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Alte Meister und vor allem Zeitgenössisches: Thomas Girst verantwortet das Kulturengagement bei der BMW Group. Foto: Andreas Krieger
Alte Meister und vor allem Zeitgenössisches: Thomas Girst verantwortet das Kulturengagement bei der BMW Group. Foto: Andreas Krieger
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„Wir wollen Teil des Narrativs sein“

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50 Jahre Kulturengagement der BMW Group – Thomas Girst im Gespräch
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Vor einem halben Jahrhundert startete das Kulturengagement der BMW Group in München. Mit zahllosen Veranstaltungen in der ganzen Welt wird das runde Jubiläum groß gefeiert. Sie belegen auch das hohe Renommee dieses Engagements in der Kunstwelt. Doch welche Haltung steckt dahinter? Was bringt die Zukunft? Thomas Girst, seit 2003 Leiter des Kulturengagements der BMW Group, stellt sich den Fragen.

neue musikzeitung: Herr Girst, wie hat sich das Kulturengagement der BMW Group in den vergangenen 50 Jahren verändert?

Thomas Girst: Früher ging es generell zuvörderst um Logo-Platzierung und Wahrnehmung. Heute ist das die plumpeste Art der Förderung. Wir wollen Teil des Narrativs sein. Deshalb schafft man eigene Formate, bei uns zum Beispiel „Spielfeld Klassik“ mit den Münchner Philharmonikern oder „Oper für alle“. Was ich generell feststelle, auch bei anderen Unternehmen: Die Förderung geht viel stärker in Richtung Education, also Bildungsprogramme. Gleichzeitig hat sich BMW selbst zum Technologieunternehmen entwickelt, was auch die Digitalisierung berührt.

nmz: Warum ist BMW Digitalpartner der Berliner und Bayerischen Staatsoper?

Girst: Weil wir auch unserem Anspruch gerecht werden möchten, neue Zielgruppen auf andere Weise zu erreichen: unterhaltsam, ohne die Komplexität von Kunst zu verwässern. Da entstehen tolle Formate, nicht nur im Sinn der Reichweitenerweiterung. Das weltweite Streamen im Internet haben wir übrigens schon weit vor der Corona-Pandemie mit unseren Partnern entwickelt. Uns geht es aber auch um Perspektivwechsel. Wenn wir Daniel Barenboim eine Kamera auf die Schulter klemmen, lässt sich erstmalig ein Wagner-Vorspiel aus der Perspektive des Dirigenten wahrnehmen. Das ist spannend und geht dementsprechend viral.

nmz: Das Kulturprogramm der BMW Group startete 1971 mit Gemälden, die bei Gerhard Richter in Auftrag gegeben wurden. Wie und wann kam die Musik ins Spiel?

Girst: Ja, die Richter-Gemälde waren unser Urknall. Schnell verdichtete sich jedoch der Wunsch, den Münchner Norden rund um unseren BMW-Stammsitz kulturell erblühen zu lassen. Deshalb hat BMW gemeinsam mit dem Münchner Kulturreferat vor rund vierzig Jahren den Spielmotor e. V. gegründet, die älteste Public-Private-Partnership im Kulturbereich in Deutschland. Es ging los mit Formaten wie „Live aus dem Alabama“ mit Gastspielen internationaler Bands, was auch von öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen wurde. Heute ist der Spielmotor breit aufgestellt, samt dem Theaterfestival Spielart, der Münchener Biennale für neues Musiktheater oder dem Tanz-Festival „Dance“. Uns ging es von Anfang an um das Facettenreiche und Heterogene der Kultur.

nmz: Das reklamieren auch andere Unternehmen für sich. Verantwortung, Nachhaltigkeit, Förderung von sozialer Diversität: Das sind allseits bekannte Schlagworte. Was ist das Alleinstellungsmerkmal des BMW-Kulturengagements?

Girst: Wenn sich viele Menschen gegen Nationalismus und Xenophobie aussprechen, ist der Anspruch sicher kein schlechter. So gesehen freue ich mich, dass viele Unternehmen dies für sich betonen. Als Vorreiter auf diesem Gebiet haben wir also etwas richtig gemacht. Unsere Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass uns eine echte Interaktion wichtig ist und nicht die bloße monetäre Transaktion. Kontinuität ist für uns ganz zentral. Wir springen eben nicht von Event zu Event, sondern wollen langfristig tätig sein, um auch unseren Partnern Planungssicherheit zu geben.

nmz: Trotzdem fließen auch Gelder.

Girst: Natürlich, und es geht auch um das Image, die Reputation, die Visibilität des fördernden Unternehmens. Bei der konkreten Ausgestaltung sind uns aber die Langfristigkeit des Engagements wie auch die Wahrung der kreativen Freiheit unserer Partner und der interkulturelle Aspekt wichtig. Das zeichnet uns ganz klar aus, und das belegen auch die weltweiten Formate zu unserem 50. Jubiläum. Das ist kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern ein Bekenntnis zur kultivierten Marke BMW.

nmz: Wer hat bei BMW Förderchancen?

Girst: Als großes Unternehmen und Premium-Automobilhersteller möchten wir mit solchen Musikinstitutionen langfristig kooperieren, die international über dieselbe hohe Reputation verfügen. Das sind die großen Opernhäuser vom Bolschoi bis zur Bayerischen Staatsoper, die großen Klangkörper vom London Symphony Orchestra bis zu den Münchner Philharmonikern. Bei 2.000 Anfragen, die uns im Jahr erreichen, geben wir keine Anleitung, wie man sich bei uns bewirbt. Das Erwartungsmanagement ist hier sehr wichtig. Wir möchten keine Hoffnung schüren. Meistens werden Anfragen negativ beschieden, ohne inhaltliche Wertung, weil Mittel an bestehende Kooperationen gebunden sind. Wir nehmen uns zudem die Freiheit, auch proaktiv auf Partner in der Musik zuzugehen: so geschehen bei dem Format „Oper für alle“, das wir vor über 25 Jahren mit der Bayerischen Staatsoper entwickelt haben und das inzwischen weltweit besteht, oder dem 2009 begründeten „BMW Welt Jazz Award“. Wir reagieren eben nicht einfach auf Anfragen.

nmz: Sondern?

Girst: Während andere Unternehmen sich damit begnügen, etwa eine Opernproduktion zu fördern, um dort ihre wichtigen Kunden zu platzieren, geht es uns auch darum, die Hemmschwelle vor der Hochkultur zu nehmen und sie zugänglich zu machen. Deswegen gibt es Formate wie „Oper für alle“, wo sich Zehntausende auf großen Plätzen in Berlin, München, London, Moskau oder Shanghai versammeln, um Musik zu feiern. Da geht es nicht darum, wie viele Menschen von ihnen einen BMW kaufen würden. Da geht es um „Corporate Citizenship“, um unsere Verantwortung und Haltung.

nmz: Inwieweit gilt das auch für den „Jazz Award“ und den dazugehörenden Nachwuchspreis?

Girst: Es gibt einen bösartigen Witz, der zugleich der kürzeste ist, den ich kenne. „Was sagt der Rockmusiker zum Jazzer? Taxi, zum Flughafen bitte!“ Will heißen: Die Entlohnung der Jazzer steht in keinem Verhältnis zum kulturellen Beitrag des Jazz weltweit. Was uns wichtig war: Es obliegt auch unserer Verantwortung, etwas für jüngere, nicht so exponiert tätige Musiker vor Ort zu tun. Deswegen ist der Nachwuchspreis „Young Artist Jazz Award“ eine schöne Erweiterung des internationalen „BMW Welt Jazz Award“ selbst. Auch hier geht es nicht nur um das rein Monetäre. Vielmehr haben wir den Preis ganz bewusst an konkrete Aufführungsmöglichkeiten gebunden: beispielsweise in der Münchner Unterfahrt oder bei den Jazztagen Leipzig, die wir ja ebenso fördern. Wir nutzen unser Netzwerk, um jungen Musikern die Möglichkeit zu geben, zu spielen. Wir reden nicht nur, sondern handeln. Das freut mich persönlich sehr.

nmz: Wie unabhängig sind die Entscheidungen der Jury?

Girst: In allen Prozessen sind wir vollkommen offen und transparent. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir von BMW nicht in der Jury vertreten sind. Keine einzige Jury-Stimme nimmt BMW-Interessen wahr. Das ist mir ganz wichtig, damit nirgends auch nur ein Hauch von Geschmäckle hereinkommt. Die Preisträger kommen aus Ländern, wo wir im Kerngeschäft mehr für den Absatz tun sollten? Das kann und darf es nicht geben.

nmz: Hat das auch mit Wertschätzung zu tun?

Girst: Absolut. Wir gehen davon aus, dass unsere Partner ebenfalls auf Wertschätzung und Neugierde setzen. Auch diese Werte machen eine langfristige Partnerschaft aus. Es ist schön, wenn ein Partner feststellt, dass wir als Automobil-Hersteller viele interne Klangdesigner damit beauftragen, etwa den Sound für elektrifizierte Automobile zu entwerfen. Das ist ein spannendes Knowhow und tolles Netzwerk bei BMW. Ob Musik in einem Windkanal, was die Bayerische Staatsoper einmal bei uns angefragt hat, oder die Zusammenarbeit der Münchner Philharmoniker mit unseren Klangkünstlern:

Da wird gemeinsam die Zukunft entwickelt und gestaltet, mit neuen, anderen Mitteln. Die Zukunft muss sein: weniger elitär und mehr divers. Sonst droht ein Verrat an der Kultur, der in den nachfolgenden Generationen nicht mehr wettzumachen ist. Es entscheidet sich jetzt, ob man Menschen für Kultur begeis­tern kann oder die nächste Generation im Stich lässt. Sie wird nicht rein aus der Elite stammen.

nmz: Nun leben wir aber in schwierigen Zeiten. Diesel-Skandal, E-Mobilität, Klimawandel, Corona-Pandemie: Auch für BMW sind die Herausforderungen gewaltig. Wird es auch in den nächsten 50 Jahren dieses Kulturengagement geben?

Girst: Davon gehe ich fest aus. Unser Kulturengagement ist unabhängig vom Aktienkurs, und wir haben langfris­tige Verträge mit unseren Partnern. Da sind wir wieder bei der Zuverlässigkeit und Kontinuität: In unserer langen Geschichte sind wir noch nie vertragsbrüchig geworden. Dass man Kultur wie auch Unternehmen stets neu denken muss, ist klar. Der Blick ist nach vorne gerichtet, und es wird gewiss neue Allianzen geben. Es gibt jedoch ein klares Bekenntnis zur Kultur, in guten wie in schlechten Zeiten. Auch das zeichnet eine Partnerschaft aus.

  • Interview: Marco Frei

 

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