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Inga Humpe. Foto: Presse, Astrid Grosser
Inga Humpe. Foto: Presse, Astrid Grosser
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„Raus aus dem Whirlpool“ – Musikerin Inga Humpe wird 65

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Als „Codo“ steht sie für eine der bekanntesten Zeilen der Neuen Deutschen Welle. Mit 2raumwohnung geht es rauf bis „36 Grad“. Inga Humpe ist musikalisch weit gekommen. Zum 65. Geburtstag will sie die Auferstehung des Pop.

Konformität ist nicht ihr Ding. Bis heute. Hippies, Punks und Ravergirls fühlt sie sich näher als jungen Frauen – „halt hübsch und brav – und dann Mütter“. Die Musikerin Inga Humpe hat von den Neonbabies bis zu 2raumwohnung versucht, „sich nicht so diesen Strömen zu beugen, sondern auch mal raus aus dem Whirlpool, mal in den Fluss springen“. Die Sängerin, Komponistin und Texterin Humpe wird am Mittwoch (13. Januar) 65 Jahre alt.

Die 50er und 60er Jahre erlebt sie mit ihrer gut fünf Jahre älteren Schwester Annette, der späteren Ideal-Sängerin, im Ruhrgebiet. Beide wollen da raus, beide haben ein Ziel: West-Berlin. Inga Humpe beginnt noch kurz ein Studium in Aachen, wechselt dann aber Mitte der 70er Jahre ins noch lange nicht vereinte Berlin.

Die Stadt wird über die Jahrzehnte ihr Bezugspunkt bleiben. „Berlin erlaubt einfach den größten Freiraum“, sagt Humpe im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, „das passt auch zu mir. Diesen Freiraum schätze ich sehr und den schätzen auch viele meiner Freunde sehr. Er ist schon ungewöhnlich groß in Berlin.“

Ende der 70er ist sie bei den Neonbabies dabei, in den wenigen Jahren ihrer Existenz erspielt sich die Band Kult-Status. Zum Repertoire gehört auch die erste Version des Songs „Blaue Augen“, den die Schwester kurz darauf mit Ideal zum NDW-Abräumer macht.

Das Humpe-Duo wird noch mehrmals gemeinsam musizieren. Beim Deutsch-Österreichischen Feingefühl (DÖF) etwa, wo Inga Humpe den berühmten „Codo“-Refrain „und ich düse, düse, düse im Sauseschritt“ singt. „Das war ja ein deutschsprachiges Pop-Lied und wurde auch in Schweden, Holland und überall gespielt“, erinnert sie sich. „Das war ja auch nicht vorhersehbar. Das war schon klasse.“

Als Humpe&Humpe bringen die Schwestern in den 80ern zwei Alben heraus. „Das ist jetzt 40 Jahre her“, sagt Inga Humpe. Seitdem sei „auch nicht ein Impuls entstanden“, nochmal was zusammen zu machen. „Wir sind zwar unterwegs in der Musik und Popmusik, aber Annette als Produzentin und bei mir sind es schon andere Felder.“

In den 90er Jahren kommt Humpe mit dem Musiker und Komponisten Tommi Eckart zusammen. Die beiden sind nicht nur ein Paar, sondern machen seit 2000 mit 2raumwohnung auch sehr erfolgreich Elektro-Pop. Ihr Rezept Leichtigkeit und Melancholie sorgt für sieben Studioalben in den Top-Ten. Den scheinbar unverwüstlichen Mega-Hit „36 Grad“ nennt sie einmal „unser „Last Christmas“.

„Die ganze Sache mit 2raumwohnung“ ist für Humpe auch nach 21 Jahren noch immer besonders. „Da weiß man ja immer vorher nicht, ob es funktioniert und wie“, sagt sie. „Diese ersten fünf bis acht Jahre mit 2raumwohnung waren ein einziger Sprung nach oben. Das haben wir auch mit großer Freude und mit sehr vielen Partys genossen.“

Auch 2raumwohnung ist eng verbunden mit Berlin. Doch manchmal treibt es die Musiker raus für neue Projekte. „Das sind Experimente, die wir uns erlauben“, sagt Humpe. Boden und Basis sei Berlin. „Aber auch mal auf eine Insel abzuhauen oder auf einen anderen Kontinent und dort Eindrücke zu verarbeiten auch zu Musik – da bringt man auch wieder was mit zurück in das alte Musikleben. Das braucht auch immer wieder neue Eindrücke.“

Mit ihren Texten will Humpe auch bewegen, etwa im Rollenspiel von Mann und Frau. „Da hat sich wirklich viel verändert“, sagt sie. „Trotzdem ist für mich auch immer wichtig, in unseren Songtexten Frauen Mut zu machen, und zwar alten wie jungen. Sich gegenseitig Mut machen, den Alten Mut machen, sich nicht abzufinden und zurückzunehmen, und den Jungen, um ihre Energien und ihre Facetten zu leben – und nicht nur gesellschaftskonform, brav, hübsch.“

Aktuell arbeitet Humpe an nicht weniger als der Auferstehung ihres Musikgenres. „Pop ist eigentlich tot. Ich bin froh, dass ich lebe. Aber Pop ist tot“, sagt sie. „Diese vielseitige Art von Popmusik, wie ich sie kenne, die gibt's eigentlich im Moment nicht.“ Eben nur Schlager und sonst nix. „Popmusik ist für mein Gefühl immer brisant gewesen, immer gewagt und innovativ.“ Das sei Popmusik für sie auch weiterhin, aber in Deutschland gebe es da im Moment keinen Anschluss. „Beim Schlager und insgesamt gesellschaftlich ist dieser Wille zur Gleichform, eine gewisse Bravhaftigkeit zu sehen.“

„Wo stehe ich in dieser Musikwelt?“, fragt sie sich deswegen nun und: „Wie kriegt man die Leute dazu, ein Bewusstsein zu haben, dass Demokratie wertvoll ist und dass es sich lohnt, für ihre Sachen zu kämpfen und sich zu bewegen?“

 

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