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Tim Renner sieht Zukunft des Musikverkaufs in der Flatrate

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Berlin - Der Berliner Musikunternehmer Tim Renner sieht die Zukunft des Musikverkaufs in der Flatrate. «Eine Musikflatrate ist schon der absolut vernünftigste Gedanke», sagte der Chef von Motor Entertainment der Nachrichtenagentur ddp. «Jetzt geht es darum, vernünftige Modelle zu etablieren.»

Stefan Schulz von Vivendi Mobile Entertainment Germany hat ein hohes Ziel: «Wir wollen für fünf Euro mehr Entertainment liefern als alle anderen auf der Welt», sagt er. Erreichen will er dies über den Service zaoza.de, der Download-Plattform und Netzwerk zugleich ist. Für fünf Euro im Monat kann man dort nicht nur Songs, sondern auch Videos, Spiele und Bilder herunterladen. Hörbücher und Filme sollen folgen. Dateien und Downloads können unter den Mitgliedern legal getauscht werden. Das System funktioniert von jedem Computer oder Handy, bei Kündigung bleiben alle Downloads erhalten, es gibt keinen Kopierschutz und keine Mindestvertragslaufszeit.

Schon seit längerem diskutiert die Musikbranche, der die Kunden auf illegale Internetseiten davonlaufen, über Abomodelle. Es gibt bereits Flatrates wie MusicMonster, Napster, Jamba Music und Musicload. In der Politik wird über die Einführung einer kompletten Kultur-Flatrate debattiert. Entscheiden wird am Ende der Kunde. «Ein superschwieriges Feld», sagt Executive Vice President Schulz.
Deutschland sei dabei sogar der schwierigste Markt. Daher wolle Vivendi «nur mit einem Betrag reingehen, wo wir sicher sind, dass wir eine Chance haben». Geld soll «über die Masse» verdient werden.

Der Berliner Musikunternehmer Tim Renner, Chef von Motor Entertainment, sagt im ddp-Interview, zaoza.de sei «in die richtige Richtung gedacht». «Von der Theorie toll, vom Mut richtig.» Allerdings habe der Service auch Schwächen: Die Auswahl der Musiktitel konzentriere sich auf das Repertoire der zur Vivendi-Gruppe gehörenden Plattenfirma Universal Music und sei somit sehr eingeschränkt. Andere bereits existierenden Flatrates hätten ähnliche Probleme. Renner appelliert daher an alle Plattenfirmen, sich für die Einführung eines vollständigen und aktuellen Musikflatrate-Modells zusammenzuschließen. «Wenn man zu lange wartet, etablieren sich illegale Downloads immer mehr.»

Nach Einschätzung des früheren Universal-Deutschland-Chefs wird es noch zwei bis fünf Jahre dauern, bis das optimale Modell einer Musikflatrate auf den Markt kommt - für schätzungsweise 9 bis 17 Euro im Monat, so viel wie heute eine einzelne CD kostet. Einer von Renner zitierten GfK-Untersuchung zufolge geben 17,4 Prozent der Bevölkerung für Musik im Schnitt mehr als neun Euro im Monat aus: «Mit denen kann man schon ein Geschäft machen.» Langfristig und mit der Ausweitung von Flatrates auf Film und Presse erwartet der Experte auch «ein Massenphänomen».

Nach Ansicht des Geschäftsführers der Popakademie Baden-Württemberg, Hubert Wandjo, reagieren die Konsumenten bisher noch verhalten auf Abomodelle. «Es ist noch keine gelernte Konsumweise, Musik und Entertainment im Abo zu beziehen», sagt er. Da viele Angebote nach wie vor illegal und kostenlos im Internet erhältlich seien, sei es zudem «für den Markt sehr schwierig, zu funktionieren». Die ideale Entertainment-Flatrate müsse den Kostenlos-Portalen mit Blick auf Angebot und Attraktivität weit voraus und trotzdem finanzierbar sein. Im Musikbereich hält auch Wandjo den Zugang zum Weltrepertoire für notwendig. Der Experte räumt Abomodellen Zukunftschancen ein, mahnt aber auch: «Es gibt nicht die einzige richtige Lösung, wir brauchen eine große Vielfalt.»

Der Sprecher des Bundesverbandes Musikindustrie, Daniel Knöll, sagt, in Deutschland werde jeder dritte Euro im Musikgeschäft im Internet verdient. Daher begrüße der Verband jegliche Investitionen und Innovationen im digitalen Online-Musikgeschäft. Nach wie vor zerstöre jedoch die «Kostenlos-Kultur» im Internet die Basis der Kreativwirtschaft. Die illegale Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte habe 2008 in Deutschland bei Produktion und Vertrieb von Spielfilmen, TV-Serien, Musik und Software einen Schaden von 1,2 Milliarden Euro verursacht. Zudem würden neue Geschäftsideen wie Zaoza.de «schon in der Entstehungsphase bombardiert, da jedes Modell gegen die Kostenloskultur im Netz nicht konkurrieren kann».