Orgeln aus Deutschland stehen überall in der Welt. In kaum einem anderen Land hat das Kunsthandwerk eine derart lange Tradition. Doch der internationale Konkurrenzdruck wächst - Ideen sind gefragt.
Werder/Havel - Holz statt glänzendes Metall – die Bambusorgelpfeifen auf der Windlade stechen hervor. Sie sollen die Orgel für Taiwan zieren, der «Königin der Instrumente» eine besondere Klangfarbe geben. «Es gibt wenige Orgeln, die Bambusflöten haben. Das ist auch für Taiwan etwas besonderes», meint Detlef Zscherpel, Prokurist der Alexander Schuke Potsdam-Orgelbau GmbH.
Seit Wochen steht in Werder/Havel bei Potsdam die Orgel für die Pingtung City Concert Hall bereit - doch ihre Abreise verzögert sich immer wieder. Die Bauleute für das Konzerthaus in Fernost halten die Termine nicht. Inzwischen wird Januar 2014 für die Auslieferung genannt. Einmal mehr wird das Exportgeschäft für den Orgelbauer zum Geduldspiel - doch ohne die Geschäfte in der Ferne wären Deutschlands Orgelbauer schnell pleite.
«Der Orgelbau hat in den vergangenen 20 Jahren einen erheblichen Schrumpfungsprozess hinter sich gebracht», schildert Thomas Jann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Orgelbauer. «Und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen», meint er. Die Schließungen von Kirchen habe der Branche zugesetzt - vor allem im Norden.
Der Verband hat mehr als 100 Mitgliedsbetriebe mit insgesamt etwa 2000 Mitarbeitern. Bundesweit gibt es nach Branchenangaben etwa 170 Werkstätten mit rund 2500 Beschäftigten. «Oft handelt es sich um Ein-Mann-Betriebe», berichtet Jann. Viele Orgelbauer sähen sich verstärkt im Ausland um. «Der Preiskampf ist dabei teils hart», schildert er.
«Im Inland müssen wir möglichst preiswert anbieten», erklärt Zscherpel. «Im Ausland sind wir manchmal ohne größere Konkurrenz - aber da sind die Unwägbarkeiten größer.» Das Instrument für Taiwan ist dabei nur ein Beispiel. Ein anderes ist ein Geschäft mit der Ukraine: in Charkiw liegt seit 2012 eine Orgel aus Werder eingelagert, weil sich der Bau des Konzertsaals erheblich verzögert hat. Damit kann ein Auftrag mit einem Volumen von etwa 1,2 Millionen Euro nicht planmäßig abgeschlossen werden.
Bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 1,5 Millionen Euro müssen solche Schwankungen mit Flexibilität und neuen Aufträgen aufgefangen werden, damit der 22-Mann-Betrieb nicht in Schieflage gerät. «Man fragt nicht nach einem lohnenden Geschäft, sondern nach Arbeit», so Verbandschef Jann.
«Es ist ein hartumkämpfter Beruf - aber ein Traumberuf», beschreibt es Philipp Klais, Orgelbauer in vierter Generation. Aus seinem Unternehmen Johannes Klais Orgelbau in Bonn stammen unter anderem Instrumente, die im Kölner Dom zu hören sind.
Die Begeisterung über das Handwerk ist auch bei Orgelbauer Schuke nahe Potsdam spürbar: Ohne Punkt und Komma zählt Prokurist Zscherpel besondere Exemplare auf, die das Unternehmen in der mehr als 190-jährigen Geschichte geliefert hat: Die größte Orgel Russlands stammt von hier und steht im Dom von Kaliningrad. In der Kathedrale von Zamora in Mexiko besticht das Instrument durch räumlich Harmonie. «Ein Orgelbauer arbeitet auch als Innenarchitekt», so Zscherpel, der sonntags ehrenamtlich als Organist im Einsatz ist.
Der promovierte Physiker kam 1998 durch ein Forschungsprojekt zu dem Unternehmen. Diese Verbindung besteht bis heute: Unter anderem hat Schuke in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam ein Messverfahren entwickelt, das die wissenschaftliche Grundlage für den Nachbau und die originalgetreue Klanggebung von barocken Orgelpfeifen ist. «Solche Dinge sind ein Alleinstellungsmerkmal und schaffen Abstand zur Konkurrenz», meint Zscherpel.
Wichtig sei zudem, die Menschen für die Orgelmusik einzunehmen, betont Klais. Er sieht gute Chancen dafür: Die Bedeutung der Kirchenmusik habe zugenommen - trotz der Schließung von Kirchen. «Die, die heute hingehen, sind bereit sich einzusetzen», meint Klais.
Marion van der Kraats