Was ist jüdische Kultur? Jüdische Identität – die Suche danach oder die Selbstverständlichkeit darin – ist ein immer wiederkehrendes Thema, das sich vor allem in den Künsten widerspiegelt. Die diesjährigen Jüdischen Kulturtage stellen sich dieser Frage mit einem Programm aus Literatur, Ausstellungen, Klassik und Pop.
Mit synagogaler Musik aus der ganzen Welt werden die Jüdischen Kulturtage in diesem Jahr feierlich eröffnet. Diese über die Jahrhunderte überlieferten Stücke sind ein wesentlicher Bestandteil der Gottesdienste in Synagogen aller religiösen Richtungen. In der größten Synagoge Deutschlands in der Rykestraße im Prenzlauer Berg erklingt unter der Leitung von Ud Joffe eine Auswahl synagogaler Musik der letzten Jahrhunderte.
Weitere musikalische Programmpunkte:
Keren Ann ist wohl eine der außergewöhnlichsten Künstlerinnen, die die Musikszene im Grenzbereich zwischen Chanson, Folk, Pop und Rock in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Die Tochter eines aus Russland stammenden Israeli und einer Niederländerin mit indonesischen Wurzeln wuchs in Paris auf, lebt inzwischen in New York und ist somit von Haus aus Kosmopolitin. Ihre israelischen Wurzeln hat sie nie vergessen und so spielt sie in einer Europapremiere gemeinsam mit den beiden herausragenden israelischen Musikern Shlomi Shaban und Avishai Cohen ein Konzert mit ihren größten Hits und ganz eigenen Versionen großer israelischer Songs.
Yasmin Levy lädt zu einer außergewöhnlichen Reise ins Ladino – die Musik und Sprache der spanischen Juden – ein. Die in Jerusalem geborene charismatische Künstlerin wuchs mit dieser heute nur noch von wenigen gesprochenen Sprache auf. Mit ihrem spirituellen und leidenschaftlichen Gesang bewahrt und entwickelt sie die sephardischen Lieder, die über 500 Jahre von Generation zu Generation weitergegeben wurden: leidenschaftliche Liebeslieder, dramatische Balladen und zarte Wiegenlieder an einem Abend voller Emotion, Schönheit und Intensität.
Herrjemine! Potzblitz! Donnerwetter! All dies sind Umschreibungen für den jiddischen Ausdruck Oi Va Voi. Der Stilmix der Londoner Band ist so einzigartig wie wagemutig: Klezmer kombiniert mit Clubsounds, traditionelle osteuropäische Musik und globale Rhythmen fusionieren mit Jazz, Rock, Hip Hop und Drum`n`Bass. Eine wilde Reise durch Welten und Zeiten, Rhythmen und Sounds. Ein Abend voller musikalischer Überraschungen: träumerisch melancholisch und mitreißend groovend.
Mit der Stückeauswahl bringen der Klezmer- und Klassikklarinettist David Orlowsky gemeinsam mit dem Solistenensemble Kaleidoskop viele verschiedene Facetten des jüdischen Musiklebens zu Gehör. Drei Komponisten repräsentieren drei sehr unterschiedliche Zeiten und kulturelle Umfelder – Jerzy Fitelberg (1903 - 1951), der auf dem Weg zur großen Karriere war, bevor er 1933 auszuwandern gezwungen wurde; Osvaldo Golijov (*1960), Sohn einer religiösen jüdischen Familie, in der argentinischen Diaspora geboren und aufgewachsen; und Steve Reich (*1936), einer der Pioniere der amerikanischen zeitgenössischen Musik.
Mit Variationen über Felix Mendelssohn Bartholdy widmen sich die Kulturtage einem der vielseitigsten Künstler seiner Zeit. Mendelssohn, vor 200 Jahren als Jude geboren und früh christlich getauft, spielte mit seinen Identitäten: einerseits feierte er den Schabbat mit Freunden, andererseits schuf er große christlich-sakrale Kompositionen. Er schenkte Deutschland schönste romantische Heimatlieder und wurde von den Nationalsozialisten als Jude verfemt und verboten.
Einer der vielseitigsten und schillerndsten Jazzmusiker des Landes erschafft sich sein eigenes Mendelssohn-Universum. Michael Schiefel nähert sich dem Komponisten mit gewohnter Unvoreingenommenheit, jongliert mit Themen und Motiven und taucht doch tief ins Innerste der Kompositionen ein. Gemeinsam mit Carsten Daerr am Klavier erspielt sich der Ausnahmesänger exklusiv für die Jüdischen Kulturtage eine neue Sicht auf Lieder und Instrumentalstücke Mendelssohns – ein Hochgenuss für offene Ohren.
Auf Einladung der Jüdischen Kulturtage werden Rahel Rilling, Dávid Adorján und Paul Rivinius Mendelssohns Klaviertrios im ungewöhnlichen Ambiente des Bauhaus-Archives zur Aufführung bringen und mit dem C-Dur-Trio von Joseph Haydn kombinieren, dessen Tod sich in diesem Jahr zum 200. Male jährt.
Als Höhepunkt der Langen Nacht der Synagogen führt das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig zwei Ausnahmekompositionen Mendelssohns auf: seine im Alter von 15 Jahren komponierte 1. Sinfonie sowie das populäre Violinkonzert e-Moll mit der isländischen Geigerin Judith Ingolfsson als Solistin. Mit diesem Konzert unterstützen die Jüdischen Kulturtage die Rekonstruktion des Turmes der Parochialkirche. Nach der umfassenden Sanierung der Synagoge Rykestraße in den vergangenen Jahren, möchte die Jüdische Gemeinde auf diese Weise nun ihrerseits interkonfessionell ein wichtiges Vorhaben in Berlin fördern.