Es war ein ganz und gar nicht alltäglicher Workshop, den ich im Frühjahr dieses Jahres an der Landesmusikakademie Berlin zum Thema Zeitmanagement abhielt. Für diesen Workshop hatte ich einige besonders kniffelige Übungen vorbereitet, mit denen die Gruppe sich problematischen Themen aus dem Arbeitsalltag von Musikern wie „Zeitfressern“ oder der „Aufschieberities“ annähern könnte. Das Konzept ging auf: Schon nach den ersten zwei bis drei Aufgaben merkte ich, wie mich der Elan der Teilnehmer ermutigte und wie mich die Dynamik der Gruppe ansteckte. Kurzentschlossen ergänzte ich in der ersten Mittagspause das didaktische Konzept. Während der Übungen mischte ich mich unter die Teilnehmer und packte ein eigenes „geschobenes“ Projekt an: den Aufbau eines Internet-Forums für die Seite www.selbstmanagement-fuer-musi ker.de. Anhand dieses Projekts gelang es mir, die Prinzipien professionellen Zeitmanagements hautnah und spontan zu vermitteln.
Alle Umfragen in meinen Seminaren dokumentieren, dass Zeitdruck, Aufgabenbewältigung und Zeiteinteilung für die meisten Musikschaffenden Stressfaktoren sind. Wenn ich allerdings nachfrage, wer unter den Workshopteilnehmern seine täglichen Arbeitsaufgaben schriftlich plant, erhebt nur eine Minderheit die Hand. Obwohl das Thema „Zeitmanagement“ uns privat und beruflich tagein tagaus verfolgt, investieren nur wenige Menschen ausreichend Energie in diese Richtung.
Der Zeitmanagement-Papst Lothar J. Seiwert erzählt in seinen Trainings zu dieser paradoxen Situation eine Geschichte. Sie handelt von einem Mann, der durch den Wald spaziert und eine Gruppe von Waldarbeitern sieht, die recht schnell einen Baum fällt. Später beobachtet der Mann eine zweite Gruppe, die beim Sägen überhaupt nicht vorwärts kommt, weil ihre Säge stumpf ist. Als der Spaziergänger die Gruppe darauf anspricht, antwortet diese sinngemäß: Wir haben keine Zeit die Säge zu schärfen, wir müssen den Baum fällen!
Für jeden von uns ist der wichtigste Schritt zur Schärfung unserer „Zeitmanagement-Säge“ der Übergang zur schriftlichen Planung. Mit schriftlicher Planung behalten wir in jeder Situation den Überblick. Wenn wir abends unseren Arbeitsplatz verlassen, können wir die erledigten Aufgaben abhaken und ohne ein rumorendes Unterbewusstsein („da war doch noch was“, „hoffentlich habe ich nichts vergessen“) in den Feierabend eintauchen.
Aufgabe Nr. 1 – Ihre Erfolge mit schriftlicher Planung
Überprüfen Sie die vorangehende Behauptung. Haben Sie mit irgendeiner Form schriftlicher Planung bereits private oder berufliche Erfolge verzeichnen können? Schreiben Sie diese Erfolge auf eine Blatt Papier und notieren Sie, warum Ihnen in der jeweiligen Situation schriftliche Planung geholfen hat. Mir persönlich hilft schriftliche Vorbereitung in den verschiedensten Situationen, etwa wenn ich mir die Verhandlungsstrategie für einen Schallplattenvertrag zurecht lege. Bei besonders komplizierten Zielen greife ich sogar auf Planungssoftware (beispielsweise Microsoft Project) zurück. Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad müssen wir für jedes Ziel zunächst prüfen, ob es überhaupt erreichbar ist („Abgänge unter den Musikschülern ausgleichen“). Zweitens muss ein Ziel messbar (beispielsweise „drei neue Musikschüler“) und drittens planbar sein („zwei Vertragsabschlüsse in den kommenden 14 Tagen“).
Aufgabe Nr. 2 – Ziele setzen
Erarbeiten Sie in Form eines Brainstormings oder einer Mind-Map alle Ihre aktuellen Ziele, egal ob sie Freizeit, Beruf, Familie oder Gesundheit betreffen. Anschließend übertragen Sie alle Ihre Ziele in eine Liste und notieren zu jedem Ziel, ob es erreichbar, messbar und planbar ist. Außerdem notieren Sie die ersten zwei Schritte zur Realisierung jedes einzelnen Ziels. Wie in der Einleitung dieses Beitrags beschrieben, fand ich unter meinen Zielen die Erweiterung der Homepage www.selbstmanagement-fuer-musiker.de wieder. Seit langem beschäftigte mich der Gedanke, die Homepage um ein Forum zu erweitern, dass eine Diskussion zu Selbstmanagement-Themen ermöglicht. Der Haken an der Sache: Die mir vorschwebende Software war in einer mir unbekannten Programmiersprache (PHP) geschrieben. Außerdem erforderte die Installation des Forums einen Providerwechsel, den Umzug von sechs Domains und die Aktivierung einer MySQL-Datenbank (alles Themen, vor denen mir grauste).
Aufgabe Nr. 3 – Auswahl und Aufgabenplanung
Wählen Sie jetzt aus der Gesamtheit Ihrer Ziele ein Ziel aus, dass die Kriterien Erreichbarkeit, Messbarkeit und Planbarkeit erfüllt. Wählen Sie ein Ziel, dass Ihnen besonders am Herzen liegt oder das besonders dringlich ist. Notieren Sie in Form eines Brainstormings oder einer Mind-Map alle Einzelschritte, die zur Erfüllung Ihres Ziels notwendig sind.
Die schriftliche Aufgabenplanung ist der beste Kunstgriff, um sich selbst die Angst vor einem großen Ziel zu nehmen. Vor meinem geistigen Auge zerlegte ich das schier gigantische Ziel in viele kleine und überschaubare Teilaufgaben. Plötzlich erschien mir das Projekt nur noch als „viel Arbeit“, aber nicht mehr „utopisch“. Vor meinem geistigen Auge begann ich Software runterzuladen, Anträge für den Umzug der Internetadressen zum neuen Provider zu stellen, telefonisch die Modalität für die Aktivierung einer Datenbank zu erfragen und so weiter.
Aufgabe Nr. 4 – Zeitplanung
Ordnen Sie alle Aufgaben Ihres Projekts in eine sinnvolle Reihenfolge und schätzen Sie für jede Aufgabe das notwendige Zeitbudget. Rechnen Sie jeder Aufgabe eine Pufferzeit von 50 Prozent hinzu und notieren Sie das Ergebnis auf Ihrer Liste. Übertragen Sie alle Aufgaben in Ihren Terminkalender. Die Installation des Forums begann für mich am folgenden Montag mit den Anträgen auf den Providerwechsel.
Weil der Providerwechsel circa eine Woche dauert, konnte ich in den darauffolgenden sechs Tagen nicht an dem Forum basteln. In dieser Zeit konnte ich allerdings das Handbuch für die Software lesen und mit dem Support des Providers klären, wie ich die notwendige Datenbank aktiviere. Alle diese Einzelschritte wurden Bestandteile von Tagesplänen, die von mir jeweils am Vorabend aufgestellt wurden.
Für die Planung eines einzelnen Arbeitstages gibt es drei Hauptregeln:
a) Immer das Wichtigste zuerst! Schreiben Sie sich täglich auf, welche Einzelaufgaben am nächsten Tag zu erledigen sind. Sortieren Sie die Aufgaben anschließend nach dem Top-Down-Ansatz. Erledigen Sie zuerst das Wichtigste, dann das Zweitwichtigste...
b) Halten Sie sich bei der Verplanung Ihrer Zeit stets Puffer von 50 Prozent frei! Zeitreserven helfen Ihnen trotz unvermeidlicher Ablenkungen Ihr Timing zu halten.
c) Konzentrieren Sie sich auf die richtigen Ziele! Was bringt Ihnen am meisten Geld oder Ihrem Gesamtziel am nächsten?
Aufgabe Nr. 5 – Tagesplan
Schreiben Sie in Form eines Brainstormings oder einer Mind-Map auf, was Sie am nächsten Tag erledigen wollen. Sortieren Sie anschließend alle Tätigkeiten in eine Reihenfolge nach Ihrer Wichtigkeit. Die Installation meines Forums begann am Montag nach dem Zeitmanagement-Workshop. Ich ordnete die ersten Schritte zur Zielrealisierung in meiner Montagsliste relativ weit unten ein. Wichtiger als die Installation des Forums erschien mir die Fertigstellung eines neuen Kapitels für mein Buch „Selbstmanagement für Musiker“ (Gesamtziel) und die Akquisition neuer Seminare (Geld). Außerdem hatte ich familiäre Pflichten zu berücksichtigen (Tochter in den Kindergarten bringen et cetera). Die Anträge für den Providerwechsel, den Download und den Ausdruck des Handbuchs sowie das erste Telefonat mit dem Support plante ich für den Nachmittag mit einem Gesamtzeitbudget von 80 Minuten ein. Wie Sie sich vorstellen können, setzte mich die öffentliche Planung des Forums unter einen gewissen Erfolgsdruck („practice what you preach!“). Tatsächlich habe ich innerhalb von zwei Wochen ein auf PHP und MySQL basierendes Forum installiert, obwohl ich von Datenbanken nicht mehr als ein ganz normaler Durchschnittsbürger verstehe. Ohne Zeitmanagement hätte ich weder den ersten Schritt getan, noch meine laufenden Pflichten erfüllen können. Faktisch habe ich an dem Projekt sogar so viel Spaß gefunden, dass ich gleich noch ein Gästebuch dazu installierte – Sie sind herzlich eingeladen sich einzutragen!
Unsere Zeit läuft! Wenn wir über „Zeitmanagement“ reden, meinen wir wohl eigentlich „Aufgabenmanagement“. Alle Teilnehmer des besagten Frühjahrsworkshops äußerten das Bedürfnis nach einer befriedigenden Arbeit und ausreichend Zeit für ein gelöstes Privatleben. Ein Zeitplanbuch mit einem übersichtlichen Terminkalender und viel freiem Platz zur Gestaltung von Tagesplänen kann Ihnen im Zeitalter des „Multitasking“ helfen, den Fokus auf das Wesentliche zu richten und sich Freiräume zu erhalten. „Aufgabenmanagement“ bedeutet so gesehen „Lebensmanagement“.