Meiningen - Sie haben Hunderte Abendveranstaltungen bei schummrigem Licht erlebt, Reisen von Stockholm bis Triest und von London bis Moskau. Die 32 Meter breiten und 14 Meter hohen alten Bühnenbilder auf Stoff haben das Theater Meiningen über die Region hinaus bekannt gemacht. Am Samstag dürfen sie nach rund 20 Jahren Ruhestand wieder auf die Bühne, allerdings die meisten nicht im Original. Dann feiert die multimediale «Prospektschau» im Theater Meiningen Premiere.
Aber nicht nur den Prospekten, wie die Bühnenbilder auch genannt werden, soll mit Hilfe moderner Technik neues Leben eingehaucht werden. Auch die Gebrüder Brückner aus Coburg, die die historischen Prospekte vor mehr als 100 Jahren zeichneten, sollen virtuell wiederbelebt werden. «Das Historische soll mit dem Modernen verbunden werden», erklärt es Helge Ullmann, der für das Bühnenbild und die Kostüme zuständig ist.
Und so wurden Drohnen über Meiningen geflogen, in Kooperation mit dem benachbarten Theatermuseum 76 restaurierte Bühnenbilder abfotografiert, Aufnahmen mit den Schauspielern gemacht. Die technischen Möglichkeiten, die historischen Prospekte ins Hier und Jetzt zu holen, sind unendlich, berichtet Tobias Mathes, der sich um das Videoprojekt kümmert. «Die Lichter in den Bühnenbildern gehen an und aus, die Wolken fangen an sich zu bewegen», beschreibt er.
Durch die Fotografien können weitaus mehr Prospekte gezeigt werden, als es die empfindlichen Originale erlauben würden, von denen einige wenige tatsächlich in den zehn Vorführungen bis Juni 2022 auf die Bühne dürfen. Denn meist liegen die insgesamt 280 erhaltenen Dekorationsstücke zusammengerollt und bei gleich bleibender Temperatur nebenan im Museum. Dass sie im Frühjahr einen Lkw-Ausflug ins Theater machten, war eine absolute Ausnahme und eine Stresssituation für die historischen Stücke.
Früher reisten sie regelmäßig im Rahmen der Meininger Gastspielreisen in Zügen durch die Welt. Heute führt ihre weiteste Reise ins bayerische Würzburg. Dort werden sie seit einigen Jahren Stück für Stück restauriert. Die nicht unerheblichen Kosten werden durch Fördergelder und Benefizveranstaltungen bekannter Künstlerinnen und Künstler finanziert. Auch von den Einnahmen der Prospektschau fließen 10 Prozent in die Restaurierung.
Anders als in früheren Prospektschauen soll in der neuen Schau die Geschichte der Prospekte um 1874 bis 1876 von Schauspielern und mithilfe der Technik erzählt werden. Ein kleiner Krimi ist auch dabei: Denn Meiningens Theaterherzog Georg II. und der Komponist Richard Wagner waren ähnlich angetan von dem Können der Brückner-Brüder und kämpften regelrecht um ihre Zeit und Kunst.
Am Samstag hilft laut Mathes dann nur noch «beten». Denn «wo Video anfängt, beginnen die Probleme», scherzt er. Drei Schauspieler und eine Schauspielerin, drei Projektoren und ein Team im Hintergrund werden die historischen Bühnenbilder zu neuem Leben erwecken. Und wie es sich für Stars gehört, unter ganz besonderen Bedingungen: kein direktes Licht, kein Luftzug, nicht anfassen.
Premiere: Sa, 13.11., 19:30
weitere Termine: 14.11., 17.12., 18.12., 06.03., 18.04., 20.06., 21.06. – Staatstheater Meiningen, Großes Haus