Frankfurt am Main - Zum vierten Mal ist die Oper Frankfurt zum «Opernhaus des Jahres» gekürt worden. Ein Ritterschlag, der gerade recht kommt - denn in der Stadt wird derzeit heftig über die Zukunft der maroden Städtischen Bühnen gestritten. Berlin ist hingegen trotz seiner gleich drei Opernhäuser bei Musikkritikern wenig geschätzt. Stuttgarts Staatsopernchor wurde zum elften Mal Favorit der Kritiker.
Die Oper Frankfurt ist erneut zum «Opernhaus des Jahres» gewählt worden. Damit erhält das Haus am Willy-Brandt-Platz nach 1996, 2003 und 2015 bereits zum vierten Mal den begehrten Titel des Fachmagazins «Opernwelt». Die befragten Musikkritiker lobten vor allem «ein klug ausbalanciertes Programm, starke Regiehandschriften, eine exzellente Repertoirepflege und hohe Ensemblekultur», wie der Verlag am Freitag in Berlin mitteilte.
«Offensichtlich haben wir hier in Frankfurt eine glückliche Hand bei der Auswahl der Dirigenten und Sänger. Renommierte Regisseure und Ausstatter kommen gerne hier her, sie fühlen sich verstanden», sagte Intendant Bernd Loebe. Erst im August hatte die Oper Frankfurt in der Autorenumfrage des von Bühnenverein herausgegebenen Magazins «Die Deutsche Bühne» den Spitzenplatz in der Kategorie «Überzeugende Gesamtleistung eines Hauses» eingenommen - zum neunten Mal bereits.
Ausgezeichnet wurden auch zwei Künstler für ihre herausragenden Arbeiten in Frankfurt: Zum «Sänger des Jahres» wählte die «Opernwelt» den Bariton Johannes Martin Kränzle. Der Sänger überzeugte die Kritiker vor allem in der Rolle des Siskov in der Oper «Aus einem Totenhaus». Kränzle war lange Ensemblemitglied der Oper Frankfurt und erhielt den Titel im Jahr 2011 schon einmal. Für seinen Entwurf in Brigitte Fassbaenders «Capriccio»-Inszenierung wurde Johannes Leiacker zum «Bühnenbildner des Jahres» gekürt.
Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) kündigte an, sich «mit aller Kraft» für die Oper einzusetzen. «Dieses Niveau gilt es für die Zukunft zu sichern: sowohl inhaltlich, als auch bezogen auf die bauliche Ausgestaltung dieses Hauses», sagte sie. In der Stadt tobt derzeit ein Streit über die Zukunft der Städtischen Bühnen. Denn das Gebäude aus dem Jahr 1963 ist marode. Eine Sanierung würde ebenso wie ein Abriss und Neubau rund 890 Millionen Euro verschlingen. Vom 1. Oktober an soll eine Stabsstelle das weitere Vorgehen untersuchen.
Schlechte Noten für Berliner Opern - Auswärtssieg für Kosky
Berlin ist trotz seiner gleich drei Opernhäuser bei Musikkritikern wenig geschätzt. In der diesjährigen Meinungsumfrage des Fachmagazins «Opernwelt» holte nur das Mysterienspiel «Das Wunder der Heliane» an der Deutschen Oper einen Titel als «Wiederentdeckung des Jahres». Als bestes Opernhaus der Saison gewann dagegen Frankfurt. Auch die übrigen Titel gingen an andere Städte. Nur beim «Ärgernis des Jahres» wurde die Berliner Staatsoper gleich mehrfach genannt.
Barrie Kosky, Chef der Komischen Oper, konnte allerdings auswärts punkten. Kritiker werteten seine «Meistersinger» bei den Festspielen in Bayreuth als «Aufführung des Jahres». Das Regie-Debüt des 51-jährigen Australiers auf dem Grünen Hügel war im vergangenen Jahr auch vom Publikum begeistert gefeiert worden.
Der Bariton Johannes Martin Kränzle wurde - unter anderem für seine Beckmesser-Rolle in dieser Produktion - als «Sänger des Jahres» geehrt. Klaus Bruns bekam für die fantasievoll-historische Garderobe dort den Zuschlag als bester Kostümbildner.
Die Umfrage der Fachblatts bei 50 führenden Musikkritikern ist allerdings nicht repräsentativ. Weil theoretisch jeder eine andere Inszenierung nennen kann, ist die Streuung sehr breit. Oft entfallen nur wenige Stimmen auf den Sieger.
Beim «Wunder der Heliane» an der Deutschen Oper lobt das Fachmagazin die «klanglich in rauschhafte Dimensionen geweitete» Inszenierung. «Marc Albrecht und Christof Loy nahmen das 1927 uraufgeführte Weltumarmungsstück als Parabel ernst, mit der fulminanten Sara Jakubiak in der Titelrolle», heißt es in der Bewertung.
Als ärgerlichste Opernerfahrung nannten gleich drei Kritiker die Staatsoper. Einer sprach von einer «absurd überhasteten, mit 40 Extra-Millionen zu Buche schlagenden Restaurierung...in schönst-schaurigem DDR-Barock».
Ein anderer notierte: «Vermurkster Umbau, als Verehrung getarnte Angst vor dem GMD (Generalmusikdirektor Daniel Barenboim), künstlerischer Stillstand: an der Berliner Staatsoper sind zu viele Baustellen offen.»
Bei der Deutschen Oper stießen Rolando Villazóns «Fledermaus» und Jan Bosses «Viaggio a Reims» je einmal auf Missfallen.
Stuttgarts Staatsopernchor zum elften Mal Favorit der Kritiker
Stuttgart - Bereits zum elften Mal ist der Staatsopernchor Stuttgart bei der traditionellen Kritikerumfrage der Fachzeitschrift «Opernwelt» zum «Opernchor des Jahres» gewählt worden. Das gab die Staatsoper am Freitag bekannt. «Ich freue mich sehr für den Staatsopernchor über diese verdiente Auszeichnung», sagte Intendant Viktor Schoner. «Der Spielplan der neuen Saison sähe anders aus, hätte die Staatsoper Stuttgart nicht diesen fantastischen Chor: Ob «Lohengrin», «Die Liebe zu drei Orangen» oder «Mefistofele» - in allen drei Neuproduktionen werden höchste Ansprüche an den Chor gestellt, gesanglich wie darstellerisch.»
Auch der bisherige Intendant Jossi Wieler lobte das Ensemble: «Der Staatsopernchor Stuttgart ist ein einzigartiges Kollektiv aus Individuen, die in jeder Aufführung aufs Neue eigene künstlerische Verantwortung übernehmen.»