Markneukirchen - Die Mandoline als Instrument des Jahres blickt auf eine wechselvolle Geschichte. Einst war sie das Instrument der Reichen, in der DDR führte sie ein Nischendasein. Dennoch hat sie bis heute einen festen Platz im Instrumentenbau im sächsischen Musikwinkel.
Brunhilde Jacob streicht behutsam über die bauchige Unterseite einer Mandoline. Etwa einen Monat braucht sie in ihrer Werkstatt, um ein solches Instrument herzustellen. Dabei ist sie offensichtlich weit über Sachsen hinaus die einzige Frau, die sich im Instrumentenbau der Mandoline verschrieben hat. «Es scheint ein Männerberuf zu sein, ein Handwerk, das auch Kraft erfordert», erklärt sie. Dabei genießt die Mandoline derzeit besondere Aufmerksamkeit: Die Landesmusikräte haben sie zum Instrument des Jahres gekürt. Auch im sächsischen Musikwinkel hat der Bau von Mandolinen Tradition.
Vor einhundert Jahren sei das Instrument in der Region allerdings verbreiteter gewesen, sagt die Inhaberin von «Bruni Jacob - Meisterwerkstatt für Zupfinstrumentenbau» in Markneukirchen. Heute gibt es im Musikwinkel noch drei Werkstätten. «Damals waren die Verkaufskataloge voll mit Exemplaren. Auf alten Fotografien sind sogenannte Mandolinen-Clubs zu erkennen, die bei Straßenumzügen mitlaufen.» Aber in der DDR assoziierten wohl einige das Instrument zu sehr mit dem süddeutschen Raum und dem Ausland. «Die Verbreitung wurde aus politischen Gründen nicht gefördert. Und es ließ sich schlecht marschieren zur Mandoline.»
Die heute bekannte, bauchige Form der Mandoline sei die sogenannte neapolitanische Variante, die sich seit dem 18. Jahrhundert durchgesetzt habe, erklärt Markus Dietrich von der Meisterwerkstatt für Gitarrenbau und historische Zupfinstrumente. Historische Varianten erscheinen äußerlich eher tropfenförmig und langgezogen.
Neben Restaurationen etwa für Museen baut Dietrich auch historische Mandolinen der Vergangenheit nach. Gewünscht werden diese von Hobbymusikern und Profis gleichermaßen: «Viele Konzertstücke etwa von Vivaldi klingen mit ihnen wie die originale Musik von damals. Denn sie wurden für diese Mandolinen geschrieben», erläutert Dietrich. Er hat auch schon eine der ältesten noch erhaltenen Mandolinen von 1580 nachgebaut.
Entstanden sei das Instrument in der Renaissancezeit in Norditalien, gebaut oft von deutschen Handwerkern, die aus ihrer Heimat vor der Pest geflohen waren. Die Mandoline entwickelte sich dann laut Dietrich zu einem Instrument der Reichen: «Die Saiten, auf denen gespielt wurde, mussten regelmäßig erneuert werden und waren teuer.»
Heute sei die Mandoline ein vielseitiges Instrument - und neben der Klassik auch im Jazz oder Bluegrass zu finden. Viele wüssten nicht, dass in dem Lied «Losing My Religion» von R.E.M. eine Mandoline zu hören sei. Leider gelte vor allem in Ostdeutschland die Mandoline in der öffentlichen Wahrnehmung als Nischeninstrument. «Das sind Spätfolgen der DDR. Die Mandoline wurde als Ausbildungsinstrument in der Musikschule nicht mehr angeboten, Lehrer nicht ausgebildet. In den Benelux-Ländern und Italien hingegen ist sie sehr präsent.»
Auch die Vorstellung vom perfekten Klang der Mandoline hat sich im Laufe der Zeit verändert, wie Instrumentenbauerin Jacob erläutert. Mit ihren hohen, hellen Tönen erinnere sie manche zu sehr an Urlaubsmusik aus Hawaii oder Italien. «Neue Materialien machen die Mandoline ausgeglichener und angenehmer für unsere Ohren, etwa durch Saiten aus Flachdraht.»
Die Firma «Horst Wünsche Zupfinstrumentenbau» gehört ebenfalls zu den wenigen Mandolinen-Herstellern im Musikwinkel. Um auf dem Markt mithalten zu können, seien Sortimentsanpassungen nötig, sagt Meister Frank Meinel. «Wir wollen unseres auf die Flachmandoline ausweiten. Bei der fehlt die bauchige Form. Sie wird in den Bereichen Folk, Blues oder Jazz gebraucht.» Auch das neue Schülermodell käme gut an. Bei ihm wird auf das teure Palisanderholz für den Korpus verzichtet, stattdessen kommen heimische Hölzer wie Elsbeere oder Birnbaum zum Einsatz. «Damit haben wir auch eine gute Alternative zu artengeschützten Hölzern.» Für die Decke werde hingegen bei allen Mandolinen meist Fichte verwendet.
Tausende Mandolinensaiten stellt derweil die Lenzner Saitenmanufaktur jedes Jahr her - und ist damit ein weiterer Akteur bei der Produktion des Lauteninstruments im Musikwinkel. In einem letzten Arbeitsschritt werden die fertigen Mandolinen damit bespannt, um die Schwingungen der Saiten in Musik umzuwandeln. Für die Mandoline würden inzwischen hauptsächlich Flachdrahtsaiten verwendet, sagt Geschäftsführer Sebastian Renz. Ein besonders glatter Schliff verhindere ein quietschendes Geräusch, wenn die Finger darüber gleiten.
Der Handwerkskammer Chemnitz zufolge gibt es keine statistische Erhebung speziell zu den Mandolinenbauern. Sie werden vielmehr unter dem Beruf des Zupfinstrumentenbauers zusammengefasst, der auch den Gitarrenbau beinhaltet. Aktuell seien im Kammerbezirk, der neben Chemnitz die Landkreise Erzgebirge, Mittelsachsen, Vogtland und Zwickau umfasst, 33 solcher Mitgliedsbetriebe eingetragen. In den vergangenen Jahren hat es demnach einen Anstieg gegeben - 2010 waren es noch 22 Mitgliedsbetriebe.