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Neue Kammer Leipzig Foto: © Lukas Diller
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35 Jahre Friedliche Revolution: Ich bin mir selber fremd geworden

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Anlässlich des 35-jährigen Jahrestag der Friedlichen Revolution entwickeln die Leipziger Künstler*innen Kollektive, das Musiktheater-Team Schatz & Schande und das Ensemble Neue Kammer, ein gemeinsames Projekt zur DDR-Geschichte. Es geht dabei um politische Haft in der DDR am Beispiel des größten und berüchtigsten Frauenzuchthauses: Hoheneck. In einem Hybrid aus Musiktheater, Performance und Konzert entwickeln sie eine neue, künstlerische Form der Erinnerungskultur.

Ausgangspunkt sind zeitgenössische Vertonungen von Gedichten, die während der Haft in Hoheneck geschrieben wurden, sowie weitere, instrumentale Kompositionen, die Einzelheiten des Haftalltags in Hoheneck musikalisch verarbeiten. Um diese Stücke herum wurde von Schatz & Schande eine Inszenierung entwickelt, die von der Neuen Kammer gespielt wird. Sie würdigt das Leid der in Hoheneck zu Unrecht inhaftierten Frauen und erinnert an ihre dramatische Situation auf eine feinfühlige und respektvolle Art und Weise. Flankiert wird die Performance von einem informativen Programmheft und einem Publikumsgespräch mit Zeitzeuginnen, moderiert von der Museologin und Autorin Ariane Zabel (unter anderem Landesgruppe Sachsen der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V.).

Beweggrund und Geschichte

Die beteiligten Künstler*innen über ihr Projekt:

Wir sind Teil jener Generation von Nachwendekindern, deren Aufwachsen von den Nachwirkungen des politischen Umschwungs massiv geprägt war. Vor dem Mauerfall liegt Unrecht, Wunden die sich (noch) nicht schließen konnten und danach, im Zuge der Wiedervereinigung sind neue Wunden hinzugekommen. Die „Erinnerung von unten" (nach A. Assmann), eine Aufarbeitung des Gewesenen, der kollektiven Traumata und der Verwerfungen in der ostdeutschen Bevölkerung scheint auch im 35. Jahr nach dem Mauerfall notwendig für ein Zusammenwachsen und eine gesamtdeutsche Demokratie. Wie man an den aktuellen politischen Verwerfungen und der breiten Zustimmung für offen antidemokratische Kräfte, auch im Osten ablesen kann. Wir sehen unsere Generation in einer besonderen Weise verantwortlich, als Brückenbauer zu fungieren und uns für gegenseitiges Verständnis einzusetzen. Mit diesem Projekt wollen wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Das Frauenzuchthaus Hoheneck ist das Sinnbild politisch-verfolgter Frauen 1945 bis 1989 in der DDR. Hoheneck war berühmt für menschenunwürdige Haftbedingung, Überbelegung, Krankheiten, Erniedrigung, sowie Zersetzungsmaßnahmen, bis hin zur Folter. Wir wollen Licht auf diesen Teilaspekt der Deutschen Geschichte werfen, an das erlittene Leid erinnern, es vor dem Vergessen bewahren und die Stimmen der Frauen aus Hoheneck noch einmal laut werden lassen.

Künstlerische Umsetzung

Aus den genannten Gründen, stehen die Kunstwerke der ehemaligen Hoheneckerinnen, die Gedichte die in der Haft geschrieben wurden, im Mittelpunkt. Der ihnen innewohnende Wille, sich nicht aufzugeben und brechen zu lassen, sondern im künstlerischen Ausdruck Hoffnung und Widerstandskraft zu finden und die schreckliche Situation zu verarbeiten, ist das Zentrale in der künstlerischen Weiterverarbeitung. Ihm gegenüber steht der Eindruck der äußeren Welt: klangliche und visuelle Andeutungen des Gefängnislebens, eine stete Unbehaglichkeit, Kälte und Bedrohung. Die Performance dauert etwa 45 Minuten und ist kollagenhaft angelegt, so dass Gedichtvertonungen und andere Musikstücke ineinander fließen und wiederkehren, wobei sie verschiedene Situationen des Gefängnisalltags wie Appelle, (Zwangs-)Arbeit, Zusammengepfercht-sein in der Zelle, oder Arrest symbolisieren. Dazu gibt es eine Lichtinstallation, die die Farblosigkeit, Enge und Monotonie der Haftzeit einfängt: Wie in einem Schwarz-Weiß-Film tunkt das Licht das Ensemble in Grautöne. Die Akteur*innen werden durch Lichteinsatz voneinander abgeschnitten. Hin und wieder sieht man ein Gesicht, eine Hand, den Schatten oder die Silhouette einer Gestalt. Ein karger Bühnenraum mit wenigen Bühnenelementen fungiert als Setting.

Es gibt 2024 drei Aufführungen:
15.11. - 20:00 ZiMMT, Leipzig (Torgauer Straße 80)
16.11. - 20:00 ZiMMT, Leipzig (Torgauer Straße 80)
17.11. - 17:00 Gedenkstätte Bauzener Straße, Dresden
Weitere Aufführungen 2025 sind in Planung.