Bestehende Hilfsprogramme sind zu begrüßen, gehen aber häufig an den Bedarfen vieler Musikunternehmer*innen vorbei, insbesondere der unabhängigen +++ Schnelle, unbürokratische Soforthilfen müssen alle Teilbereiche der kleinteiligen Musikbranche berücksichtigen +++ Streamingdienste und digitale Plattformen sollten auch ihren Beitrag für die Musik leisten +++ Zeitnahe Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht hilft den Künstler*innen/Kreativen und ihren Partner*innen langfristig
Der aktuelle Shut-Down des öffentlichen Lebens ist für die gesamte Musikwirtschaft, darunter die Tonträgerhersteller*innen, existenzbedrohend. Die Situation offenbart, wie hochgradig arbeitsteilig die Branche ist. Ausfälle einzelner Teile der komplexen Wertschöpfungsketten führen teils sofort, teils zeitversetzt zu Dominoeffekten und ziehen zwangsläufig Probleme in anderen Bereichen nach sich. Der Live-Sektor, Musikverlage, Tonträgerhersteller*innen, Künstler*innen, die Musikinstrumente-Branche und die vielen Dienstleister*innen sind von der gegenseitigen Solvenz ihrer jeweiligen Partner*innen abhängig. Der Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen e. V. (VUT) und der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) begrüßen die bereits angelaufenen und geplanten Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung, einzelner Bundesländer und der Verwertungsgesellschaften: „Die unterschiedlichen Ebenen haben schnell auf die Notlage reagiert. In einigen Bundesländern sind nach einfachen Kriterien große Summen direkt zu den Geschädigten gelangt. Wir erkennen dies an und sind dankbar für die dahinterliegende Wertschätzung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Um wirksam und gleichzeitig kosteneffizient zu sein, müssen Hilfsmaßnahmen aber an die Komplexität und unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilbranchen angepasst werden“, stellt der Vorstandsvorsitzende des VUT, Mark Chung, fest. „Für diese Justierung staatlicher Hilfen stehen wir gern beratend zur Verfügung.“
In einer Erklärung gemeinsamen mit anderen zentralen Verbänden der Musikwirtschaft sowie mit den Verwertungsgesellschaften hatten BVMI und VUT vorletzte Woche die in den Teilbereichen zu erwarteten Umsatzeinbußen durch die gesundheitspolitischen Maßnahmen beziffert. Für die kleinen und großen Unternehmer*innen der Musikindustrie sind dies bei einer 6-monatigen Dauer unter anderem Einnahmeausfälle von 100 bis 150 Millionen Euro allein durch wegfallende Verkäufe physischer Tonträger (CD, Vinyl, DVD), ferner werden neben von der GVL erwarteten Einbußen von rund 50 Millionen Euro auf der Tonträgerhersteller*innen-Seite Schäden erwartet, die noch nicht zu beziffern sind.
Dr. Florian Drücke, der Vorstandsvorsitzende des BVMI: „In der aktuellen Phase geht es uns darum, die konkreten Fragestellungen der Branche zu begleiten und in die politischen Diskussionen zu überführen. Dabei ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Hilfestellung nicht nur in Richtung der öffentlichen Hand zu verstehen ist, sondern gerade auch die von der GVL kurzfristig veranlassten Hilfsmaßnahmen betrifft. Die gestern von der Bundesregierung angekündigten neuen Hilfeleistungen für den Mittelstand lassen hoffen. Wir fordern dabei eine Berücksichtigung der Betroffenen in der Musikwirtschaft, die bekanntlich sehr mittelständisch geprägt ist.“
Verdeutlichen lässt sich die konkrete Situation der Branche am Beispiel eines VUT-Mitglieds, das etwa aufgrund von Veranstaltungsabsagen und der weltweiten Drosselung bzw. Schließung des Musikhandels das neue Album seines wichtigsten Künstlers nicht vermarkten kann, aber bereits investierte Kosten von 155.000 Euro für etwa Tonträgerherstellung, Mix/Mastering, PR, Marketing und Grafik veranschlagen muss. Das Unternehmen erhält bei sieben Mitarbeiter*innen lediglich eine Soforthilfe in Höhe von 15.000 Euro für drei Monate. Das Soforthilfeprogramm des Bundes reicht oft nicht annähernd aus, um die erheblichen Schäden, die bereits entstanden sind und noch entstehen werden, zu kompensieren. Ebenso ist die Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes wie steuerliche Erleichterungen für sie allenfalls in Ausnahmefällen geeignet, um Ausfälle zu kompensieren. Zudem kann der entstandene Verlust nicht alleine über flexiblere Kreditvergaben und vergleichbare Angebote abgefangen werden. Denn zum einen verfügen Klein- und Kleinstunternehmer*innen selten über notwendige Sicherheiten, zum anderen können diese Ausfälle in der Regel nicht einfach nachgeholt werden, um die Kredite zu bedienen. Die Musikbranche benötigt daher schnelle staatliche, nicht rückzahlbare und unbürokratische Soforthilfen zur Kompensation der durch staatliche Maßnahmen entstandenen und entstehenden Schäden!
Beide Verbände richten einen zentralen Appell zudem an den Gesetzgeber: Mit der zeitnahen und vor allem wortlautgetreuen Implementierung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht erhalten Künstler*innen und ihre Partner*innen endlich die Möglichkeit, eine angemessene Beteiligung an den substantiellen Erlösen, die mit ihren Inhalten auf den Plattformen erwirtschaftet werden, zu verhandeln. Dies sollte trotz der aktuellen Corona-Krise nicht in Vergessenheit geraten. Hier wird eine längst überfällige Regelung festgeschrieben, die für dauerhafte Mehreinnahmen in der Musikwirtschaft sorgen und darüber hinaus die Steuerzahler*innen gerade nicht zusätzlich belasten wird.
Der VUT fordert darüber hinaus die Streamingdienste und digitale Plattformen auf, einen Beitrag zum Erhalt der Musikwirtschaft zu leisten. Sie könnten etwa Krisenfonds für Klein- und Kleinstunternehmer*innen einführen, Lizenzgebühren schneller auszahlen, einen höheren Prozentsatz ihrer Einnahmen an die gespielten Rechteinhaber*innen weiterleiten, Vorschüsse bereitstellen oder gezielt lokale Künstler*innen unterstützen. Mark Chung: „Bei allen gut gemeinten zusätzlichen Aktionen ist vor allem essentiell, der Musikbranche nicht zusätzlich zu schaden – etwa in Form von Gratis-Abos oder ähnlichen als Spezialangebot für Verbraucher*innen getarnten Promotion-Maßnahmen."
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