schenken. Fragen Sie statt dessen auf direkte Art und Weise, was ihn noch hindert, seine Kinder bei Ihnen anzumelden.
Übung Nr. 6 – Termin vereinbaren
Vereinbaren Sie einen Termin für Ihre Verhandlung. Klären Sie vorab wie lange und mit wem Sie voraussichtlich sprechen werden.
Richtiges Verhandeln ist Übungssache. Sie erhalten die notwendige Übung, wenn Sie Ihren Verhandlungsstil an Sachzielen orientieren, die für beide Seiten transparent und fair erscheinen. Wer auf die „harte“ und die „weiche Welle“ verzichtet, zieht positive Bestätigung und Befriedigung aus Verhandlungen, mag es auch um noch so viel Berufserfolg oder Geld gehen.