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Bernd Schweinar. Foto: Michael Scheiner
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Popkultur warnt vor Kürzungsdiskussionen

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Fachtagung Dialog.Pop auf Schloss Alteglofsheim
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In der Musikakademie Alteglofsheim trafen sich Vertreter der Popkultur-Szene. Sie loteten Neuanfänge für Clubs und Veranstalter aus und warnten vor Kürzungsdiskussionen.

 

Wunschbierdeckel“ standen auch bei der fünften Fachtagung Dialog.Pop in der bayerischen Musikakademie Schloss Alteglofsheim auf dem Programm. Am Abend konnten Teilnehmende ihre Ideen und Vorstellungen für die Zukunft der Popmusikkultur auf Bierdeckeln notieren und am nächsten Morgen im Plenum vorstellen. So ist bei der letzten Tagung vor dem Pandemieeinschnitt eine bundesweite Clubstudie angeregt und in Auftrag gegeben worden.

Heiko Rühl von der Universität Köln stellte diesmal die Ergebnisse der jüngst fertig gestellten Studie mit Fokus auf Bayern vor. Bei ihren politischen Anliegen stützen sich Vertreter*innen der Popkultur und ihre Verbände auf diese Zahlen um ihren Forderungen Gewicht zu verleihen. So hätten vor Corona jährlich 24.000 Veranstaltungen, knapp 70 pro Tag, mit insgesamt sieben Millionen Besuchern alleine in Bayern stattgefunden. Der Umsatz belaufe sich auf 185 Millionen Euro. „Wenn kleinere öffentliche Zuschüsse“ wegfielen, zeigte Rühl auf, „würden 75 bis 80 Prozent der Clubs sofort in die Verlustzone rutschen“. Das sei ein deutlicher Hinweis auf die geringen finanziellen Spielräume vieler Musikspielstätten, für die „ehrenamtliches Engagement enorm wichtig“ sei, um überhaupt betrieben werden zu können.

Der Verband für Popkultur in Bayern e.V. (VPBy) veranstaltete die allseits begrüßte Fachkonferenz, die vom Bayerischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen der institutiotnellen Fördrung des VPBy unterstützt wird, in Zusammenarbeit mit der Initiative Musik. Das Ausrufezeichen hinterm Thema „Corona als Chance?!“ deutete schon an, dass man sich mit der Situation nicht einfach abfinden, sondern kreative Vorschläge für die Zukunft der Musikclubs und Bühnen entwickeln will. Neben verschiedenen Studien und Infrastrukturprogrammen bot die Hybridveranstaltung Themen zur „Mentalen Gesundheit in der Musikbranche“ an. Der Rocksoziologe Dr. Rainer Sontheimer erläuterte seine These von „Festivals als Oasen der Psyche“. Diese seien „Sehnsuchtsorte für ein Leben, das es im Alltag nicht gibt“ und böten Fans die Möglichkeit für einige Tage Gemeinschaft zu leben. Ein weiterer Themenblock beschäftigte sich mit der Rolle der Verbände in der Kommunikation auf allen relevanten Krisenebenen – und deren nachhaltiger Fortschreibung auch nach Corona.

Das Panel mit dem Untertitel „Bis zum Horizont und weiter… sich verstehen, vernetzen und?“ fokussierte den Blick auf konstruktive Nachhaltigkeit – auch wenn im vergangenen Jahr bei der Problemlösung manches nicht geklappt hatte. Insbesondere die finanzielle Fragilität der Kulturbranche müsse aus den anstehenden Kürzungsdiskussionen bei Bund, Ländern und Kommunen herausgehalten werden. Kultur brauche im Gegenteil gerade jetzt mehr Budgetausstattung, waren sich Bernd Schweinar vom VPBy und Vertreter anderer Verbände einig. „Kulturmittel“, unterstrich Schweinar die Bedeutung öffentlicher Förderung, „insbesondere in die freien Szenen sind keine Almosen!“ Vielmehr seien sie „eine Investition in eine friedvolle, ausgeglichene Gesellschaft, ins Zusammenleben Aller und die Gesundheit der Menschen. Kulturmittel sind eine nachhaltige Investition in den Staat.“

Ähnlich auch das Resümee „dranzubleiben am bisher Erreichten“, beim zweiten Panel mit Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien unter dem Titel „Wir haben die Wahl! Bundespolitik und Popkulturförderung – wer will wo lang?“ Die Stimmung unter den rund 80 Teilnehmenden reichte von der Sorge um und teilweise Ratlosigkeit über die Zukunft der Clubszene bis zur streitbaren Entschlossenheit um breitere Anerkennung und jeden Euro zu kämpfen. Bedauerlicherweise war kein einziger Vertreter der ebenfalls hart getroffenen Jazzszene vertreten, die vor vergleichbaren Problemen steht.

 

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