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11.11.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Leipziger Literarischer Herbst startet wahrscheinlich zum letzten Mal +++ Vorpommersche Landesbühne erstmals mit eigenem Kabarett-Programm +++ Der Schauspieler und «Vorleser» Gert Westphal ist gestorben


Leipziger Literarischer Herbst startet wahrscheinlich zum letzten Mal
Leipzig (ddp-lsc). Mit einer Lesung der Schriftstellerin Elke Heidenreich beginnt am 21. November 2002 der «12. Leipziger Literarische Herbst». Unter dem Motto «Beziehungsweise: verwandt» laden Cafés, Bibliotheken, Museen und Galerien sechs Tage lang zu Lesungen, Diskussionen und Vorträgen ein, wie die Veranstalter am Montag mitteilten.
Doch die Stimmung ist getrübt, denn der diesjährige «Literarische Herbst» könnte der letzte seiner Art gewesen sein. Der Hauptgeldgeber - die Stadt Leipzig - wird im kommenden Jahr wahrscheinlich nur noch 17 000 Euro für das Literaturfest zur Verfügung stellen. Das sind rund 30 000 Euro weniger als in diesem Jahr. Leipzigs Beigeordneter für Kultur, Georg Giradet, sagte am Montag in Leipzig, die Stadt befinde sich in einer außerordentlich schwierigen Situation. Man habe sich entschlossen, im Bereich Literatur zu kürzen, wo es mit «Leipzig liest» und dem «Leipziger Literarischen Herbst» zwei Festivalangebote gibt.
«Wir müssen damit rechnen, dass es möglicherweise der letzte Herbst ist», räumte Giradet ein. Dennoch sei nicht ausgeschlossen, dass es mittels Sponsorengeldern gelinge, auch im kommenden Jahr wieder einen «Literarischen Herbst» zu veranstalten. Diesen Optimismus konnte der Projektleiter des «Leipziger Literarischen Herbstes», Thomas Wegmann, jedoch nicht teilen: «Meine Information ist, dass es im nächsten Jahr keinen Herbst mehr geben wird», sagte er. Wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage sei er nicht optimistisch, dass es ausreichend Sponsorengelder geben wird.
Für das diesjährige Literaturfest versprach Thomas Wegmann 39 interessante Veranstaltungen rund um das Thema Familie. So wird am 23. November um 18.00 Uhr Péter Esterházy in der Alten Handelsbörse über seine «Sippschaft» berichten. Die Moderation dieser Lesung übernimmt die Literaturkritikerin Sigrid Löffler. Ihr Kommen haben auch der Lyriker Reiner Kunze und der Schauspieler Henry Hübchen.
Den größten Teil des Literaturfestes werden Lesungen ausmachen. Außerdem sind eine Diskussionsrunde zum Thema «Wie viel Familie braucht der Mensch» unter anderem mit Generation-Ally-Autorin Katja Kullmann und ein Dia-Vortrag zu den Familienverhältnissen der Comic-Familie um Donald und Dagobert Duck geplant. Mit dem Auftritt zweier irischen Autoren und dem jüdischen Schriftsteller Aharon Appelfeld zeigt der «Leipziger Literarische Herbst» auch in diesem Jahr internationale Offenheit.
(www.leipziger-literarischer-herbst.de)

Vorpommersche Landesbühne erstmals mit eigenem Kabarett-Programm
Zinnowitz (ddp-nrd). Die Vorpommersche Landesbühne in Anklam wartet in dieser Spielsaison zum ersten Male mit einem eigenen Kabarett-Programm auf. Den Auftakt dazu liefern am kommenden Freitag Studenten der Theaterakademie in der Zinnowitzer «Blechbüchse» mit der Eigenproduktion «Kabarett is Hände hoch!», wie Intendant Wolfgang Bordel am Montag mitteilte.
Die Nachwuchsschauspieler hatten das Stück unter Anleitung des Leiters des Berliner Kabaretts «Kartoon», Peter Tepper, geprobt. Sie nehmen aktuelle Ereignisse auf die Schippe, greifen aber auch Stücke von «Klassikern» wie Erich Kästner und Kurt Tucholsky auf. Nach Bordels Angaben soll es künftig weitere hauseigene Kabarettabende in der Vorpommerschen Landesbühne geben.

Der Schauspieler und «Vorleser» Gert Westphal ist gestorben
Hamburg (ddp-nrd). Er war die Stimme Goethes, Thomas Manns und Theodor Fontanes. Kritiker feierten ihn als «akustisches Ein-Mann-Theater» und «König der Vorleser». Tatsächlich lernte Gert Westphal schon vor dem Schulbesuch lesen - weil er anderen vorlesen wollte. Rezitieren war seine lebenslange Leidenschaft, der er auf der Theaterbühne und im Plattenstudio frönte. Nun ist der Schauspieler, der auch ein anerkannter Regisseur war und als Berufsbezeichnung «Vorleser» angab, gestorben. Er wurde 82 Jahre alt.
Westphals treuem Publikum wird der Abschied schwer werden. Wer ihn einmal gehört hatte, geriet ins Schwärmen. Mit sonorer, wandlungsfähiger Stimme, mit eigenem Rhythmus machte er Bilder hörbar und faszinierte über Stunden große Auditorien. Die Zuhörer folgten ihm willig in die Welt der Bücher. Bis fast zuletzt hatte der Schauspieler so Literatur auf seine ganz besondere Weise vermittelt.
Er hinterlässt ein umfangreiches Werk - Hunderte von Hörbüchern hat Westphal mit seiner unverwechselbaren Art des Vortrags eine besondere Prägung verliehen. Fast das gesamte erzählerische Werk seiner drei Lieblingsautoren - Goethe, Fontane, Thomas Mann – hat Westphal vorgelesen. Er bearbeitete Rilke, Oscar Wilde, Tolstoi, John Steinbeck und Jean Anouilh für den Hörfunk. Noch mit 80 stand Westphal bei Radio Bremen stundenlang am Mikrofon, las Manns «Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull»- und versprach sich dabei fast nie. Arbeit, sagte er, sei für ihn «mit dem Leben identisch».
Gert Westphal, am 5. Oktober 1920 in Dresden geboren, hatte sich nach Schulbesuch und Kriegserfahrung der Schauspielerei zugewandt. Sein erstes Engagement bekam er in Bremen. Ab 1948 leitete er die Hörspielabteilung bei Radio Bremen, inszenierte aber parallel an Theatern in Hamburg, Stuttgart und Zürich. Nächste Station war der Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden.
Die Initialzündung für Westphals Arbeit als «Stimmschauspieler» geht auf den Filmregisseur Max Ophüls zurück. Er regte ihn zu jenen epischen Hörspielproduktionen an, die zum Markenzeichen Westphals werden sollten.
Aber auch als Schauspieler blieb Westphal aktiv. Von 1950 bis 1980 gehörte er zum Ensemble des Zürcher Schauspielhauses. Im Konzertsaal interpretierte er Strawinskys «Oedipus Rex», Honeggers «König David» und Schönbergs «Gurre-Lieder». In der Dresdner Semperoper wurde er 1990 mit Goethes «Reineke Fuchs» gefeiert.
Westphals Werk wurde vielfach mit Auszeichnungen gewürdigt, darunter mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Deutschen Schallplattenpreis. Der Schweizer Kanton Zürich, wo er seit den 60er Jahren lebte, ehrte ihn mit seinem Literaturpreis. Westphal hatte auch die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen. Im Januar 2003 wollte Gert Westphal im Liechtensteiner Theater am Kirchplatz Hermann Hesse lesen. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Der «Vorleser» schweigt für immer.
Cornelia Krüger
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