Baden-Baden - Das Coronavirus hat unzählige Konzerte und Kulturveranstaltungen weggefegt. Das trifft auch das Sommerprogramm der ARD-Kulturwellen. Sehr viel musste umgestellt werden. Die Macher sind dennoch guten Mutes: Bei der Qualität müsse man keine Abstriche befürchten.
Die Macher des ARD Radiofestivals sind von der Corona-Krise zunächst kalt erwischt worden. «Im Prinzip ist die Hochphase der Vorbereitungen genau mit der Hochphase von Corona zusammengefallen. Insofern hatten wir das große Problem, dass wir das Programm eigentlich gar nicht planen konnten», sagte SWR-Kulturchef Wolfgang Gushurst in Baden-Baden der Deutschen Presse-Agentur.
«Ganz viel hängt ja davon ab, dass wir im Vorfeld des Radiofestivals Konzerte aufzeichnen oder Live-Übertragungen aus Bayreuth und Salzburg senden. Der Großteil ist einfach weggebrochen», sagte Gushurst. Man habe darauf sehr viel improvisiert und die Deadline der Planung verschoben. Das ARD Radiofestival 2020 beginnt am Samstag. Die neun Kulturwellen haben bis 12. September abends ein gemeinsames Programm.
Der SWR ist dieses Jahr für das Projekt zuständig. Gushurst sagte: «Wir haben angefangen, ein alternatives Programm mit Aufzeichnungen zu planen, die wir vor der Corona-Zeit gemacht haben, beispielsweise mit einem historischen «Ring des Nibelungen». Ihn werden wir an den Tagen senden, an denen normalerweise Bayreuth stattgefunden hätte.»
Eine Frage habe die Verantwortlichen besonders umgetrieben: «Wir müssen einfach etwas auf die Beine stellen, um Autorinnen und Autoren zu unterstützen, die in dieser Corona-Zeit zu Hause sitzen und keine Lesereise machen können; deren Buchveröffentlichungen nach hinten gestellt wurden und die keine oder wenige Einnahmen hatten.» Die Radiofestival-Macher gaben daraufhin in der Literaturszene Erzählungen in Auftrag - zum Thema Reisen. Sie ersetzen die gewohnten literarischen Großprojekte der Vorjahre wie etwa die Lesung von Rafik Schamis Roman «Die geheime Mission des Kardinals» aus 2019. «Jeden Tag wird es eine eigene, in sich abgeschlossene Erzählung geben.»
In 25 Minuten wird das Thema literarisch verarbeitet: «Wir haben poetische Reisebeschreibungen, es wird aber auch von realen Reisen erzählt, nach Griechenland oder in die USA. Wir haben auch Reisen von Leuten, die daheim bleiben. Es gibt eine Geschichte, bei der eine Protagonistin in der Corona-Zeit durch Wohnungen geht, um Blumen zu gießen.» Doris Dörrie, Felicitas Hoppe, Terezia Mora, Marcel Beyer und viele andere haben sich an dem Projekt beteiligt.
SWR2-Musikchef Martin Roth kann der Herausforderung Gutes abgewinnen: «In diesem Jahr kann man viel improvisieren, was sonst nicht möglich gewesen wäre. Und vom Programm, von der Qualität her brauchen wir keine Abstriche zu machen.» Zum 100-jährigen Bestehen der Salzburger Festspiele werden die ARD-Kulturwellen am 1. August «Elektra» von Richard Strauss live senden. «Die ganze Opernwelt ist gespannt darauf, wie die das in Salzburg hinbekommen», sagte Roth. Auch die «Missa solemnis» von Beethoven wird übertragen, dann aus dem Kölner Dom, «eines der großen Leuchtturmprojekte in diesem Beethovenjahr».
Auch Jazz-Freunde können sich freuen, so Roth. «Weil auch alles nicht vorhersehbar war, haben wir gesagt, dass wir einen großer Jazzer ehren: Charlie Parker hat seinen 100. Geburtstag am 29. August. Einen Tag später werden wir eine lange Charlie-Parker-Nacht präsentieren.»
Wo Corona spürbar ist: bei Live-Events, etwa bei Kammermusik. Dort wird es kein Saalpublikum geben. «Aber darin besteht ja trotzdem ein Reiz, finde ich», so Roth. «Man weiß: Die spielen jetzt tatsächlich gerade im Studio für mich als Hörer. Selbst wenn es für uns alle noch etwas merkwürdig ist, wenn am Ende des Stücks kein Beifall folgt.»