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Neue Platte des irischen Sängers Van Morrison +++ Die Popband «Pur» startete in Köln ihre Deutschlandtournee +++ Bob Dylan startet in Hamburg seine Deutschland-Tour
Neue Platte des irischen Sängers Van Morrison
Berlin (ddp). «Ich habe keinen Hit, ich habe keine Fernsehshow», singt Van Morrison. Und mit diesem Umstand habe alles seine Richtigkeit. Er wolle schließlich kein Leben in einem «Goldfischglas» fristen, wozu Berühmtheiten verdammt seien. Das behauptet er zumindest auf seiner neuen Platte «Whats wrong with this Picture», die am Montag auf dem renommierten Jazz-Label «Blue Note» erscheint.
Die musikalische Spannweite der aktuellen CD umreißt Morrison, in den 60ern mit der Beat-Band Them («Gloria») zu Ruhm gekommen, im genannten Song über die «Goldfish Bowl»: «Jazz, Blues und Funk, ein kleines bisschen Soul». RocknRoll sei das nicht gerade, eher «Folk with a beat». Keine allzu leichte Kost, zumal es Morrisons Anliegen ist, die genannten Genres möglichst originalgetreu nachzubilden. Der Sound von «Whats wrong with this Picture» ist daher herrlich antiquiert geraten: natürliche Hallräume, schepperndes Schlagzeug, stumpfes Gebläse.
Der irische Sänger, dessen Solokarriere vor allem in den 70ern in Blüte stand, bevor er als Soul-Innovator keltischen Folk mit RnB kreuzte, liebäugelt verstärkt mit dem Jazz. Doch im Grunde ist er sich treu geblieben: ein ehrlicher Blues-Barde, dessen Hang zum Granteln mit zunehmendem Alter - im August wurde er 58 - nicht geringer wird. Davon will Morrison aber nichts wissen: Seine angebliche Miesepetrigkeit sei ein «70er-Jahre-Klischee, das sich zum journalistischen Mythos verfestigt» habe. Und schon singt er wieder über «die Zeitungsbarone», die der «letzte Abschaum» seien.
Musikalisch zumindest scheint Van Morrison seinen Frieden gemacht zu haben. Das liegt auch an den exquisiten Begleitmusikern, die er um sich geschart hat. Er habe stets mit technisch sehr guten Musikern gearbeitet, sagt er. Diese seien aber entweder dem Rock oder dem Jazz verpflichtet gewesen. «Ich mache ja schon so eine Art Mainstream-RhythmnBlues. Das muss man beide Genres beherrschen.» Seine jetzige Combo jedenfalls sei näher dran an der Band seiner Träume als alle Line-ups zuvor.
In der Tat: Bei den Sessions scheint eine entspannte Stimmung geherrscht zu haben. Die Solisten treten in munteren Austausch mit der Rhythmusgruppe und spielen sich rege gegenseitig die Bälle zu. Die 13 Songs werden mit einer einzigartigen Intensität dargeboten - passagenweise wirkt gerade das allerdings sehr ernsthaft, fast bemüht. «Wenn man nur die CD hört, ist das gar nicht gut», sagt Morrison. «Man muss zu den Konzerten gehen - zu vielen Konzerten. Ich spiele einen Querschnitt meines vielfältigen Repertoires - darin gibt es manchmal sogar Comedy! Wie viele Leute wissen das schon?»
Borsi Fust
(http://www.bluenote.de)
Die Popband «Pur» startete in Köln ihre Deutschlandtournee
Köln (ddp). Wahre Fans sitzen nicht. Sie stehen, wippen, singen zur Musik - und das bereits beim ersten Lied. «Pur» ist wieder auf Tour. Am Freitag begann die Band vor 16 000 Fans in Köln ihre Deutschlandtournee. Zwei Jahre hatten sich die Männer um Frontmann Hartmut Engler Zeit gelassen. Seit Monaten ist die nach Angaben des Veranstalters größte Hallentournee in diesem Jahr fast vollständig ausverkauft. 350 000 Fans haben sich bereits eine Karte gesichert. 14 Musiker, 17 Städte, 37 Auftritte - «Pur» wirbt für ihre neue Platte «Was ist passiert?».
Die meisten der neuen Songs sind Musik gewordene persönliche Schicksals-Erfahrungen des 41-jährigen Bandchefs. Das vergangene Jahr war für den Sänger turbulent: Der Vater starb, seine Ehe zerbrach, und er fand eine neue Liebe. In Liedern wie «Walzer für Dich», «Was ist passiert?» oder «Ich denk an Dich» wollte er diese Erlebnisse aufbereiten, sagte Engler.
Die Fans in Köln dankten es ihm. «Ich finds toll, wie er das so verarbeitet», begeisterte sich eine Mittvierzigerin aus Bonn nach dem Konzert. «Die sind so echt», pflichtete die Begleiterin bei. Was die Zeitungen schreiben, dass Journalisten sich manchmal über «Pur» lustig machen - davon will sie sich nicht stören lassen: «Ich weiß, dass eine Tageszeitung Herrn Engler mal als \'Schwäbische Arschwarze\' bezeichnet hat», zürnte sie. Das sei doch einfach nur armselig. Sie fand: «Die Melodie, die Texte - einfach klasse!»
Nach dem Applauses zu urteilen, ging es den übrigen Besuchern in der ausverkauften Kölnarena ebenso. Als Special-Guest trat die Schweizer Sängerin Nubya zur Solo- und Duetteinlage auf die Bühne. Die 28-Jährige, die die Tournee begleitet, ist die neue Freundin von Sänger Engler. Und noch ein Novum: Die Truppe aus Schwaben spielte erstmals mit Vorgruppe, in Gestalt des 23-jährigen Nachwuchstalents Tom Albrecht. Neben den neuen Liedern präsentierte «Pur» auch Altbekanntes wie «Abenteuerland», «Lena» oder «Immer noch da».
Das waren sie auch noch nach zwei Stunden, nach der zweiten Zugabe. Engler, sichtlich erleichtert: «Hey, das ist einfach geil!» So etwas Ähnliches muss er wohl auch gedacht haben, als die Band auf der Pressekonferenz vor dem Auftritt eine Überraschung überreicht bekam: Dreimal die Goldene Schallplatte für «Was ist passiert?» Das Album wurde einen Monat nach Erscheinen bereits über 450 000 Mal verkauft. So könnte die Platte nicht nur die persönlichste, sondern auch die erfolgreichste der Bandgeschichte werden.
Nils Rüdel
Bob Dylan startet in Hamburg seine Deutschland-Tour
Hamburg (ddp-nrd). Es ist die Stimme. Als er sein rauchiges «Senor» ins Mikro presst, ist das Publikum sich einig: Niemand kann das so wie Bob Dylan. Und die mehreren tausend Fans bringen das «Docks» an der Reeperbahn zum Brodeln. Unbestreitbar: Dylan ist wieder «in Town». Mit dem ersten von zwei ausverkauften Konzerten in Hamburg startete der Altmeister des Folkrock am Freitagabend seine Deutschland-Tour 2003. Den Anfang in Europa hatten Konzerte am 9. Oktober in Helsinki und ein anschließender Trip durch Schweden, Norwegen und Dänemark gemacht.
Dylan in Hamburg ist ein Muss. Auch jetzt - die vorigen Konzerte waren im Herbst 2000 und April 2002 - reicht die Schlange der geduldig auf Einlass Wartenden einmal quer über den Hamburger Kiez bis zur Reeperbahn. Im Gegensatz zu früher jedoch spielt Dylan dieses Mal nicht in einer der großen Hallen, dafür allerdings gleich zwei Abende im urigen «Docks». Die Veranstalter scheinen vorsichtiger geworden zu sein und ziehen wohl kleinere, dafür aber volle Locations vor - für die anderen Hallen auf der Tour sind noch Karten zu haben.
Ganz und gar nicht begeistert sind viele Medien von einigen Umständen bei der Deutschland-Tour: Ein absolutes Fotografierverbot des Veranstalters löste geharnischte Proteste aus. Der Journalistenverband DJV rief gar zu einem Medienboykott der Konzerte auf, weil er in den Restriktionen eine Einschränkung der Pressefreiheit sieht. Den Altmeister interessiert das wenig - er ist bekannt dafür, dass er nicht fotografiert werden will. Es gebe schon genug Fotos von ihm, bekundete er.
Als Dylan gleich rockig mit «Maggie\'s Farm» in den Abend geht, sind die Fans in ihrem Element. Bei «Senor (Tales Of Yankee Power)» kocht der Saal. Dylan und seine Mundharmonika - das gehört eben zusammen. Und als der mittlerweile 62-Jährige nach «It\'s Alright, Ma» zu «Moonlight» vom Piano an die elektrische Gitarre wechselt, toben Tausende. Dylan spielt schnörkellos und ohne große Inszenierungen. Das Ambiente im «Docks» passt dazu: schwarz, die Bühne sparsam mit nur wenigen Spotlights beleuchtet. Und wie Dylan selbst ist auch der Großteil des Publikums langsam in die Jahre gekommen - es hat ihn ja schließlich begleitet.
Zwar scheint der Altmeister im Vergleich zu den vorigen Konzerten in Hamburg ruhiger geworden. Doch die alte Energie kommt von innen. Dylan wechselt mit seinen Titeln zwischen Rock, getragenem Blues und rasanten Boogie-Elementen. Doch vor allem eines beeindruckt nach wie vor: Er spielt die Gewalt seiner Stimme voll aus, geht immer wieder bis an die Grenzen. Dabei agiert die Band in perfekter Professionalität, erzeugt mit wenig Bewegung streckenweise ein Tempo, das atemberaubend ist: Larry Campbell (Gitarre, Slide-Gitarre, Zither), Freddie Koella (Gitarre), Tony Garnier (Bass) und George Recile (Schlagzeug). Ihre Soli begeistern die Fans, die vor allem die herausragenden Bässe honorieren.
Als mit «Summer Days» von Dylans bereits 43. Scheibe, dem 2001er Album «Love And Theft», nach anderthalb Stunden der offizielle Teil vorbei ist, haben die Fans noch lange nicht genug. Dylan belohnt sie mit drei Zugaben. Doch nicht wie sonst das legendäre «Blowin\' In The Wind», das wohl bekanntest Stück aus seiner Feder, bekommen die jubelnden Anhänger zu hören. Dieses Mal ist es nach «Cat\'s In The Well» das fast ebenso berühmte «Like A Rolling Stone». Und mit «All Along The Watchover» verabschiedet sich der Ausnahmemusiker nach gut zwei Stunden, kurz und knapp mit Verbeugung und einem «Thank you». Dylan ist über Hamburg gerollt, eben «Like A Rolling Stone».
Die Deutschland-Tour führt Dylan bis Anfang November in insgesamt sieben Städte. Nach Hamburg sind dies: 20.10. Berlin, 22.10. Leipzig, 29.10. München, 5.11. Freiburg, 6.11. Frankfurt und 8.11. Düsseldorf.
Michael Best