München (ddp). Der österreichische Theater- und Opernregisseur Martin Kusej übt scharfe Kritik am Opernbetrieb. Die «Institution Oper» sei «über weite Strecken reaktionär und langweilig», sagte Kusej, der zurzeit an der Bayerischen Staatsoper Giuseppe Verdis «Macbeth» inszeniert, in einem ddp-Interview.
Das Bestreben nach immer mehr Effizienz im künstlerischen Betrieb ersticke jede Kreativität. «Wenn ich einen Fehler mache, habe ich gar keine Zeit, diesen zu korrigieren. Das bürokratische Korsett ist viel zu eng», sagte Kusej.
Als großes Problem des schwerfälligen Opernbetriebs nannte Kusej die Tatsache, dass viele Sänger über Jahre im Voraus gebucht werden müssten. Außerdem mache sich niemand wirklich Gedanken darüber, ob ein Sänger nicht nur in Bezug auf seine Stimme, sondern auch darstellerisch und dramaturgisch in eine Inszenierung passe.
«Geradezu exemplarisch» manifestierten sich diese Probleme in Bayreuth. «Dort wissen Sie jetzt schon, wie der Probenplan am 24.
Juni 2012 aussieht - das interessiert mich überhaupt nicht», sagte der Künstler. Bayreuth sei «das einzige Opernhaus in Deutschland, in dem sich der Mythos von der Weltklasse hartnäckig aufrechterhält». In Wahrheit seien die Richard-Wagner-Festspiele «weit von einer Spitzenposition entfernt». Es werde die Aufgabe von Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier sein, diese Position tatsächlich zurückzuerobern.
Wenn die Verhältnisse stimmten und die neue Leitung «modern, offen und vertrauensvoll» mit den Künstlern umgehe, könne er sich auch selbst vorstellen, in Bayreuth zu arbeiten. Kusej hätte dort ursprünglich 2004 den «Parsifal» inszenieren sollen. Ein halbes Jahr zuvor wurde der Vertrag jedoch gelöst und Christoph Schlingensief mit der Produktion betraut. Es sei «die »autoritäre Art« der Leitung des mittlerweile vom Amt des Festspielchefs zurückgetretenen Wolfgang Wagner gewesen, »die mir meine 'Parsifal'-Inszenierung unmöglich gemacht hat«.
Im Sprechtheater lägen die Verhältnisse anders, betont Kusej, der ab 2011 das Bayerische Staatsschauspiel in München leiten wird. Der Apparat sei wesentlich kleiner und flexibler. »Deswegen mache ich auch lieber Sprechtheater als Oper, weil dies der Essenz meines Berufs viel näher kommt. Und die heißt: Kommunikation, Austausch mit den Schauspielern, meinen wichtigsten Partnern. Nur in dieser Kommunikation entsteht in einem kreativen Prozess das Stück, Neues, Unbekanntes, woran wir uns freuen oder abarbeiten können.«
Mit Verdis »Macbeth« inszeniert Kusej zum ersten Mal eine Oper in München. Mit der Produktion wird am Donnerstag (2. Oktober) die neue Saison der Bayerischen Staatsoper eröffnet, der ersten Saison, die von dem neuen Intendanten Nikolaus Bachler verantwortet wird. Bachler ist mit Kusej seit langer Zeit eng befreundet. Parallel zum »Macbeth« arbeitet Kusej derzeit an Igor Strawinskis Oper »The Rake's Progress«. Das Werk soll im November unter der musikalischen Leitung von Nikolaus Harnoncourt am Theater an der Wien in der österreichischen Hauptstadt herauskommen.
Im ddp-Interview gestand Kusej, dass Shakespeare nicht zu den Autoren gehöre, die er am liebsten inszeniere: »Ich bezweifle sehr, ob ich nochmal ein Stück von ihm mache.« Kusej, der bislang nur »Hamlet« und »Richard III.« erarbeitet hat, bekannte, einfach zu viel Respekt vor dem »Supertanker Shakespeare« zu haben. »Den kann man doch niemals anfüllen mit realen theatralischen Möglichkeiten. Deswegen lese ich das lieber, als dass ich es auf die Bühne bringe."