1973 von Friedrich Mauermann in Stuttgart gegründet, machte sich das Label Audite vor allem durch Archivaufnahmen der Mahler-Symphonien unter dem damaligen Chefdirigenten des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Rafael Kubelík, einen Namen. In den 40 Jahren seines Bestehens ist es dem Label gelungen, eine ganz eigene Musiksprache zu finden und ein Profil zu etablieren, das sich nicht dem Mainstream beugt. Insbesondere durch das Zusammenspiel von historischen Aufnahmen und Neuproduktionen gelingt Audite eine glückliche Symbiose beider Welten.
Seit nun 13 Jahren ist Ludger Böckenhoff Chef des Labels Audite und kann auf einen beachtlichen Erfolg zurückblicken. Dabei hatte er selber nie vor, in der Musikindustrie zu landen. „Mir war aber schon früh klar, dass ich bei der Musik bleiben werde.“ Als Kind baute er sich Musikboxen, hörte Al Jarreau und widmete sich seiner bis heute anhaltenden Faszination für die Musik. Sobald diese erklingt, kann er sich auf seine musikalischen Ohren verlassen und die Welt um sich herum vergessen. Für ihn persönlich steht dabei immer die Frage im Vordergrund: Ist die Aufnahme ehrlich, kann sie mich als Zuhörer berühren?
Trotz wirtschaftlicher Einbrüche in der Musikindustrie konnte Audite seinen weltweiten Erfolg sichern, da das Label von Anfang an auf hohe Qualitätsstandards setzte, etwa indem es seine weltweiten Vertriebspartner eigenständig aussucht oder indem es jede Aufnahme vom ersten Ton im Studio an durch den gesamten Produktionsprozess hindurch begleitet. Auch zahlreiche Auszeichnungen würdigen die kluge Labelpolitik. Eine Besonderheit des Labels liegt in der Idee, historische Archivaufnahmen mit heutigen Neuproduktionen zu kombinieren. So liefert das Label die Debuts von Jacqueline du Pré, von Bruno Leonardo Gelber oder Christian Ferras. Einzigartige Momente und Juwelen der phonografischen Zeitgeschichte sind das, die Musiker und Zuhörer gleichermaßen noch heute als vorbildlich empfinden.
Die Interpreten sind jung, leidenschaftlich – aber vor allem individuell. Der Vergleich historischer Aufnahmen mit Einspielungen von heute zeigt auch: Früher war Perfektion nicht das oberste Ziel, Künstler und Publikum konnten Fehler und Missgriffe gelassener sehen, als das heute vielleicht der Fall sein mag. Der Wunsch nach Perfektion ist damit – analog zur technischen Entwicklung – ebenso dem Wandel unterworfen und scheint mehr und mehr an Bedeutung zu gewinnen. Doch wie definiert man Perfektion? Gegenwärtige Künstler empfindet Böckenhoff oft als technisch verbissen und ohne eigene Stimme. Er sucht nicht nur technisch überragende, sondern auch ausdrucksstarke und individuelle Musiker. Nicht nur bei den Neueinspielungen, auch bei der Auswahl historischer Aufnahmen liefert das Label ein beachtliches Feld außergewöhnlicher Produktionen. Bemerkenswert sind die Einspielungen zentraler Werke der Zweiten Wiener Schule aus den Jahren 1949-1965, unter anderem mit Schülern Schönbergs als Interpreten.
Neu ist die Gegenüberstellung zweier Gesamteinspielungen von Beethovens Streichquartetten: Zeitgleich mit einer Edition bisher unveröffentlichter Aufnahmen des Amadeus Quartetts aus Berliner Archiven begann Audite in diesem Jahr mit der sukzessiven Veröffentlichung der Einspielungen des Quartetto di Cremona, das sich in der Tradition des Quartetto Italiano sieht. „Diese Idee des interpretations-historischen Kontextes wird vom Publikum positiv wahrgenommen“, so Böckenhoff, „sowohl als Auseinandersetzung der heutigen Musiker mit der Interpretationshistorie als auch als Möglichkeit für den interessierten Hörer, beide Entwicklungen gleichzeitig nachverfolgen zu können“.