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Ros(t)ige Zeiten für Napster?

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BMG will sich mit einer Allianz absichern
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Für eine unerwartete Wende im mit großer Spannung verfolgten Prozess gegen Napster sorgte Bertelsmann Thomas Middelhoff: Anstatt weiter mit juristischen Mitteln vorzugehen, streckte man dem vermeintlichen Erzfeind die helfende Hand hin. Denn wenn sich das Filesharing schon nicht abstellen lässt, dann möchte man wenigstens davon profitieren.

Konkret bedeutet das: BMG will eine Allianz mit Napster schließen und sich aus den Reihen der Kläger verabschieden, sobald das geplante System fertig gestellt ist. Ziel ist es, ein Businessmodell umzusetzen, das den beliebten Tauschclient in ein kostenpflichtiges Abo-Service umwandelt. Die übrigen Majors, von Middelhoff zur Kooperation eingeladen, äußerten sich vorerst verhalten postiv, werden aber ebenso wie Metallica und Dr. Dre, die beiden Kläger aus den Reihen betroffener Künstler, weiter am Prozess festhalten – entschieden ist somit noch gar nichts.

„Napster hat einen neuen Weg der Distribution von Musik aufgezeigt, und wir glauben, dass dies die Basis für wichtige und aufregende neue Businessmodelle innerhalb der Musikindustrie sein wird,“ versuchte Thomas Middelhoff die Skepsis, der er sogar innerhalb der amerikanischen Bertelsmann-Tochter begegnete, zu zerstreuen. Der ewig 19-jährige Napster-Gründer Shawn Fanning äußerte sich nicht weniger euphorisch: „Wer bisher dachte, dass Napster toll ist, der wird schnell merken, dass es jetzt erst richtig los geht!“

Wirtschaftsrechtlich gesehen handelt es sich um eine mehrheitliche Übernahme von Napster durch Bertelsmann – kolportiert wird ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag. An sich ist dies ein wenig spektakulärer Sachverhalt, denn in den letzten Monaten zogen immer mehr New-Media Firmen den Aufkauf durch einen Multi dem eigenen Börsegang vor. Da Filesharing jedoch generell als großer Hoffnungsträger im elektronischen Handel gilt und Napster die populärste auf diesem Prinzip aufbauende Online-Community ist, könnte der Deal weit reichende Auwirkungen zeigen. Folgerichtig wurden die Verträge auch nicht von BMG, sondern von der Bertelsmann eCommerce Group unterzeichnet. Deren Chef Andreas Schmidt konstatierte: „Wir haben’s den Leuten bisher einfach viel zu schwer gemacht, im Netz an Musik heranzukommen.“

Howard King, Anwalt von Metallica und Dr. Dre, stellte dagegen deutlich klar, dass man nicht ohne weiteres einlenken werde: „Natürlich begrüßen wir die Umwandlung in ein rechtlich gedecktes Abo-System mit Lizenzgebühren, aber das macht die Vergangenheit nicht ungeschehen.“ Ähnliche Töne gab’s auch von der RIAA-Vorsitzenden Hilary Rosen zu vernehmen: „Wir freuen uns, wenn Mitbewerber sich den geltenden Spielregeln unterwerfen. Das Gericht muss ein für allemal klarstellen, dass Services wie Napster im vorhinein eine Genehmigung einholen müssen.“

Der Vorstoß von BMG dürfte also nicht nur Napster selbst überrascht haben, sondern auch die übrige Plattenindustrie. So hoch die Wogen bisher gingen, Details zum geplanten Deal gab’s nur spärliche: So wurde verlautbart, dass man sich monatliche Abogebühren in der Höhe von rund 5 Dollar vorstellen könne, wobei die Einnahmen auf Publisher, Labels, Musiker und Komponisten verteilt werden sollen. Das gesamte Repertoire von BMG wird in höherer Soundqualität als bisher in lizensierter Form zugänglich sein – wie das technisch gelöst werden soll, steht bisher aber noch in den Sternen.

Denn der größte Trumpf Napsters war bislang die zugrundeliegende Netztopologie: so befinden sich die einzelnen Songs nicht auf einem zentralen Server, sondern sie liegen auf den Festplatten der einzelnen User. Hier dürfte BMG aber auf Schwierigkeiten stoßen, denn eine gesteuerte Rechtevergabe setzt zumindest einen zentralen Dateipool voraus. Nun rätseln Experten, wie man Filesharing auf der einen und Abo-System auf der anderen Seite unter einen Hut bringen will – denn laut Bertelsmann soll das Prinzip des User-zu-User-Tauschs nicht angetastet werden.

Bertelsmanns Angebot hat die Spannung um den Ausgang der Gerichtsverhandlung deutlich gemindert – denn nun dürfte endgültig klar sein, in welche Richtung sich das Service zukünftig entwickelt. Bereits die Forschungszusammenarbeit mit Liquid Audio ließ derartige Pläne vermuten, selbst wenn diese noch vor wenigen Monaten von Shawn Fanning selbst aufs heftigste dementiert wurden. Allerdings kommt ein bedeutender Faktor ins Spiel, der BMG einen Strich durch die Rechnung machen könnte – die Napster-Community selbst. Die reagiert bislang mit wenig Freude auf die neuen Entwicklungen und fühlt sich in Newsgroups gar von Napster verraten.

So wurden bereits erste Aufrufe zu einem Boykott des Services, über den noch nicht einmal was Genaues bekannt ist, laut. Zudem existieren nach wie vor eine Reihe von Opennap-Servern, Tauschclients der nächsten Generation wie Gnutella stehen in den Startlöchern. Zwar schüfe eine mögliche Verurteilung von Napster einen eindeutigen Präzedenzfall, im Fall von Gnutella oder auch FreeNet müssten jedoch wiederum neue juristische Masstäbe angelegt werden – denn diese beiden System beruhen auf einer anderen Logik und verzichten völlig auf zentrale Server, können also auch nicht per Gerichtsbeschluss „abgeschaltet“ werden.

Nun hat Napster seinen Konkurrenten aber einen ganz entscheidenden Vorteil voraus: die Bedienung gestaltet sich sensationell einfach, die Community, die an die Benutzung des Clients gewöhnt ist, umfasst mittlerweile über 30 Millionen Musikliebhaber. Ob der Großteil von ihnen zahlen wird oder auf ein anderes System umsteigt, hängt also vom Umfang des Angebots, von seiner Verfügbarkeit, dem gebotenen Komfort und der Usability des neuen Systems ab. Das heißt wiederum, dass die Musikindustrie schwerst unter Zugzwang steht – nur wenn ihre Angebote attraktiver daherkommen als illegale Systeme, besteht eine realistische Chance auf funktionierendes Business. Und damit wird eine Entwicklung eingeleitet, die für Musikfans eigentlich nur positiv ist und möglicherweise viel weiter reicht, als man sich das zum jetzigen Zeitpunkt vorstellen kann. Denn die Kooperation von Napster mit seinem ehemaligen Gegner wird unabhängig vom Ausgang des Prozesses in jedem Fall weitergeführt.

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