Mainz - Der Musiknotenmarkt hat eine jahrhundertealte Tradition. Er ist weitaus kleiner als der Buchmarkt - und gerät ebenfalls unter den Druck des Internets. Wie reagieren Deutschlands Musikverlage? Wird Haus- und Profimusik digital? Viele Musikverlage fremdeln noch mit der digitalen Revolution. Der Markt ist klein. Nur wenige Verlage verdienen viel. Und immer mehr Musiker besorgen sich Noten aus dem Internet - legal und illegal.
Der Geschäftsführer des fast 200 Jahre alten Deutschen Musikverleger-Verbands (DMV) in Berlin, Heinz Stroh, beziffert den Umsatz mit Noten auf rund 75 Millionen Euro im Jahr 2014. Der Buchmarkt erlöste dagegen 2014 rund 9,3 Milliarden Euro.
Der Umsatz mit Noten ist laut Stroh in den vergangenen Jahren eher gesunken. Dieser Markt ist schon immer eng - Renditen von drei Prozent gelten als gut, wie die Sprecherin des 1770 gegründeten deutschen Marktführers Schott Music in Mainz, Christiane Krautscheid, berichtet. «Die meisten Unternehmen sind Kleinverlage mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 000 Euro. Nur neun deutsche Musikverlage machen mehr als zehn Millionen Euro Umsatz.»
Krautscheid verweist auf illegale Notenangebote im Internet - und auf das Sterben traditioneller Handelspartner: «Die Zahl der inhabergeführten, mittelständischen Musikalienhandlungen sinkt pro Jahr um bis zu zehn Prozent.» Gerade jüngere Kunden hätten im digitalen Zeitalter eine «Alles-umsonst-Erwartung».
DMV-Geschäftsführer Stroh sagt zum illegalen Herunterladen aus dem Netz: «Meist sind das Server im Ausland, an die wir schwer herankommen. Der Internationale Musikverleger-Verband (ICMP) versucht dagegen vorzugehen - mit wechselndem Erfolg.»
Etliche Noten sind aber auch gratis und legal im Netz zu haben. «Für die Urheberrechte gibt es eine 70-jährige Frist», erklärt Stroh. Viele Komponisten sind jedoch schon länger tot. Das Internetportal imslp.org zum Beispiel bietet Hunderttausende Stücke - kostenlos. Für die Hausmusik kann das ausreichen. Es gibt aber auch Bearbeitungen von Klassikern. «Dann sind die Werke erneut geschützt», warnt Stroh.
Profis bevorzugen meist gedruckte Noten. Der Wiesbadener Cellist Tobias Fischer sagt: «Sie bieten mit einem schöneren Druckbild einen besseren Kontrast, sind somit besser lesbar und berücksichtigen die jüngste musikwissenschaftliche Forschung.» Hinzu komme das bequemere Blättern an geeigneten Stellen.
Und die digitalen Angebote der Branche? Schott-Sprecherin Krautscheid sagt: «Hier haben viele Musikverlage die Entwicklung verschlafen.» Die Branche ist noch nicht so weit wie Literaturverlage mit E-Books. Nur wenige Musikverlage verkaufen schon digitale Produkte wie Noten zum Herunterladen.
Dazu gehört neben Schott etwa auch der 1923 gegründete Bärenreiter-Verlag in Kassel. «Wir haben eine App mit fast 200 Werken, die eher zum Studieren als zum Musizieren gedacht sind», sagt Unternehmenssprecher Johannes Mundry. «Die Erlöse sind noch nicht sehr groß, nehmen aber stetig zu. Die Investitionen waren allerdings auch überschaubar.» Die einzelnen Werke kosten über die App zwischen 6 und 14 Euro.
Schott bietet im Portal www.notafina.de nicht nur eigene Noten zum kostenpflichtigen Herunterladen, sondern auch Werke von mehr als 20 anderen Verlagen. «Viele Noten kosten hier nur 99 Cent, davon erhält der Komponist noch seinen Anteil - da muss man schon sehr viele Titel verkaufen, um auf substanzielle Umsätze zu kommen», sagt Krautscheid.
Werden Notenständer künftig digital? Pop- und Jazzmusiker spielen schon oft nach Noten im Tablet-Computer. Damit lassen sich tausende Werke speichern und blitzschnell wiederfinden. Die Klassik fremdelt noch - viele Musiker hängen an gedruckten Noten. Tablets sind ihnen zu klein und können blenden.
Krautscheid wagt aber den Blick in die Kristallkugel: «Wenn ein Anbieter die perfekte technische Lösung auf den Markt bringt, wird es ganz schnell gehen. Ich schätze, in fünf Jahren könnte es soweit sein. Bis dahin müssen wir gerüstet sein und alle gewünschten Musikstücke als Datei anbieten können.»