Berlin vor zweitem Wagner-«Ring» - Thielemann dirigiert für Barenboim +++ Premiere des A-Capella-Festivals in Wernigerode mit acht Konzerten +++ Warum rollt ein Klavier durch die Neue Nationalgalerie? +++ Neues Peter-Plate-Musical zu «Romeo und Julia» 2023 in Berlin geplant +++ Dessauer Kurt Weill Fest 2023 «Im Zeichen des Umbruchs» +++ Leipziger Tanz- und Theaterfestival blickt von außen auf Europa
Berlin vor zweitem Wagner-«Ring» - Thielemann dirigiert für Barenboim
Mit drei Opernhäusern spielt Berlin für Fans des Musiktheaters auch international in der obersten Klasse. Nun bekommt die Hauptstadt mit dem «Ring» an der Staatsoper auch noch eine zweite Fassung von Wagners Mammutwerk. Die hat es schon vor dem ersten Ton in sich.
Berlin (dpa) - Opern von Richard Wagner (1813-1883) sind für alle Beteiligten ein hartes Stück Arbeit. Sein «Ring des Nibelungen» bringt ein Musiktheater sehr schnell an die Grenzen des Machbaren. Der Komponist sieht für die rund 16 Stunden Handlung mehr als 100 Musikerinnen und Musiker vor, zudem gut 30 Solostimmen plus Chöre.
Berlins Staatsoper Unter den Linden setzt nun noch einen drauf - und bringt nach jahrelanger Vorbereitung alle Premieren von «Rheingold», «Walküre», «Siegfried» und «Götterdämmerung» von diesem Sonntag an innerhalb von acht Tagen auf die Bühne.
Es geht um den verzweifelten, aber doch aussichtslosen Kampf einer von Göttern, Riesen, Zwergen und ein paar Menschen beherrschten Welt vor dem Untergang. Alles ist aufgebaut auf Lug und Trug, falschen Verträgen, windigen Versprechungen. Es wird gemordet, betrogen, geraubt, geschlagen, genötigt, vergewaltigt - ein umfassendes Kompendium der Kriminalität. Einen Akt lang, zu Beginn der «Walküre», flammt dann doch ein wenig Hoffnung auf wahre Liebe auf - und auch diese nur in Form von Inzucht.
Das verworrene Bühnenspektakel mit zahlreichen Rollendebüts gilt bereits als Höhepunkt der Opernsaison. Die bisher vier geplanten Zyklen sind praktisch ausverkauft. Dabei sind «Sonderpreise» in der Staatsoper angezeigt: bis zu 1100 Euro kostet einer der besten Plätze für alle vier Abende. Der Sender rbbKultur überträgt die Premieren live im Radio, die ARD Audiothek will streamen. Der Fernsehsender Arte stellt den kompletten «Ring» im November auf seine Plattform (arte.tv/concert).
Die kompakte Präsentation jeweils innerhalb einer guten Woche ist auch dem Konzept des russischen Regisseurs geschuldet. «Dmitri Tcherniakov erzählt die Geschichte als Ganzes durch», sagte Intendant Matthias Schulz mit Blick auf das Ereignis. «Deswegen ist es natürlich auch toll, dass wir das jetzt so machen können.»
Der 52 Jahre alte Tcherniakov, für seine Inszenierungen von Bayreuth über München, Paris oder New York bis Moskau gefeiert, hat mit Daniel Barenboim, dem Generalmusikdirektor der Staatsoper, bereits etwa «Parsifal» oder «Tristan und Isolde» realisiert. Der «Ring» sollte ein Höhepunkt der lange Jahre währenden Zusammenarbeit werden - und eine Art Geschenk für Barenboim, der am 15. November 80 Jahre alt wird.
Sollte. Denn Barenboim musste das Dirigat für die ersten drei Zyklen krankheitsbedingt abgeben. Für ihn bleibt zunächst noch die Aussicht auf die vierte Folge aller vier Opernabende, die im Frühjahr des nächsten Jahres vorgesehen ist.
Per abendlichem Telefonat mit unterdrückter Rufnummer sorgte Barenboim selbst für Ersatz am Pult. Den ersten und dritten Zyklus übernimmt Christian Thielemann, als Dirigent künstlerisch selbst an der Seite Barenboims groß geworden. Der 63-Jährige gilt nicht nur ebenfalls als Wagner-Spezialist, sondern auch als potenzieller Nachfolgekandidat, wenn Barenboims Vertrag 2027 ausläuft.
Thielemann ist noch zwei Jahre lang Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, er war bereits künstlerischer Leiter der Osterfestspiele in Salzburg und Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Er selbst gibt sich bei der Berlin-Frage zurückhaltend: «Ich bin momentan gar nicht darauf aus, dass ich sowas in Erwägung ziehe.»
Für den zweiten Zyklus im Oktober übernimmt Thomas Guggeis das Dirigat. Der erst 29-Jährige hat sich an der Staatsoper vom Assistenten Barenboims zum Staatskapellmeister entwickelt. Im kommenden Jahr geht er als Generalmusikdirektor zur Oper Frankfurt.
Mit dem «Ring» der Staatsoper bekommt Berlin eine zweite Fassung von Wagners Mammutwerk. Die Deutsche Oper hat ihre Interpretation von Stefan Herheim unter Leitung von Sir Donald Runnicles im vergangenen Jahr komplettiert. Die Komische Oper als drittes großes Musiktheater hält sich bei Wagner meist zurück. Im November kommt dort allerdings «Der fliegende Holländer» auf die Bühne - oder das, was der für radikale Arbeiten bekannte Regisseur Herbert Fritsch davon übrig lässt.
Premiere des A-Capella-Festivals in Wernigerode mit acht Konzerten
Wernigerode (dpa/sa) - Feinster Gesang ohne Begleitung von Instrumenten: In Wernigerode im Harz steht in den kommenden zwei Wochen das neue A-Capella-Festival im Mittelpunkt. Nach der Eröffnung der erstmalig veranstalteten Musikreihe am Freitag stehen bis zum 16. Oktober insgesamt acht Konzerte im Konzerthaus Liebfrauen auf dem Programm. Organisatoren sind das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode und das Landesgymnasium für Musik. Das Festival beginnt den Angaben zufolge mit einem Workshop des Calmus Ensembles, das im Anschluss zum Konzert «Kosmos der Liebe» in das aus einer ehemaligen Kirche hervorgegangene Konzerthaus in die historischen Altstadt lädt.
Auch der Schauspieler Sky du Mont («Der Schuh des Manitu») wird in Wernigerode erwartet. Er begleitet als Sprecher das deutsche A-Capella-Ensemble Sjaella bei ihrem Rezitationskonzert «Über Liebe». Für Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber gibt es weitere Workshops, eine Mitsingmatinee und Werkstattkonzerte. Der Landesjugendchor Nordrhein-Westfalen wird als Gast erwartet.
Warum rollt ein Klavier durch die Neue Nationalgalerie?
Berlin (dpa) - Die Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt in den kommenden Wochen eine Performance mit einem umgebauten Klavier. Ein Musiker steigt durch ein ausgeschnittenes Loch in den Flügel und bewegt sich dann mit dem Instrument durch den Raum. Dabei spielt er einen abgewandelten Ausschnitt aus Beethovens neunter Sinfonie («Ode an die Freude»). Die Performance stammt vom Duo Allora und Calzadilla aus Puerto Rico.
Museumsdirektor Klaus Biesenbach sagte am Donnerstag, die Arbeit sei besonders, weil sie als Skulptur an sich nicht komplett sei, sondern die Performance eines Künstlers und den Betrachter brauche. Das Kunstwerk ist auch eine Auseinandersetzung mit der europäischen Idee, in Zeiten des Brexits, der Italienwahl und des Kriegs in der Ukraine. Als der Krieg in der Ukraine losgegangen sei, habe er darum gebeten, diese Arbeit zu bekommen, sagte Biesenbach. Damit werde auch die Frage gestellt, wer eigentlich Teil dieses Europas sei.
Neues Peter-Plate-Musical zu «Romeo & Julia» 2023 in Berlin geplant
Berlin (dpa) - Nach dem Musical «Ku'damm 56» soll ein weiteres Projekt von Rosenstolz-Musiker Peter Plate und Ulf Leo Sommer auf die Bühne kommen. Sie nehmen sich eine Geschichte aus der Weltliteratur vor: «Romeo & Julia - Liebe ist alles» hat den Plänen zufolge im kommenden März Premiere im Berliner Theater des Westens. Beide Künstler hätten für das Musical viele neue Songs geschrieben, rund um das Lied «Liebe ist Alles», teilten die Veranstalter am Donnerstag mit.
Derzeit läuft in dem Theater in der Nähe des Bahnhofs Zoo noch das Musical «Ku'damm 56», das auf der ZDF-Serie über eine Tanzschule im Nachkriegs-Berlin basiert. Das Unternehmen BMG teilte am Donnerstag mit, für das Theater einen zweijährigen Mietvertrag bis Ende 2024 abgeschlossen zu haben.
Das neue Musical soll am 19. März 2023 seine Premiere feiern. ««Romeo & Julia» behandelt die drei existenziellen Themen, die uns schon seit 30 Jahren in unseren Songs begleiten und faszinieren: Liebe, Sex, Tod», wurden Plate und Sommer zitiert. Plate hatte sich in einem früheren Projekt schonmal mit William Shakespeares Story auseinandergesetzt.
Dessauer Kurt Weill Fest 2023 «Im Zeichen des Umbruchs»
Dessau-Roßlau (dpa/sa) - Das internationale Kulturfestival zu Ehren des in Dessau geborenen Komponisten Kurt Weill (1900-1950) widmet sich 2023 gesellschaftlichen und musikalischen Veränderungen. Unter dem Motto «Im Zeichen des Umbruchs» stehen vom 24. Februar bis 12. März knapp 50 Veranstaltungen an 16 Spielorten auf dem Programm, wie die Organisatoren am Donnerstag mitteilten.
Die Lust am Experiment, die Suche nach Neuem sowie das Aufspüren literarischer und musikalischer Entwicklungen stünden im Fokus des 31. Kurt Weill Festes. Renommierte Musiker, Sänger und Schauspieler aus dem In- und Ausland gestalten das Programm. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Bauhaus Dessau sei es ebenso auf Bedürfnisse junger Künstlerinnen und Künstler und deren Publikum zugeschnitten worden.
Als «Artist-in-Residenz» und damit als eine Art Frontmann des diesjährigen Festivals wurde der Pianist Sebastian Knauer gewonnen. Geplant sind ferner Auftritte der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, Angela Winkler und Jazzgrößen wie dem schwedischen Posaunisten Nils Landgren und der US-amerikanischen Sängerin Jocelyn B. Smith.
Das Programm umfasse eine Zeitreise von den 1920er Jahren, einer Zeit des Aufbruchs und Exzesses wie auch tiefgreifender Krisen und Veränderungen, bis zur Gegenwart. «Die Gäste dürfen sich auf vielfältige musikalische Highlights für jede Generation freuen», erklärte Thomas Markworth, Präsident der Kurt-Weill-Gesellschaft.
Spielorte des Festivals zu Ehren des Komponisten Kurt Weill («Dreigroschenoper»), der am Broadway in New York ein Star war, sind seine Geburtsstadt Dessau und Umgebung, Halle, Bad Lauchstädt (Saalekreis) und Wittenberg. Die künstlerische Leitung des Festivals obliegt 2023 der Musikwissenschaftlerin Constanze Mitter gemeinsam mit dem Musikproduzenten Gerhard Kämpfe, der zum fünften Mal die Intendanz des Festes übernommen habe.
Leipziger Tanz- und Theaterfestival blickt von außen auf Europa
Leipzig (dpa/sn) - Mit außereuropäischen Produktionen will das Leipziger Tanz- und Theaterfestival euro-scene in diesem Jahr einen neuen Blick auf den europäischen Kontinent werfen. «Die Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen und zeigen, wie man sie anders sehen und bewerten kann», sagte Festivalleiter Christian Watty bei der Vorstellung des Programms am Donnerstag in Leipzig. So werde unter anderem das Thema Kolonialismus in Europa kritisch beleuchtet.
Das Festival findet in diesem Jahr zum 32. Mal statt. Vom 8. bis 13. November sind 32 Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten in Leipzig geplant. Dabei stünden Themen wie die Sehnsucht nach mehr Respekt, Diversität und Gendergerechtigkeit sowie der Wunsch nach einem Ende von Ausgrenzung, Diskriminierung, Ausbeutung und Rassismus ganz oben auf der gesellschaftlichen Agenda, sagte Watty. «Vor allem wir in Europa sind aufgefordert, uns mit unserer kolonialen Vergangenheit und neokolonialen Gegenwart auseinanderzusetzen.»
Neben verschiedensten Produktionen, unter anderen von dem chilenisch-spanischen Regieduo AzkonaToloza und dem Choreografen Panaibra Gabriel Canda aus Mosambik, seien auch Beiträge von Expertinnen und Experten sowie Kurzfilme Teil des Programms. Zudem sollen 16 Künstlerinnen und Künstler während der Festivaltage in einem neuen Format mit dem Namen Ubuntu Connection begleitet von einer Live-Band für- und miteinander auftreten, sagte Watty.