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Orchesterstatistik: Konzertmarkt positiv - Lohnentwicklung negativ - 2013 drohen Arbeitskämpfe

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Berlin - Die deutschen Orchester sehen sich von den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst ausgeschlossen und drohen mit Streiks. Durch starke Anhebungen bei den Vergütungen des öffentlichen Dienstes in den vergangenen Jahren lägen die Orchester in den Kommunen ab 1. August schon 8,8 Prozent zurück, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), Gerald Mertens, am Dienstag in Berlin.

 

Die "Schmerzgrenze" sei erreicht, flächendeckende Arbeitskämpfe seien "alternativlos". Die Gewerkschaft freute sich jedoch über steigende Konzertangebote: "Allen Unkenrufen zum Trotz stirbt das klassische Konzert nicht aus", betonte Mertens.

Aufgrund des ungelösten Tarifkonfliktes und eines schwelenden Rechtsstreits der DOV gegen den Deutschen Bühnenverein vor dem Bundesarbeitsgericht gibt es für rund 100 Orchester bereits seit dem 1. Januar 2010 keinen gültigen Vergütungstarifvertrag mehr. "Die einzige Alternative zum Prozessweg heißt leider Arbeitskampf und zwar flächendeckend", sagte Mertens. "Ein B-Orchester verdient heute nur noch wie ein C-Orchester."

Die Steigerungszahlen am Konzertmarkt zeigten, dass die Orchester "gut und hart" arbeiteten. Ein deutliches Plus gab es vor allem bei den Konzerten im Ausland. In der Spielzeit 2011/2012 wurden auf Auslandsreisen 646 Konzerte gespielt, dies war eine Steigerung um 20 Prozent binnen zwei Jahren. Vor allem Japan und China seien als Tourneemärkte präsenter geworden, sagte Mertens. Ein schwieriger Markt bleibe weiter Südeuropa, insbesondere Spanien. 2009 hatte die Wirtschafts- und Finanzkrise zu Zurückhaltung bei Sponsoren und damit zu einem Einbruch bei den Auslandskonzerten geführt.

Eine Steigerung gab es auch bei den Kinder-, Jugend- und Schülerkonzerten, deren Zahl sich von 1.498 in der Spielzeit 2005/2006 kontinuierlich und deutlich auf 2.066 in 2011/2012 erhöhte. Die Orchester nähmen ihren Bildungsauftrag für das junge Publikum immer stärker wahr, sagte Mertens. Das Gesamtangebot der deutschen Kulturorchester und Rundfunkklangkörper sei mit rund 12.500 Veranstaltungen "stabil" geblieben. Die Zahl der Sinfoniekonzerte stieg von 5.902 auf 6.158. "Es gibt keine Krise der Klassik in Deutschland."

 

Die Pressemeldung des deutschen Bühnenvereins:

Streikandrohung der Musikergewerkschaft zeugt von massivem Realitätsverlust - Gerichtsprozess über Lohnerhöhungen mittlerweile vor BAG

 

KÖLN, 31.01.2013

Für den Deutschen Bühnenverein ist die Streikandrohung der Musikergewerkschaft DOV ein Zeichen für massiven Realitätsverlust und Hilflosigkeit der Arbeitnehmerseite. „Die Musikergewerkschaft hat sich in dem Tarifkonflikt mit dem Bühnenverein völlig verrannt“, kommentierte der Direktor des Bühnenvereins die jetzt bekannt gewordene Absicht der DOV, die Orchester und Opernhäuser zu bestreiken. Wer streiken will, müsse erst einmal einen Tarifvertrag kündigen. Dies sei nicht geschehen. Die Musikergewerkschaft befinde sich also in der gesetzlich vorgeschriebenen Friedenspflicht.

 

Im Jahr 2010 hatten sich die Tarifparteien nicht unter den von Arbeitnehmerseite geforderten Bedingungen auf eine Lohnerhöhung verständigen können. Die DOV verließ damals ohne Not den Verhandlungstisch und verklagte den Bühnenverein als Arbeitgeberverband der Theater und Orchester auf die Lohnerhöhungen vor dem Arbeitsgericht. Den Arbeitsgerichtsprozess hat die DOV nun in zwei Instanzen mit Blick auf die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie verloren. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres wird das Bundesarbeitsgericht seine abschließende Entscheidung treffen. Trotz des Gerichtsprozesses hat der Bühnenverein die DOV mehrfach aufgefordert, die Tarifverhandlungen fortzusetzen, damit die Musikerinnen und Musiker die ihnen zustehenden Lohnerhöhungen möglichst schnell erhalten. Die Musikergewerkschaft hat die Wiederaufnahme der Verhandlungen stets abgelehnt. „Die DOV verspielt durch diesen überflüssigen Prozess das Geld der Musiker“, sagte Bolwin heute in Köln. Es sei erstaunlich, dass sich die Musiker das von ihrer Gewerkschaft gefallen lassen.

Der Bühnenverein fordert die DOV auf, von ihrer Streikabsicht Abstand zu nehmen. Er ist bereit, die Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes an die Orchestermusiker weiterzugeben. Man muss dazu nur einen Tarifvertrag unterschreiben. Dazu ist die DOV nicht bereit. Dies wirft aus Sicht des Bühnenvereins die Frage auf, wofür man eine Gewerkschaft brauche, die ihr ureigenstes Geschäft, Tarifverhandlungen zu führen, in die Gerichte verlagern will.
 

 

Die Pressemeldung der DOV:

Orchesterstatistik: Konzertmarkt positiv - Lohnentwicklung negativ - 2013 drohen Arbeitskämpfe

Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) stellte auf ihrer gestrigen Jahres-Pressekonferenz in Berlin die aktuelle Konzertstatistik vor, die alle zwei Jahre bundesweit bei den deutschen  Kulturorchestern und Rundfunkklangkörpern erhoben wird. Das Gesamtangebot ist mit über 12.500 Veranstaltungen stabil. Die Zahl der Sinfoniekonzerte ist von zuletzt 5.902 auf eine Spitzenzahl von insgesamt 6.158 Konzerten weiter gestiegen.

Dies bedeutet eine Angebotserweiterung von über 4 %. Überraschend deutlich angezogen hat das Auslandsgeschäft: 646 Konzerte wurden auf Auslandsreisen gespielt. Dies ist eine Steigerung innerhalb von zwei Jahren um 20 %. Positiv ist die kontinuierliche Steigerung von Kinder-, Jugend-, und Schülerkonzerten, deren Zahl sich in sieben Jahren von 1498 (Spielzeit 2005/2006) auf 2066 (Spielzeit 2011/2012) massiv erhöht hat. Die Orchester nehmen damit ihren Bildungsauftrag für das junge Publikum immer stärker wahr.

„Allen Unkenrufen zum Trotz stirbt das klassische Konzert nicht aus, sondern wird auf der Angebotsseite immer weiter und vor allem für verschiedene junge Zielgruppen ausgebaut“, freut sich DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens. „Allerdings darf diese positive Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sicherheit der Finanzierung bei einigen Orchestern stark gefährdet ist. Diese bieten oftmals Höchstleistung am Rande des Abgrundes. Leider fehlt es in Deutschland auch immer noch an einer übergreifenden Besucherforschung. So werden die Besucher zahlreicher Klassik-Open-Air-Veranstaltungen, der großen und kleinen Musikfestivals, von Kirchenkonzerten und populären Klassik-Cross-Over-Konzerten kommerzieller Anbieter nicht erfasst“, bedauert Mertens.

Sorge bereitet dem Verband die Tarifentwicklung für die Kommunal- und Staatsorchester: Aufgrund des ungelösten Tarifkonflikts und eines schwelenden Rechtsstreits der DOV gegen den Deutschen Bühnenverein vor dem Bundesarbeitsgericht gibt es für rund 100 Orchester bereits seit 1. Januar 2010 keinen gültigen Vergütungstarifvertrag mehr. Durch starke Anhebungen der Vergütungen des öffentlichen Dienstes in den vergangenen Jahren würden die Orchester in den Kommunen ab 1. August 2013 dann 8,88 Prozent hinter dem öffentlichen Dienst zurückliegen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Mitglieder der betroffenen Orchester diese faktische Abkopplung von der allgemeinen Lohnentwicklung noch lange gefallen lassen werden“, so Mertens. „Die einzige Alternative zum Prozessweg heißt leider Arbeitskampf und zwar flächendeckend. Wer gut und hart arbeitet – die deutlichen Steigerungszahlen am Konzertmarkt zeigen es –, der soll auch vernünftig verdienen. Daher muss noch in 2013 mit bundesweiten Arbeitskämpfen gerechnet werden“, meint Mertens abschließend.