Bayreuth - Mt einem rästselhaften "Tannhäuser" hat Regiestar Sebastian Baumgarten 2011 die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele eröffnet: Die Bühne war eine raumfüllende Installation, in der Chor und Solisten zu kämpfen hatten, um nicht unterzugehen; das Spannungsverhältnis des Stücks zwischen Exzess und Askese blieb auf der Strecke in der knallbunten Wartburg-Biogasfabrik. Kopfschütteln, Entsetzen und feindselige Ablehnung waren die vorwiegenden Reaktionen des Publikums. Baumgarten überarbeitete seinen Entwurf und zeigt am 28. Juli in Bayreuth seine neue Fassung der Oper. Mit dem Berliner Regisseur sprach dapd-Korrespondentin Angelika Rausch.
dapd: Geht man entspannter an die Arbeit, wenn man weiß, dass man nicht die Eröffnungspremiere zu machen hat?
Baumgarten: Ja, man ist entspannter, weil man weiß, was hier gut funktioniert und was nicht.
dapd: Im vergangenen Jahr löste Ihre Inszenierung des "Tannhäuser" große Ratlosigkeit bei Publikum und Kritikern aus. Können Sie verstehen warum ?
Baumgarten: Es gab doch eine ganz klare Ablehnung, nur wenig Zustimmung. Ratlos? Ich weiß nicht. Wenn, dann hat das sicher damit zu tun, dass wir in der knappen Zeit, die wir letztes Jahr zum Arbeiten hatten, nur eine grobe Struktur unserer Idee setzen konnten, die ich jetzt in diesem Jahr ausarbeite. Wir wussten, dass wir im ersten Jahr nicht bis ins Detail durchkommen. Trotzdem glaube ich, dass die Struktur, die ich mir im vergangenen Jahr gebaut habe, am Ende sehr gut funktionieren kann.
dapd: Können Sie jetzt von der viel zitierten "Werkstatt Bayreuth" profitieren?
Baumgarten: Ich habe um zusätzliche Probenmöglichkeiten gebeten, und die habe ich bekommen. Wenn es nur darum ginge, die neuen Besetzungen in die Inszenierung zu integrieren, so wäre das eine Arbeitssituation, die auch ein Assistent erledigen könnte. Es geht darum, die Arbeit jedes Jahr weiterzuentwickeln.
dapd: Was wird dann in diesem Jahr anders sein? Wird die Installation so bleiben wie sie war, was wird sich szenisch ändern?
Baumgarten: Die musikalische Leitung übernimmt in diesem Jahr Christian Thielemann. Es gibt die Verabredung, dass die Striche, die wir gemacht haben, wieder geöffnet werden. Das war vielleicht auch etwas, was die Leute ein wenig schockiert hat: dass im zweiten Akt eine bestimmte Stelle nicht kam. Und es gibt einen neuen Tannhäuser und eine neue Venus: Torsten Kerl und Michelle Breedt. Beide haben eine große Konkretheit in ihrem Spiel und lösen damit automatisch bestimmte Fragezeichen, die sich aus der Inszenierung ergeben. Damit werden sich auch Inszenierung und Installation auf der Bühne dieses Jahr besser verbinden.
dapd: Sie hatten im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit Dirigent Thomas Hengelbrock sehr gelobt. Hatte es mit der Inszenierung zu tun, dass er nach einem Jahr schon ausgestiegen ist?
Baumgarten: Nein, ganz eindeutig nicht. Aber aus dieser Thematik zur Umbesetzung des Dirigenten würde ich mich gerne raushalten.
dapd: Jetzt also Christian Thielemann, ein Kritiker des Regietheaters. Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit ihm?
Baumgarten: Ich denke, dass er die Arbeit vom Video kennt und weiß, was wir im letzten Jahr erarbeitet haben. Er hat sich ja entschlossen, es zu dirigieren. Wir reden über Tempi, wir reden über Sprache, haben da viele gemeinsame Interessen, und über die Striche, die nun wieder geöffnet werden. Ich bin sehr gespannt auf seine Interpretation.
dapd: Es hieß auch, Ihre Arbeit bringe Berliner "Volksbühnen-Ästhetik" nach Bayreuth und sollte wohl schon etwas Angst machen vor der "Ring""-Inszenierung von Frank Castorf 2013.
Baumgarten: Das ist albern. Castorf ist ein Mann, der bestimmt ein Ausnahme-Genie ist in diesem Beruf. Aber er verfolgt ganz andere Interessen im Theater und der Oper als ich. Und ich glaube nicht im entferntesten, dass er Lust hätte, in meinem Bühnenbild zu arbeiten.
dapd: Haben sich eigentlich Ihre eigenen Erwartungen an Bayreuth erfüllt?
Baumgarten: Es gibt doch eine ganze Reihe von strukturellen Traditionen, die nicht gebrochen werden dürfen. Ich wünsche mir, dass darüber doch mal diskutiert wird. Damit wären radikale Ansätze besser durchsetzbar. Aber im ganzen ist es schon erfüllend, sich auf einen Stoff so konzentrieren zu können.
dapd: Sehen Sie die Bayreuther Festspiele künstlerisch auf einem guten Weg?
Baumgarten: Das Gute, was hier im Moment stattfindet ist, dass alle gezeigten Arbeiten in keiner Weise artverwandt sind. Das geht von einer abstrakteren Regie-Sprache von Neuenfels, über Katharina Wagners Sprache, über meine und Stefan Herheims Sprache der großen Bilder im "Parsifal". Nichts gleicht dem anderen. Aber das Operntheater muss sich eingestehen, wenn es immer daran festhält, sich nur als interpretativ zu verstehen, und sich nicht als Gesamtkunstwerk öffnet, wird es sich immer wieder mit Gegenwartskünstlern in unproduktive Reibung geraten. Vieles ist hier jetzt schon möglich, und vieles mehr könnte noch möglich sein.