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Quartett spielt man nicht nebenbei

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Eine Begegnung mit dem Petersen-Quartett aus Berlin
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Wenn im Jahr 2004 die Philharmonie in Essen ihre Pforten öffnet, wird das neue Haus seine Gäste mit einem vielfältigen Programm empfangen. Von Anfang an war dem Intendanten Michael Kaufmann an einer langfristigen Zusammenarbeit mit den Künstlern gelegen, die ihm nicht nur Planungssicherheit, sondern auch die Chance bieten würde, Programme zu entwickeln, die unter musikdramaturgischem Aspekt Entwicklungen zeigen, einander ergänzen, sich aneinander aufrichten. Ein ausgesprochen vorteilhaftes Modell für solche Gemeinsamkeiten wird am besten mit dem Begriff „Artist in Residence“ beschrieben.

Gleich vier Künstler und Ensembles will die Philharmonie Essen in den nächsten Jahren Residenz und Heimstatt sein: dem Musiker, Komponisten und Dirigenten HK Gruber, Uri Cane, dem Jazzpianisten, der mit seinen Wagner- und Bach-Adaptionen von sich reden machte, dem jungen Geiger Frank-Peter Zimmermann und dem Petersen-Quartett aus Berlin. Thomas Otto traf Conrad Muck und Daniel Bell, die beiden Geiger des Quartetts in Berlin.

Sie sitzen schon wieder auf gepackten Koffern, kaum dass sie aus dem Urlaub gekommen sind. Wir verabreden uns am Prenzlauer Berg, kurz bevor sie aufbrechen nach Edinburgh, wo das Quartett im Rahmen eines Beethoven-Zyklus‘ vier Streichquartette spielen wird.

Das Petersen-Quartett, bereits vor 25 Jahren an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ gegründet, gehört heute zu den renommiertesten seiner Art. Zahlreiche Plattenaufnahmen, viele davon preisgekrönt sowie Konzertverpflichtungen in alle Welt belegen den hohen Stellenwert dieses Ensembles.

So nimmt es nicht wunder, dass das Petersen-Quartett in den Plänen des Intendanten der Neuen Essener Philharmonie eine besondere Rolle spielen sollte. Kennen gelernt hatten sie sich im Jahre 2001 während einer Amerika-Tournee des Quartetts, nach einem Konzert auf einem repräsentativen Empfang im New Yorker Lincoln-Center. Johannes Kernmayer, der Produzent des Petersen-Quartetts bei dem Plattenlabel „Capriccio“, hatte Michael Kaufmann angesprochen. Aus dieser Begegnung erwuchs ein Kontakt, dem schließlich eine enge Zusammenarbeit folgen sollte. Kaufmann war von der künstlerischen Qualität des Ensembles so überzeugt, dass er, was ungewöhnlich ist, gleich einen Dreijahresvertrag als „Artists in Residence“ anbot. Nüchtern betrachtet bedeutet eine solche Vereinbarung für das Petersen-Quartett eine vertraglich gesicherte Anzahl von Auftritten pro Jahr, für das Haus einige feste Rubriken in der Veranstaltungsplanung und, bei der Popularität der Künstler, eine entsprechende Reputation, die sich irgendwann in höheren Besucherzahlen und damit einer besseren Auslastung niederschlagen wird.

Aber natürlich erschöpft sich die Motivation für diese Partnerschaft nicht allein in solchen Überlegungen. „Für uns ist sie deshalb so interessant, weil wir uns in der neugebauten Philharmonie optimal präsentieren können, sowohl mit neuen Werken, als auch mit Gästen, die man einlädt“, sagt Conrad Muck. „Man hat dort mehr Möglichkeiten, als das sonst im normalen Konzertbetrieb üblich ist. Das ist schon ein großer Bonus, den wir über drei Jahre hinweg haben. Das ist einfach weitergedacht und innovativ, sowohl für das Ensemble, als auch für das Haus: Man kann eine entsprechende Qualität bieten mit internationalen Gästen, mit Werken, die für das Quartett konzipiert worden sind, einschließlich einer Uraufführung des Werkes eines renommierten Komponisten.“

Dreimal jährlich wird das Quartett nun in Essen konzertieren, jedes Mal zu einem bestimmten thematischen oder inhaltlichen Schwerpunkt. So steht zum Beispiel in der ersten Saison auf dem Programm eines jeden Konzerts immer auch ein Stück, das für das Quartett geschrieben wurde: Siegfried Matthus’ „Das Mädchen und der Tod“ ist dabei, außerdem ein Stück das der britische Komponist Huw Watkins für die Teilnahme des Quartetts beim Cheltenham-Festival vor zwei Jahren schrieb und schließlich die Uraufführung einer Auftragskomposition von Aribert Reimann für das Quartett. Dieser Auftrag entstand übrigens als direktes Ergebnis der vereinbarten Zusammenarbeit von Philharmonie und Ensemble. Kombiniert werden die zeitgenössischen Stücke mit Werken deutscher Romantik. „Wir haben diese Literatur gewählt, weil wir uns damit am ehesten identifizieren“, sagt Conrad Muck und ergänzt: „Dazu kommt auch, dass wir uns das Essener Publikum erschließen wollen. Essen war künstlerisch immer sehr repräsentativ.“

In der Saison 2005/2006 wird, im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag des Komponisten, Dmitri Schostakowitsch den Schwerpunkt bilden, kombiniert mit Beethovens drei „Razumowsky-Quartetten“ und Kompositionen von Haydn, Mozart und Schubert.

Die dritte Saison schließlich wird Werke der wichtigsten französischen Komponisten enthalten, konterkariert durch Arbeiten russischer Komponisten, die durch deren Aufenthalt außerhalb Russlands inspiriert worden sind, etwa das Streichsextett in d-Moll opus 70 „Souvenir de Florénce“, das Peter Tschaikowski 1890 nach seinem Italienaufenthalt in einem Zuge komponierte. Natürlich werden Prokofjew und Strawinsky vertreten sein, die auch in Paris gelebt haben.

Die „Petersens“ waren übrigens schon mal „Ensemble in Residence“. Damals bestand diese Kooperation mit dem Radio Berlin. Sie stammte noch aus DDR-Zeiten und wurde 1993 „abgewickelt“. „Aber die Idee war gut“, meint Conrad Muck. „Die Plattenfirmen arbeiten ja in Kooperation mit den Medien. Wir haben zum Beispiel mit dem Deutschlandradio schon einige Koproduktionen gemacht. Jetzt gibt es ein neues Projekt, das man an uns herangetragen hat. Bis 2007 werden wir das Gesamtwerk von Arthur Schnabel aufnehmen: Fünf Streichquartette und ein Klavierquintett.“. Das wurde erst kürzlich in einem Archiv entdeckt und wird nun verlegt.

Neben seinen Gastspielen und Konzerten und der Komplettierung der Beethovenstreichquartette hat das Quartett noch weitere Aufnahmepläne. Im Herbst wird Schostakowitsch eingespielt: die Quartette Nr. 1 und Nr. 4 sowie das Klavierquintett mit Eva Kupiec am Klavier. Dann stehen Werke des jungen Schweizer Komponisten Fabian Müller auf dem Plan und schließlich noch eine Platte mit Musik von Ernst Krenek, ein Stück für Streichquartett und Bläser. Und dann sind da noch Konzertprojekte. Zum Beispiel die Aufführung von zwei Mozart-Klavierkonzerten in Streichquartett-Fassung mit dem Pianisten Steven Osborne. Im Frühjahr 2004 gibt es Konzerte in Hongkong und Amerika, in Toronto und Paris, unter anderem mit Werken von Arnold Schönberg, seinem Streichquartett Nr. 2 opus 10 mit der Sopranistin Christine Schäfer, und Werken von Ernst Krenek und Anton Webern.
Da bleibt wenig Zeit für eigene Projekte, denn, so Daniel Bell: „Quartett kann man nicht ‚nebenbei’ spielen, das muss der Schwerpunkt sein. Natürlich belebt es die Arbeit des Quartetts, wenn man noch etwas anderes macht. Ich habe kürzlich bei einem Projekt mit des Pianisten Murray Perahia mitgemacht. Das war unheimlich inspirierend, plötzlich so ein Spiel zu hören – er hat ein Kammerorchester vom Klavier aus geleitet. Nach solchen künstlerischen Erlebnissen kommt man ganz inspiriert zum Quartett zurück. Insofern ist es gut, auch mal anderes zu tun.“

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