Der Präsident des Deutschen Kulturrates, Professor Christian Höppner, hat sich vor einigen Tagen in einem Offenen Brief an die Parteivorsitzende der CDU, Dr. Angela Merkel, wegen der derzeit auf europäischer Ebene laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP), den Verhandlungen zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (TISA), sowie dem gerade vorgelegten Vertragswerk zu dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) gewandt.
Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
bei den derzeit auf europäischer Ebene laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP), den Verhandlungen zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (TISA) wie mit dem vorgelegten Vertragswerk zu dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) werden entscheidende Weichen für die Zukunft unseres Landes und Europas gestellt. Als wesentliche Argumente für diese Abkommen werden zumeist wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen angeführt.
In den Freihandelsabkommen geht es aber nicht nur um die Vereinfachung der Handelsbeziehungen, sondern auch um eine umfassende Liberalisierung der Märkte, insbesondere der Dienstleistungsmärkte, die nahezu alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens betreffen wird. Kultur, Umwelt und Verbraucherschutz stehen dabei genauso zur Diskussion wie die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft.
Die Deregulierung der Märkte muss dort enden, wo gemeinwohlorientierte Aufgaben berührt werden. Die gesellschaftliche Übereinkunft zur öffentlichen Finanzierung von Bildung und Kultur trägt in Deutschland wesentlich zur kulturellen Vielfalt bei und gewährleistet die Freiheit für die Künste. Dazu gehört der Schutz der Urheber, die öffentliche Förderung von Bildungs-und Kultureinrichtungen wie von freien Gruppen, ein beitragsfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk und die indirekte Förderung der Kulturwirtschaft. Ein Teil unserer Kultur ist unsere Rechtskultur. Ihre Unabhängigkeit von wirtschaftlichen und politischen Interessen ist ein wesentliches Element unseres Gemeinwesens.
Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, wir haben die Sorge, dass die geplanten bzw. in Verhandlung befindlichen Freihandelsabkommen an den Grundfesten unseres Gemeinwesens rühren. Dazu gehören u.a. die avisierten Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten, die unserer Rechtskultur zuwiderlaufen und politische Entscheidungen aushebeln können. Dazu zählt u.a. eine intransparente Verhandlungsführung der EU-Kommission, die Geheimhaltung von Verhandlungsmandaten und eine mangelnde Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure.
Der Deutsche Kulturrat ist nicht grundsätzlich gegen Freihandelsabkommen. Wir erwarten aber einen dem demokratischen Gemeinwesen angemessenen Diskurs zu den Vor-und Nachteilen solcher Abkommen und sehen hier die CDU als große Volkspartei in der Verantwortung zum Dialog.
Deshalb bitte ich Sie als Vorsitzende der CDU Deutschlands, dafür Sorge zu tragen, dass
- ein regelmäßiger, sachlicher Diskurs mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren zu den Vor-und Nachteilen der geplanten Freihandelsabkommen geführt wird,
- die Grundlagen des Rechtsstaats wie der Vorrang der bestehenden Rechtskultur nicht zur Disposition gestellt werden,
- gemeinwohlorientierte Aufgaben, wie z.B. Bildung, Kultur und der öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von der Liberalisierung ausgenommen und bestehende indirekte Fördermaßnahmen für die Vielfalt der Kulturwirtschaft nicht angetastet werden,
- zur Sicherung und Förderung der kulturellen Vielfalt die UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt konsequent angewandt wird,
- in föderal aufgebauten Staaten wie der Bundesrepublik sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Bundesrat Freihandelsabkommen ratifizieren müssen.
Der Deutsche Kulturrat steht der CDU als Diskussionspartner gerne zur Verfügung.