Berlin - Rap ist längst im Mainstream angekommen und aus den Charts nicht mehr wegzudenken. Was lieben die Jugendlichen an diesem Genre, was in früheren Zeiten vor allem ein Nischenpublikum begeisterte? Und was hat Rap mit Gladiatorenkämpfen gemeinsam?
Deutschlands längstplatzierter Charthit ist von einem Rapper: Apache 207. Sein 2019 veröffentlichter Song «Roller» hat mit 162 Wochen den alle Jahre wieder platzierten Weihnachtshit «Last Christmas» von Wham! aus dem Jahr 1984 überholt. Außerdem besetzen Apache 207 und Udo Lindenberg mit ihrem gemeinsamen Song «Komet» aktuell Platz eins der Deutschen Charts.
Doch Rap kommt nicht nur in Deutschland oder in den USA gut an: «Die Beliebtheit von Rap ist ein globales Phänomen», sagt Hans Schmucker von GfK Entertainment, die jede Woche die Offiziellen Deutschen Charts ermitteln.
«Wir sehen das immer wieder an den Charts, die wir auch unter anderem in Ländern wie Italien, Österreich oder der Schweiz ermitteln.» Ein schöner Aspekt sei dabei, dass Rap einen enormen Beitrag leiste, dass die jeweilige nationale Sprache dadurch wieder beliebter werde. «In den 90ern, 2000ern gab es sogar Debatten, ob wir wieder Quoten brauchen, weil es nur noch englischsprachige Musik gab», sagt Schmucker.
Rapmusik habe vor allem in den letzten fünf bis zehn Jahren in Sachen Beliebtheit einen großen Sprung gemacht. Das stehe auch in Verbindung mit Musikstreaming-Plattformen wie Spotify, sagt Schmucker. «Gerade die jungen Musikfans streamen prozentual mehr als die älteren und da ist Hip-Hop enorm erfolgreich.»
Über die Playlisten der Streaming-Plattformen können Nutzer auf einfache Art und Weise immer wieder neue Songs und Künstler entdecken. Bei Spotify sind unter den Playlisten in Deutschland mit den meisten Followern sogar gleich zwei Rap-Playlisten: «Modus Mio» (1,8 Millionen) und «Deutschrap Brandneu» (1,5 Millionen), so Conny Zhang, Leiterin des Bereichs Musik bei Spotify. Auch der meistgehörte Künstler auf Spotify in Deutschland ist 2023 ein Rapper: Luciano (6,9 Millionen monatliche Hörer).
Doch warum ist Rap vor allem bei jungen Menschen so beliebt? «Ich denke, die Authentizität spielt eine große Rolle, besonders für Jugendliche, die nach Orientierung suchen und dann kommt da jemand, der einfach mal Klartext spricht», sagt Schmucker. Das sei auch der Unterschied zu anderen Genres, weiß Musikjournalist Falk Schacht, der auch Seminare zur Musikkultur an der Leuphana Universität in Lüneburg hält. «Rapper wollen möglichst, dass du ganz genau weißt, was sie denken, mit wenig Interpretationsspielraum.»
Beim Hamburger Reeperbahnfestival 2017 äußerte Herbert Grönemeyer, dass er bei Künstlern oftmals eine gewisse Haltung vermisse. «Die Politik findet vielleicht im Hip-Hop, im Rap statt, aber ansonsten ist die Musikszene wie vieles andere sehr «Frau-Merkel-durchgenebelt»», sagte der Sänger.
«Wenn Herbert Grönemeyer «Kinder an die Macht» singt, dann ist das eine Kritik an den herrschenden Verhältnissen und der Regierung von Helmut Kohl in den 80ern», sagt Schacht. Diese politische Kritik habe Pop total aufgegeben. «Das Aufregende, also die Kritik, ob direkt oder indirekt, das bietet eben Rapmusik.»
Das ließe sich auch weiterdenken, denn Hip-Hop biete auch eine Art «Action-Erlebniswelt». «Man kann das auch ein bisschen mit Gladiatorenkämpfen vergleichen», sagt Schacht. Viele Menschen seien sehr interessiert an der Rapwelt, obwohl sie die Musik eigentlich nicht hörten.
«Geht man musikhistorisch zurück, dann hatten diese Funktionen früher Rocker», weiß Schacht. Man habe sich also gefragt: «Wer sind die? Warum nehmen die Heroin? Warum ertrinkt dieser Rockstar im Swimmingpool? Mit wem hat er Sex? Und wieso schmeißen die den Fernseher aus dem Hotelzimmer?»
Heute sei Rock harmlos «wie Pur», lacht Schacht. Grund dafür sei, dass die Kids, die früher Rock oder Punk hörten, mittlerweile die Eltern seien. «Und wer liefert das heute noch? - die Rapper.» Alle anderen kulturellen und musikalischen Genres seien brav geworden und das habe natürlich Folgen - und zwar diese, dass Rap auch medial viel mehr Aufmerksamkeit bekommt.
«Sex, Drugs und Rock'n'Roll» sind heute also «Sex, Drugs und Hip-Hop». Doch was heißt das für die Zukunft? «Ich glaube, zwischen diesen großen Kulturbewegungen wird es immer wieder Vermischungen geben», sagt Schacht. «Die kulturellen Techniken, mit denen Hip-Hop angefangen hat, die werden natürlich auch in anderen Bereichen genutzt und umgesetzt - ist das dann was Eigenes oder ist das eine Weiterentwicklung von Hip-Hop?» Der berühmte Satz: «Ich finde Rap scheiße, aber diese Form der Rapmusik finde ich ganz gut», sei da ganz typisch und noch ein Grund, warum sich das Genre so großer Beliebtheit erfreut: «Hip-Hop kann am Ende alles sein - wie ein Chamäleon», sagt Schacht.
Redaktionelle Hinweise
- Die Offiziellen Deutschen Charts werden von GfK Entertainment ermittelt. Sie decken 90 Prozent aller Musikverkäufe ab. Basis der Hitlisten sind die Verkaufs- bzw. Nutzungsdaten von 2.800 Händlern sämtlicher Absatzwege. Dazu zählen der stationäre Handel, E-Commerce-Anbieter, Download-Portale und Streaming-Plattformen.
- Die Zitate von Conny Zhang, Head of Music bei Spotify, lagen der dpa schriftlich vor.