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Heinrich-Mann-Preis wird an Wolfgang Schivelbusch verliehen +++ Mülheimer Dramatikerpreis für Fritz Kater - Ehrung im Ringlokschuppen +++ Ehemaliger Grenzübergang Marienborn wird zur Bühne für Theaterstück zum 17. Juni 1953
Heinrich-Mann-Preis wird an Wolfgang Schivelbusch verliehenBerlin (ddp-bln). Der Autor und Literaturwissenschaftler Wolfgang Schivelbusch erhält am Sonntag den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste (AdK) in Berlin. Die mit 8000 Euro dotierte Auszeichnung wird von AdK-Präsident Adolf Muschg verliehen.
Schivelbusch wurde 1941 in Berlin geboren und lebt in New York und Berlin. Bekannt wurden unter anderem seine Bücher «Geschichte der Eisenbahnreise» (1977), «Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft» (1980) und «Vor dem Vorhang. Das geistige Berlin 1945-1948» (1995). Die Jury begründete ihre Entscheidung mit «der ungewöhnlichen Fähigkeit Schivelbuschs, die Blickrichtung auf seine Untersuchungsgegenstände immer wieder zu wechseln, verschiedene, miteinander konkurrierende Perspektiven und immer neue Fragen gelten zu lassen». Vorjahrespreisträger war der Publizist Götz Aly.
Mülheimer Dramatikerpreis für Fritz Kater - Ehrung im Ringlokschuppen
Mülheim/Ruhr (ddp). Der Autor Fritz Kater wird am 24. Juni mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2003 geehrt. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung für das Stück «zeit zu lieben, zeit zu sterben» wird im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Mülheimer Ringlokschuppen übergeben, wie die Mülheimer Theatertage NRW am Freitag mitteilten.
Kater erhielt von der Jury in öffentlicher Sitzung drei Stimmen, ebenso viele wie Roland Schimmelpfennig («Vorher / Nachher», Schauspielhaus Hamburg). Ausschlaggebend für die Entscheidung war letztlich die bessere Platzierung von Kater - hinter der sich der Regisseur Armin Petras verbirgt - im Publikumsvotum. Katers Stück, ein «szenisches Triptychon aus der Zeit des real gerade noch existierenden Sozialismus», wurde am Thalia Theater Hamburg uraufgeführt.
Das Preisträgerstück wird bei den Salzburger Festspielen am 29. und 30. August aufgeführt. Die Mülheimer Theatertage «Stücke» - das Forum deutschsprachiger Gegenwartsdramatik - finden seit 1976 jeweils im Mai/Juni statt. Bewertet werden neue Stücke und nicht die Inszenierungen. In diesem Jahr kamen rund 3000 Besucher zu den Theatertagen, die vom 17. Mai bis zum 5. Juni stattfanden und sieben Stücke präsentierten.
Ehemaliger Grenzübergang Marienborn wird zur Bühne für Theaterstück zum 17. Juni 1953
Marienborn (ddp-lsa). Mit den Ereignissen des 17. Juni 1953 hat der einstige Grenzübergang Helmstedt-Marienborn an der deutsch-deutschen Grenze wenig zu tun. «Dieser Ort symbolisiert aber die Folgen des Volksaufstandes, vom Mauerbau bis hin zu Wende im Jahr 1989», erläutert Regisseur Wolfgang Bunge. Aus diesem Grund sei die Anlage der ehemaligen Grenzstation zwischen den zwei deutschen Staaten als Ort für die Inszenierung des Open-Air-Theaters «53-06-17 Die Norm muß weg» gewählt worden. Das Stück, dessen Premiere für Freitagabend geplant war, beschreibt anhand von sieben Einzelschicksalen die Ereignisse und Folgen des Volksaufstandes in Städten wie Berlin, Bitterfeld und Magdeburg.
«Dieser Ort reizt, weil er ein Unort war», betont Mitautor Norbert Pohlmann. Der Grenzkontrollpunkt war am 1. Juli 1945 von den alliierten Siegermächten eingerichtet worden. 1950 übernahm die DDR das Kommando. In den Folgejahren entstand der größte von sieben Kontrollpunkten entlang der deutsch-deutschen Grenze. 1996 wurde die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn eröffnet.
«Wir haben versucht alle Gebäude und das Gelände in das Stück mit einzubeziehen», erläutert Pohlmann. Das Team um Regisseur Bunge, der bereits als Intendant der Freien Kammerspiele Magdeburg für spektakuläre Open-Air-Inszenierungen bekannt ist, verwandelte den alten Grenzkontrollpunkt an der A 2 in eine große Freilichtbühne. Rund um den Vorplatz hängen Porträts von Streikteilnehmern und Banner mit Parolen wie «Jede Rübe ein Meilenstein zum Sozialismus» und «Butter statt Kanonen». Drüber huschen rund 40 Statisten aus Ost und West. Auch Original-Fahrzeuge aus den 50er Jahren brausen über die Szenerie.
«Auf die Idee zu dem Stück bin ich vor zwei Jahren bei einer Veranstaltung zum 17. Juni 1953 hier in Marienborn gekommen», sagt Pohlmann. Bei den anschließenden Recherchen setzte er sich eingehend mit dem Thema auseinander. Erstaunt sei er vor allem über die unterschiedlichen Forderungen der Streikenden gewesen: «Sogar die Einführung eines Waschtags für die Frau wurde verlangt.» Trotzdem sei am 17. Juni eine «kurze Zeit der Gemeinsamkeit» entstanden, die allerdings schon einen Tag später mit Panzern abgewürgt wurde.
«In den Folgejahren war in der DDR eine Auseinandersetzung mit dem Volksaufstand tabu», fügt Regisseur Bunge hinzu. Dies bekam er in den 80er Jahren selbst zu spüren. Ein von ihm inszeniertes Stück zum 17. Juni durfte nicht am Berliner Ensemble aufgeführt werden. Im Westen sei der Volksaufstand anfänglich instrumentalisiert, aber später in Vergessenheit geraten. «Unsere Statisten wissen beispielsweise nur wenig über den 17. Juni 1953», betont der Regisseur. Die Neugier sei aber sehr groß.
Die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, die das Theater-Spektakel mit initiiert und ein Rahmenprogramm mit Vorträgen und Filmen in Marienborn organisiert hat, registriert ebenfalls ein gestiegenes Interesse zum 50. Jahrestag des Volksaufstands. «Wir sind überrascht, wie sehr die Nachfrage nach Publikationen und Veranstaltungen zu dem Thema angestiegen ist», sagt Direktor Bernd Lüdkemeier. Ein Sammelband zu den Ereignissen am 17. Juni 1953 in Magdeburg und Halle sei beispielsweise binnen zwei Wochen vergriffen gewesen. Nun hofft Lüdkemeier, dass die «eigentliche Auseinandersetzung mit dem 17. Juni 1953 jetzt erst richtig beginnt».
Mirko Hertrich