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Die international angesehene Gächinger Kantorei feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Höhepunkt des Chor-Jubiläums ist am 28. Mai ein Festkonzert in der Stuttgarter Stiftskirche. Das Ensemble wurde vor einem halben Jahrhundert von dem Dirigenten Helmuth Rilling in Gächingen auf der Schwäbischen Alb gegründet, der damals noch Student war. Inzwischen ist der Chor in Stuttgart ansässig und weltweit gefragt.
Stuttgart/Gächingen (ddp-bwb). Der Name des Chores ist es ganz sicher nicht, der die Gächinger Kantorei zu internationalem Ruhm geführt hat. Die bei der Gründung des Ensembles vor 50 Jahren noch zutreffende, bescheidene Benennung führt in anderen Ländern vielmehr zu Erklärungsbedarf, Schreibfehlern und sympathischen Irrtümern: Auf den Internetseiten des Oregon Bach Festivals beispielsweise, bei dem Helmuth Rillings Stammchor in seinem Jubiläumsjahr erstmals auftritt, werden als Herkunftsort des Chores die «Schwäbischen Alpen» genannt.Rilling, der als Student und mit Kommilitonen das Ensemble im kleinen Albdorf Gächingen vor einem halben Jahrhundert ins Leben rief, blieb der Bezeichnung treu, als die Gächinger Kantorei längst in Stuttgart probte und die Welt von Japan bis Amerika bereiste. Und was Helmuth Rilling entscheidet, das stellt bei den Gächingern niemand in Frage. Denn trotz gelegentlicher Auftritte von Gastdirigenten wird kaum ein Chor dieser Kategorie so stark mit seinem Gründer identifiziert wie dieser.
«Es geht um das Jubiläum vom Helmuth!» so wird denn auch Werner Huck von seiner Gattin zum Telefoninterview gerufen. Huck, Jahrgang 1929, ist der Älteste unter den Gächingern und seit über vier Jahrzehnten dabei. Dass nie alle Sängerinnen und Sänger gemeinsam auftraten, die Gächinger Kantorei vielmehr von Anfang an auf Projektarbeit statt Vereinsmeierei setzte, war Huck nur recht. Einzelne Konzerte konnte er mit seiner Arbeit bei Post und Telekom nur schwer vereinbaren, aber für die Konzertreisen nahm er sich frei. «Mindestens die Hälfte des Urlaubs ging dafür drauf», erzählt Huck, «die Familie musste oft zurückstehen.»
Wie fast alle Gächinger hatte Huck schon bei seinem Eintritt in den Chor reichlich Erfahrung, privaten Gesangsunterricht genommen und sogar selbst einen kleinen Chor geleitet. Helmuth Rilling «er hat gelernt, wo es nur ging» war ihm dabei großes Vorbild, und mit der persönlichen Entwicklung des Dirigenten zum weltweit gefragten Interpreten vor allem der Musik Johann Sebastian Bachs sieht Huck auch den Werdegang der Gächinger Kantorei verknüpft: «Wir sind von Jahr zu Jahr gewachsen», sagt der Chor-Senior.
Bei ihren Konzerten und Tourneen tritt die Gächinger Kantorei mal als 24-köpfiges Vokalensemble, mal als Hundertschaft auf. Das Reservoir an Sängerinnen und Sängern ist üppig, denn zu den Vorsingen, die mehrmals jährlich stattfinden, melden sich jeweils rund 100 Interessenten an. Organisatorische Basis des Chores ist die Internationale Bachakademie in Stuttgart, die Helmuth Rilling in den 80er-Jahren gründete.
Instrumentale Partner sind neben dem hauseigenen Bach-Collegium auch größere Klangkörper wie das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Vom Gesangsstudenten bis zur privat singenden Hausfrau reicht die Spannweite im Chor, es sind Freundschaften entstanden, Ehen wurden geschlossen und mittlerweile wirken in der Gächinger Kantorei junge Leute mit, «die Helmuth Rillings Enkel sein könnten», wie Andreas Bomba, Mitarbeiter der Bachakademie und selbst als Tenor im Chor aktiv, scherzt.
Das trifft zum Beispiel für Gudrun Otto zu. Mit ihrem Geburtsjahr 1979 ist sie just jene fünf Jahrzehnte vom Senior Huck entfernt, die die Gächinger Kantorei heute besteht. Die junge Sopranistin macht gerade ihr Diplom in Weimar und sieht einem Engagement bei den Landesbühnen Dresden ab dem kommenden Herbst entgegen. Das Bach Festival in Oregon wird deshalb ihre vorläufig letzte Reise mit den Gächingern sein, bei denen sie die Verbindung von «Qualität und Spaß» und die charismatische Persönlichkeit von Rilling «ohne Show und Brimborium» schätzen gelernt hat.
http://www.bachakademie.de