„Mit dem Startschuss für Phonoline beginnt für die Vermarktung und den Vertrieb von Musik eine neue Ära”, erklärte Warner-Chef Bernd Dopp anlässlich des Phonoline-Starts Mitte März. Die Plattform fungiert in Deutschland als Großhändler, der Web-Anbieter mit den Titeln der Plattenfirmen versorgen will. Erste Kunden sind das Universal Music-Angebot Popfile.de und der Konzertkartenhändler Eventim. Gemeinsam mit der Phonoline-Betreibergesellschaft Phononet hoffen sie, hier zu Lande das Apple-Wunder wiederholen zu können: Der Computerhersteller verkaufte in weniger als einem Jahr 50 Millionen Musik-Downloads.
Etwas verhaltenere Töne gab es vom größten deutschen Indie-Label Edel zum Start der Plattform. „Es ist sehr erfreulich, dass Phonoline trotz aller Anlaufschwierigkeiten nun endlich mit attraktiven Partnern am Start ist“, ließ Edel-CEO Michael Haentjes die Presse wissen. Trotz Anlaufschwierigkeiten nun endlich – das sind nicht eben die blumigen Worte, die man in einer Presseerklärung erwartet. Dahinter verbirgt sich der kaum kaschierte Ärger, dass die eigentlich als Branchenprimus geplante Plattform aufgrund technischer Probleme und strategischer Differenzen mit fast einem Jahr Verspätung startet.
Mittlerweile ist Phonoline nur noch einer von vielen Online-Musikanbietern auf dem deutschen Markt. Die britische Firma OD2 bietet ihre Shoplösung unter anderem auf den Webseiten von Karstadt und Media Markt an. Dazu hat die Telekom trotz ihrer Zusammenarbeit mit Phonoline ungeduldig eine eigene Endverbraucher-Lösung namens Musicload entwickelt, die ihre Titel über Bild.de und RTL.de verkauft.
Allen Plattformen gemein ist, dass sie mit einem schwierigen Marktklima zu kämpfen haben. Im Gegensatz zu den USA ist hier zu Lande von einem Geld einbringenden Download-Fieber noch nichts zu spüren. Musicload meldete Anfang März, seit seinem Start im letzten August gerade einmal 40.000 Songs verkauft zu haben. Wenig Grund zur Hoffnung machen auch die Nachrichten aus dem europäischen Ausland. Die laut eigenen Angaben größte europäische Downloadplattform Mycokemusic.com verkauft pro Woche rund 10.000 Titel. Zum Vergleich: Apples iTunes-Shop setzt jede Woche 2,5 Millionen Songs um. Apples Geheimrezept liegt einerseits in seiner enormen Medienpräsenz inklusive zahlloser TV-Werbespots. Andererseits bietet der Computerhändler seinen Nutzern so viele Freiheiten wie sonst kaum ein Online-Musikanbieter: Kunden können ihre Songs beliebig oft auf CD brennen, auf mobile Player wie den iPod übertragen und auf bis zu drei Computern wiedergeben. Kauf, Wiedergabe, Brennen und iPod-Management lassen sich zudem sehr einfach mit ein und demselben Programm realisieren, das auf Macs bereits vorinstalliert ist.
Wer dagegen einen Titel bei einem Phonoline-Anbieter kauft, muss sich dazu erst die firmeneigene „My Playlist-Software“ herunterladen. Auf CDs brennen lassen sich die Titel bis zu drei Mal, aber nicht mit My Playlist. Das Programm muss die Titel erst in ein anderes Dateiformat umwandeln, damit der Windows Media Player diese Aufgabe übernehmen kann. Auf digitale Audioplayer übertragen lassen sich die Titel nur, wenn diese mit Microsofts kopiergeschützten Windows Media-Audioformat umgehen können. Eine Wiedergabe auf Apples iPod fällt damit flach – und das, obwohl das Gerät der meist gekaufte MP3-Player ist.
Der Popularität des iPods ist übrigens auch zu verdanken, dass Apple so viel Geld in sein Download-Angebot steckt, obwohl sich dieses nach eigenen Aussagen für die Firma nicht rentiert. Jeder iTunes-Kunde ist ein potentieller iPod-Käufer. Den Anbietern hier zu Lande fehlen ähnliche Synergieeffekte. Dafür hat man mit einer ganzen Reihe von zusätzlichen Kosten zu kämpfen. So kassieren Kreditkartenanbieter, Technik-Dienstleister und Verwertungsgesellschaften in Deutschland deutlich mehr als in den USA. Der 99-Cent-Preis gilt deshalb bereits als Verlustgeschäft. Trotzdem lassen sich viele Anbieter vorerst darauf ein – man will schließlich die neue Ära nicht völlig ohne Kunden beginnen.