Musik und Licht bei der 76. Greifswalder Bachwoche +++ Musikfestival «Kissinger Sommer» mit Rattle und Nagano +++ Buh-Rufe als Gütezeichen: «Meistersinger»-Premiere in Berlin +++ Dresdner Musikfestspiele beendet - Erstmals Herbst-Nachspiel +++ 100. Händel-Festspiele Halle mit Zehntausenden Besuchern +++ Chanson-Festival feiert in Wandlitz Brassens - erstmals mit Konzert in Polen
Musik und Licht bei der 76. Greifswalder Bachwoche
Greifswald - Die 76. Greifswalder Bachwoche geht der Frage nach, ob sich Licht in Töne fassen lässt. Bis Sonntag wollen Musiker in täglichen Konzerten Antworten darauf suchen, wie die Veranstalter des ältesten Musikfestivals in Mecklenburg-Vorpommern zum Auftakt am Montag mitteilten. Das Festival, das traditionell geistliche Musik in den Mittelpunkt stellt, hat dieses Jahr das Motto «Bach illuminiert».
Am Eröffnungsabend stand Johann Sebastian Bachs Johannespassion im Greifswalder Dom auf dem Programm. «Die Bachwoche nimmt ihren Ausgangspunkt im Dunkel des Karfreitags und führt von dort aus hin zu Bachs lichtvollem Oster-Oratorium im Festgottesdienst am abschließenden Sonntag», erklärte Dompastor Tilman Beyrich. Den chorsinfonischen Höhepunkt des Festivals bilde am Samstag das Oratorium «The Light of Life» (Das Licht des Lebens) von Edward Elgar. Die Aufführung finde ebenfalls im Dom statt.
In den täglichen Morgenmusiken der Bachwoche stehen den Angaben zufolge Kantaten im Mittelpunkt, die vom Licht erzählen. Angekündigt sind zudem eine «Nacht der Lichter» mit Taizé-Gesängen und eine Tanz-Performance, bei der Sängerinnen und Sänger tänzerisch die Welt der Träume ausleuchten wollen. Orgel-, Jazz- und Brass-Konzerte sowie ein Kinderkonzert und ein abendliches Überraschungskonzert vor dem angeleuchteten Dom sollen außerdem für Abwechslung sorgen.
Musikfestival «Kissinger Sommer» mit Rattle und Nagano
Ob Dirigent Kent Nagano oder Pianist Sir András Schiff: Beim «Kissinger Sommer» treffen sich jährlich die Stars der Klassikwelt. Sie begeben sich auf kaiserlich-königliche Spurensuche.
Bad Kissingen (dpa/lby) - Unter Leitung des neuen Intendanten Alexander Steinbeis beginnt an diesem Freitag (17. Juni) das renommierte Musikfestival «Kissinger Sommer». «Wien. Budapest. Prag. Bad Kissingen» - diesmal sollen Komponisten und Musiker aus den Regionen der ehemaligen K.-u.-k.-Monarchie (kaiserlich und königlich) im Vordergrund stehen. Das Festival findet zum 36. Mal im unterfränkischen Bad Kissingen statt - heuer bis zum 17. Juli. Jungen Talenten dient ein Auftritt hier oft als Sprungbrett für eine internationale Karriere.
Der gebürtige Münchner Steinbeis hat seit diesem Veranstaltungsjahr die künstlerische Leitung inne. Davor war er 13 Jahre lang Direktor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.
Die Konzerte finden in der Welterbe-Stadt traditionell vor oder in eleganter Kulisse statt - im Regentenbau, dem Kurtheater, im Arkadenbau oder im Luitpoldbad sollen die Besucher musikalisch ins 18. Jahrhundert eintauchen. Mit dem Schwerpunkt auf Österreich, Ungarn und Böhmen betonen die Organisatoren unter anderem die reichhaltige Geschichte prominenter Kurgäste wie der Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, Sisi.
Im vergangenen Jahr war Bad Kissingen von der Unesco als Teil des neuen Welterbes «Große Bäder Europas» aufgenommen worden. Als Welterbe werden nur Kultur- und Naturstätten von herausragendem universellen Wert ausgezeichnet. Die «Großen Bäder Europas» sind Kurorte, die vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert internationale Bedeutung erlangten.
Das Festival wurde 1986 zum ersten Mal ausgerichtet. Seither strömen auch tausende ausländische Gäste in die Kurstadt.
Die Veranstaltungsreihe bietet heuer fast 70 Orchesterkonzerte, Kammerkonzerte, musikalische Lesungen und Künstlergespräche. Zu hören sein werden unter anderem das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin mit Dirigent Kent Nagano, die Wiener Symphoniker, das Franz Liszt Kammerorchester, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der in Budapest geborene Pianist Sir András Schiff. Der britische Dirigent Sir Simon Rattle soll am Klavier seine Frau, die tschechische Opernsängerin Magdalena Kožená, begleiten.
Buh-Rufe als Gütezeichen: «Meistersinger»-Premiere in Berlin
Berlin (dpa) - Neben seinem ausgeprägten Antisemitismus sind es etwa penetrante Deutschtümelei und häufige Frauenverachtung, die den Genuss von Richard Wagners Opern als Gesamtkunstwerke oft erschweren. So sind «Die Meistersinger von Nürnberg» nicht nur ein über viereinhalb Stunden packender Gesangswettbewerb, sondern gehören wegen des Anspruchs eines finalen Gründungsmanifests deutschnationaler Kunst auch zu den umstrittensten Werken Wagners (1813-1883).
Die Deutsche Oper in Berlin hat die Aufgabe einer neuen Inszenierung dem in der Vergangenheit mit Auszeichnungen überschütteten Trio Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito überlassen. Für die Premiere gab es am Sonntagabend Ovationen - und einige Buh-Rufe für die Regie. Kommentar einer Premieren-Besucherin: «Wenn du nach 'ner Wagner-Premiere ausgebuht wirst, weißt du, dass du was richtig gemacht hast.»
Wieler, Viebrock und Morabito legen die Handlung in ein hochschulartiges Institut. Kostüme und Corona-Schutzmasken im Chor - wie im Parkett nur von einigen wenigen Mitgliedern getragen - übernehmen den aktuellen Bezug. Der Streit der Sangesmeister erinnert so an das Buhlen in Unis um Professuren, der gebeutelte Gesangsschüler David (Ya-Chung Huang) scheint ein Vorläufer des wissenschaftlichen Nachwuchses, der unter dem Hashtag #ichbinHanna Ausbeutung thematisiert.
Der singende Meister Hans Sachs (Johan Reuter) ist auch Schuster, in der Inszenierung wird er die halbe Bühnenmannschaft mit jenen knallbunten offenen Kunststoffschuhen ausstatten, die als «Crocs» um die Welt ziehen. Seine heimliche Liebe Eva (Heidi Stober) hat sich inzwischen in den feschen Walther von Stolzing (Klaus Florian Vogt) verknallt. Der ist zwar kein Meistersinger, kann sich dank einer liebestaumelnden Komposition aber im gesungenen Wettstreit durchsetzen.
Die Inszenierung setzt Wagners gelegentlicher Schwere immer wieder ironische Brechungen und auch derbe Interpretationen entgegen. Nächtliche Ausgelassenheit wird so zu einer ballettartigen Orgie, die sich über den Bühnenhintergrund zieht, während vorn gesungen wird. Zum Wettstreit wird das Bühnenpublikum aus dunkler Nacht in den Saal geweht. Das national überhöhte Finale relativiert das Regieteam durch ein wirr-entrücktes Jubeln des Chores.
Anhaltenden Beifall gab es für Solisten, Chor und Orchester. Unmut erregten wohl einige Ungenauigkeiten von Dirigent Markus Stenz. Er hatte kurzfristig für den erkrankten Generalmusikdirektor Sir Donald Runnicles die musikalische Leitung übernommen.
Dresdner Musikfestspiele beendet - Erstmals Herbst-Nachspiel
Dresden (dpa) - Die Dresdner Musikfestspiele haben nach zwei eingeschränkten Pandemie-Ausgaben eine fast normale 45. Saison verbucht. Rund 42 000 Besucher in viereinhalb Wochen seien ein «sensationelles Ergebnis», die Auslastung der insgesamt 65 Konzerte lag bei 85 Prozent, sagte Intendant Jan Vogler der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Dabei begann der Vorverkauf verspätet im Februar statt Oktober und die Säle wurden erst drei Wochen vor dem Auftakt komplett freigegeben.
«Von den 25 000 zusätzlichen Karten konnten wir die meisten noch verkaufen», berichtete Vogler. Er sprach von «so viel Dynamik wie noch nie» während der Festspiele, die unter dem Motto «Zauber» standen und mit einem Konzert am Freitagabend zu Ende gegangen sind. Auch die Ticketeinnahmen in Höhe von 1,4 Millionen Euro belegten die erfolgreiche Bilanz. Für die Jahre vor Corona stehen 46 000 bis 47 000 zahlende Besucher und 93 Prozent Auslastung zu Buche.
Die Menschen hätten Lust auf besondere Erlebnisse, «sie wollen ihre Lieblingskünstler hören, mitgerissen werden, gemeinsam feiern», sagte Vogler. Mit Konzerten dreier amerikanischer Spitzenorchester gehen die Musikfestspiele im Herbst erstmals in Verlängerung. Am ersten September-Wochenende gastieren das Pittsburgh Symphony Orchestra mit Dirigent Manfred Honeck und Pianistin Hélène Grimaud, das Philadelphia Orchestra mit dem Musikdirektor der New Yorker Met, Yannick Nézet-Séguin, und Geigerin Lisa Batiashvili sowie das Cleveland Orchestra unter Leitung von Franz Welser-Möst. Der Vorverkauf beginnt Montag.
Die Musikfestspiele setzen laut Vogler auch künftig auf große Genrevielfalt, um ein breites Publikum zu erreichen. «Wir wollen die Schwelle niedriger machen bei hoher Qualität», beschrieb er seinen Anspruch, als Intendant und Cellist. «Ich habe während der Pandemie gelernt, dass wir manchmal in der Klassik zu viel voraussetzen.» Auch bei der 46. Saison (18. Mai bis 18. Juni 2023) werde es da viele Überraschungen geben.
100. Händel-Festspiele Halle mit Zehntausenden Besuchern
Halle (dpa/sa) - Live und mit viel Publikum: Nach zwei Jahren coronabedingter digitaler Angebote per Computer haben Zehntausende Fans der Barockmusik die 100. Händel-Festspiele in Halle besucht. «Es ist ein großartiges Jubiläumsfest geworden, mit einer wunderbaren, tollen Atmosphäre», sagte der Intendant der Festspiele, Clemens Birnbaum, am Sonntag der dpa. Besucher hätten sich kurzfristiger für den Kauf von Karten entschieden als «vor Corona», als Tickets lange im Voraus gebucht wurden.
2018/2019 wurden den Angaben zufolge jeweils rund 58 000 Festivalbesucher gezählt. «Da kommen wir in diesem Jahr wohl nicht ganz ran», sagte der Intendant zur vorläufigen Bilanz. Am Sonntag standen weitere Veranstaltungen und am Abend das traditionelle Open-Air-Abschlusskonzert des 17-tägigen Festivals auf dem Programm. Das Fest umfasste 100 Veranstaltungen wie Opern, Konzerte, Oratorien und Angebote für junges Publikum.
Der Barockkomponist Georg Friedrich Händel (1685-1759) wurde in Halle geboren. Er lebte größtenteils in London, wo er auch starb. Händel war laut Experten zu seiner Zeit ein Super-Star. Bis heute wird Händels Musikschaffen weiter erforscht, Stücke werden weltweit gespielt. Zu den berühmten Werken im reichen Opern- und Oratorienschaffen des Komponisten zählen das Kirchenmusikstück «Messiah» ebenso wie die «Feuerwerksmusik».
2023 sind die Festspiele in Halle vom 26. Mai bis 11. Juni geplant. Schwerpunktthema ist die Oper, wie Birnbaum sagte. Hintergrund ist ein Streit zu Händels Zeiten um die Finanzierung und den Wert der Kultur insgesamt in der Gesellschaft. Das Thema sei heute angesichts knapper Kassen und steigender Kosten aktueller denn je, sagte er.
Während der 100. Händel-Festspiele hätten die Besucher das vielfältige Programm mit großer Begeisterung angenommen. «Die Künstler haben es ebenso genossen, die Atmosphäre im direkten Kontakt zum Publikum», sagte Birnbaum. 2020 war die Corona-Pandemie in Sachsen-Anhalt angekommen. Aus Infektionsschutzgründen wurden bundesweit Festivals abgesagt. 2022 kamen laut dem Intendanten Händel-Fans aus Deutschland, den Niederlanden, England, Frankreich, Japan und den USA nach Halle.
Chanson-Festival feiert in Wandlitz Brassens - erstmals mit Konzert in Polen
Es ist schon eine Tradition: Zum 19. Mal feiert das Chanson-Festival in Basdorf den unvergessenen Georges Brassens. Und dieses Mal weit über den Wandlitzer Ortsteil hinaus.
Wandlitz (dpa/bb) - Liebhaber französischer Chansons kommen von Donnerstag an wieder auf ihre Kosten: Vier Tage lang lassen Musiker aus sechs Ländern beim «19. Chanson-Festival Brassens Basdorf» den Sänger Georges Brassens (1921-1981) hochleben. Gesungen und gespielt wird an mehreren Orten, in diesem Jahr zum ersten Mal auch in Polen.
Das Festival im Wandlitzer Ortsteil Basdorf gibt es seit 2004. Es erinnert daran, dass Brassens als junger Mann während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1943 und 1944 ein Jahr als Zwangsarbeiter in Basdorf lebte und in einer Flugzeugmotorenfabrik arbeiten musste. Damals schrieb er seine ersten Lieder. Mehr als 40 Jahre nach seinem Tod ist Brassens unvergessen, in Frankreich sind seine Texte Schulstoff, viele Straßen und Plätze sind dort nach ihm benannt.
Eröffnet wird das Festival am Donnerstagabend in Basdorf (Eventcafé Petticoat), wo auch wieder der als «singender Bürgermeister» bekannte Ortsvorsteher Peter Liebehenschel zur Gitarre greifen wird. Am selben Abend gibt es zwei weitere Eröffnungskonzerte im Bürgerhaus Glienicke und in der Kunstfabrik Schlot in Berlin.
Am Freitag reist ein Teil der Musiker zu einem Auftritt nach Chojna Polska gleich hinter der deutschen Grenze am rechten Oder-Ufer. Dort lebt die französische Sängerin Sandie Gibouin, die voriges Jahr zum ersten Mal in Basdorf auftrat. Wem das zu weit ist, auf den wartet am Freitag ein weiteres Konzert in Basdorf. Am Samstag wird im Ruderclub Tegel und auf dem Marktplatz Biesenthal musiziert, am Sonntag steht ein großes Abschlusskonzert an, wiederum in Basdorf.
Die Künstler aus Frankreich, Deutschland, Israel, Syrien, der Schweiz und Italien interpretieren Brassens' Lieder auf Französisch oder in ihren Landessprachen. Nach dem «Chanson Sommerfest» im Juni steht vom 20. bis 23. Oktober der zweite Teil des diesjährigen Festivals an.