Donaueschinger Musiktage feiern 100. Geburtstag +++ Oedipus im Blutbad - Ovationen zum Saisonstart der Komischen Oper Berlin +++ Schlussakkord in Kiel für Schleswig-Holstein Musik Festival +++ Wetter macht Kunstfest Weimar zu schaffen - Goethe-Medaillen verliehen +++ Lottomittel für literarische Kammerkonzerte in Potsdam +++ Publikum ist zurück: Letztes Weltstars-Konzert in Redefin ausverkauft
Donaueschinger Musiktage feiern 100. Geburtstag
Donaueschingen (dpa) - Die Donaueschinger Musiktage werden 100 Jahre alt und wollen das gebührend feiern. Das traditionsreiche Festival für Neue Musik läuft im Jubiläumsjahr erstmals über volle vier Tage und plant zwischen dem 14. und 17. Oktober unter anderem 27 Uraufführungen. «Man kann 100 Jahre Donaueschingen nur feiern, indem man Experimente, Unvollendetes und Unabgeschlossenes auf die Bühne bringt», sagte Festivalleiter Björn Gottstein laut Mitteilung des SWR vom Montag. Den Auftakt der Musiktage bildet ein Festakt mit Musik von Paul Hindemith und einem neuen Werk des jungen polnischen Komponisten Mikolai Laskowski.
Das Festival war im vergangenen Jahr wegen Corona abgesagt worden. Nahezu das gesamte damals geplante Programm werde nachgeholt - dies aber erst im kommenden Jahr, wie ein SWR-Sprecher sagte. Dann stehen die Donaueschinger Musiktage bereits unter neuer Leitung: Im Frühjahr 2022 übernimmt die Musikwissenschaftlerin und Kuratorin Lydia Rilling den Posten von Gottstein.
Die Donaueschinger Musiktage gelten als das weltweit älteste und bedeutendste Festival für Neue Musik. Sie werden unter anderem vom SWR, von der Kulturstiftung des Bundes, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Donaueschingen gefördert.
Oedipus im Blutbad - Ovationen zum Saisonstart der Komischen Oper
Berlin (dpa) - Oedipus geht um in Berlins Opern. Drei Tage nach dem Saisonauftakt der Deutschen Oper mit «Greek» von Komponist Mark-Anthony Turnage eröffnete am Sonntagabend auch die Komische Oper ihre Spielzeit mit dem klassischen Stoff um Vatermord und Mutterehe. Die «Œdipe»-Version des rumänischen Komponisten George Enescus, von der Oper in einer Reihe gesehen mit Alban Bergs «Wozzeck» oder Claude Debussys «Pelléas et Mélisande», wurde vom Premierenpublikum frenetisch gefeiert.
Den mit anhalten Bravo-Rufen und Standing Ovations bedachten Erfolg sicherten vor allem zwei Akteure. Der britische Bariton Leigh Melrose ist in der Titelrolle ein Erlebnis des Musiktheaters. Seine Stimme und das Spiel bilden einen eindrucksvollen Rahmen für das düstere Schicksal der mythologischen Gestalt.
Auf Oedipus wartet in der Inszenierung von Evgeny Titov ein wahres Blutbad. Der russische Regisseur lässt das Ensemble den Stoff in einem blechverkleideten Kubus spielen. Eine Vertiefung im Zentrum nimmt all das Blut von der Geburt des tragischen Helden bis zum Mord am Vater auf, die Pest in der Stadt rinnt als schwarze Flüssigkeit die Wände herab. Über allem schwebt das kalte Licht von Neonröhren - es ist das Ungeheuer Sphinx, das die Stadt belagert.
Intendant Barrie Kosky freute sich über einen coronabedingt «erstmals seit 18 Monaten voll besetzten Orchestergraben». Dort sorgten Generalmusikdirektor Ainars Rubikis und das Orchester für einen musikalisch hochklassigen Abend, auch dafür gab es viel Applaus.
Der Chor der Bewohner Thebens wirkte vom zweiten Rang aus. Damit steckte das Publikum fest zwischen zwei stark emotionalisierenden Ebenen: der akustisch so noch verstärkten Stimmgewalt des Chores und der schaurigen Handlung auf der beklemmend bildgewaltigen Bühne.
Schlussakkord in Kiel für Schleswig-Holstein Musik Festival
Kiel (dpa/lno) - Mit einem ausverkauften Abschlusskonzert ist das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) am Sonntagabend zu Ende gegangen. 1100 Besucher durften angesichts der Corona-Vorgaben zum Auftritt des russischen Pianisten Daniil Trifonov mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Chefdirigent Alan Gilbert in das Kieler Schloss kommen. Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 und die Sinfonie «Das Unauslöschliche» des dänischen Komponisten Carl Nielsen standen auf dem Programm.
Intendant Christian Kuhnt hatte eine positive Bilanz gezogen. Mit 89 Prozent Auslastung sei das Vor-Corona-Niveau fast erreicht worden. Von 113 000 verfügbaren Tickets wurden 101 000 verkauft. 110 der knapp 200 Veranstaltungen waren ausverkauft.
«Dass wir diese Festivalsaison in einer weitgehend unkomplizierten und vertrauten Form genießen durften, hat die vielen Fans und unsere Gäste sehr gefreut», sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zum Abschluss. «Tausend Dank für diesen Musiksommer!», äußerte er an die Adresse des Intendanten und dessen Teams. Endlich habe es nach langer Pause wieder live gespielte Musik vor größerem Publikum gegeben.
«Optimistische Planung, originelle Spielstätten und ein offenkundig euphorisches Publikum - wie schade, dass dieser Festival-Sommer schon wieder vorbei ist», resümierte Kulturministerin Karin Prien (CDU).
Die Festivalorganisatoren teilten am Sonntag mit, es werde die seit 2014 laufende Reihe der Komponisten-Retrospektiven im nächsten Jahr mit dem in Hamburg geborenen Komponisten und Klaviervirtuosen Johannes Brahms (1833-1897) beschließen. Brahms verbrachte seine Kindheit und Jugend in Norddeutschland und blieb seinen Wurzeln stets verbunden.
Wetter macht Kunstfest Weimar zu schaffen - Goethe-Medaillen verliehen
Gleich mehrere Veranstaltungen des Kunstfests Weimar fielen ins Wasser. Die Veranstalter waren trotzdem zufrieden mit dem ersten Wochenende. Dazu trug auch eine frisch gekürte Preisträgerin bei.
Weimar (dpa) - Das regnerische Wetter hat dem Kunstfest Weimar am Wochenende zu schaffen gemacht. Gleich mehrere Veranstaltungen mussten abgesagt oder verschoben werden, wie der künstlerische Leiter Rolf C. Hemke der Deutschen Presse-Agentur sagte. Generell sei er aber mit dem Anlauf des Kunstfestes zufrieden. Das Theater oder das E-Werk etwa seien bis auf teils Restkarten ausverkauft gewesen. «Die Rezensionen sind fantastisch, die Zuschauer sind da, aber das Wetter ist gemein zu uns.»
Auch Thüringens Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) reihte sich am Wochenende in die Riege der Kunstfest-Darsteller ein: Er übernahm am Freitag eine Sprechrolle in dem Stück «438 Tage NSU-Prozess». In der 17-teiligen Serie von Regisseur Nuran David Çalis wird der Prozess gegen die NSU-Angehörige Beate Zschäpe und mehrere Terrorhelfer in künstlerisch-dokumentarischer Form aufgearbeitet. Für die Sprechrollen seien jeden Abend politische Gäste eingeladen, sagte Hemke. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) etwa sollte am Sonntag auftreten.
Das Kunstfest Weimar war am Mittwoch eröffnet worden. Bis zum zweiten Septemberwochenende wartet das Festival mit rund 200 Veranstaltungen - Konzerten, Lesungen, Musiktheater, Schauspiel, Installationen - auf. Darunter sind nach Veranstalterangaben rund 15 Uraufführungen.
Eine davon war das dokumentarische Tanzprojekt «I am 60» der chinesischen Choreografin Wen Hui, das nach Angaben von Hemke restlos ausverkauft war. Wen Hui war aber nicht nur wegen des Kunstfests in Weimar. Sie nahm am Samstag auch einen renommierten Preis entgegen.
Die Goethe-Medaillen wurden dieses Jahr neben Wen Hui auch an die Sozialökonomin Princess Marilyn Douala Manga Bell aus Kamerun und den japanische Komponisten Toshio Hosokawa verliehen. Sie wurden mit einem digitalen Festakt geehrt. Hui nahm ihren Preis als einzige persönlich entgegen. Das offizielle Ehrzeichen der Bundesrepublik Deutschland geht an Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben.
Wen Hui wurde 1960 in Peking geboren und gründete 1994 Chinas erste unabhängige Theatertanzgruppe. Sie schlage eine Brücke zwischen den Tanzstilen von Revolutionsballett bis zum zeitgenössischen Tanz, sagte Laudatorin Carena Schlewitt. Dabei stelle sie insbesondere den weiblichen Körper in das Zentrum ihres Schaffens und fordere auf sanfte Weise die Würdigung der gesellschaftlichen Rolle der Frau ein.
Princess Marilyn Douala Manga Bel wurde für ihre «zukunftsweisenden Ideen zur Aufarbeitung kolonialen Unrechts» geehrt. Die Präsidentin der kamerunischen Kulturorganisation doual'art trage einen wichtigen Teil zur Bildung globaler Gemeinschaften bei, sagte Laudatorin Mahret Ifeoma Kupka. Ihre Ehrung sei auch eine Erinnerung, dass die Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit nicht nur in der Rückgabe von sogenannter Raubkunst und Geldzahlungen bestehe. Es brauche auch eine neue Geschichtsschreibung.
Toshio Hosokawa gilt als einer der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten aus Japan. Er wurde für seine «unverwechselbare Musiksprache» geehrte, die er aus der Spannung zwischen westlicher und japanischer Kultur schaffe. Das Ergebnis seines Wirkens sei mehr als ein Brückenschlag zwischen Ost und West, sondern eigentlich das Wissen, dass es diese Gliederung nicht brauche, sagte Laudator Alexander Liebreich.
Lottomittel für literarische Kammerkonzerte in Potsdam
Potsdam (dpa/bb) - Mit rund 10 000 Euro aus Lottomitteln unterstützt das Brandenburger Kulturministerium literarische Kammerkonzerte zum Jubiläum «1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland». Die Veranstaltungen liefen vom kommenden Mittwoch bis Freitag, teilte das Ministerium am Sonntag mit. Damit werde vielfältige jüdisch-deutsche Kulturgeschichte, die durch den Nationalsozialismus ihre schlimmste Zäsur erfahren habe, vermittelt, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Veranstalter ist Benjamin Comparot, Hamburger Hornist und Mitglied im Ensemble Opus 45, das auf jüdische Musik spezialisiert ist.
Bei den literarischen Konzerten in Cottbus, Potsdam und Senftenberg erklingen unter anderem Stücke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Alexander Zemlinsky, Pavel Haas, Jacques Ibert und György Ligeti. Der Film- und Theaterschauspieler Roman Knižka liest unter anderem aus Werken von Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing, Heinrich Heine und Mascha Kalékoa sowie aus autobiografischen Texten unbekannter deutscher Jüdinnen und Juden aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Publikum ist zurück: Letztes Weltstars-Konzert in Redefin ausverkauft
Redefin (dpa/mv) - Das Festspiele-Publikum kehrt in größerer Zahl in die Konzertsäle zurück: Das letzte «Weltstars in Redefin»-Konzert der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern in dieser Saison fand am Samstag vor ausverkauftem Haus statt. Die Weltklasse-Cellistin Sol Gabetta und das Orchestre Philharmonique de Radio France begeisterten rund 1250 Klassik-Liebhaber. Aufgrund der Hygienevorgaben in der Pandemie durften die Festspiele die riesige Reithalle des Landgestüts im Landkreis Ludwigslust-Parchim zur Hälfte dessen füllen, was ohne Corona möglich ist.
«Es ist eine große Erleichterung, wieder einen den Umständen entsprechend vollen Saal vor sich zu haben», sagte Festspiele-Intendantin Ursula Haselböck der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist auch für die Musiker ein besonderes Erlebnis, das gibt schon eine besondere Energie wechselseitig - auf die Bühne und zurück.» Für das Orchester sei es das erste Konzert auf Tour seit dem Frühjahr 2020 gewesen.
Im Juni hatten die Festspiele noch ihr erstes «Weltstars in Redefin»-Konzert der Saison pandemiebedingt absagen müssen. Ende Juli spielten dann die Geigen-Virtuosen Daniel Hope und Nigel Kennedy ihre Konzerte jeweils vor halbleeren Rängen. «Im Juni und Juli haben wir gespürt, dass noch große Vorbehalte da waren», sagte Haselböck. Viele Menschen hätten Ängste gehabt, sich nicht in die Konzertsäle zurückgetraut. Nun hoffe sie, dass das Publikum erkenne, dass Kultur ein sicherer Ort sei, weil die Maßnahmen doch noch sehr streng seien.
Der Festspielsommer dauert noch drei Wochen. Er endet am 18. September mit einem Konzert in der St. Georgen-Kirche Wismar mit dem Elbphilharmonie Orchester und dem Pianisten Kirill Gerstein.