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Bayreuther Festspiele - Spuren einer denkwürdigen Spielzeit. Foto: Hufner
Bayreuth, Wagner und die Festspiele - enger geht es kaum. Foto: Hufner
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Bayreuth, Wagner und die Festspiele - enger geht es kaum

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Bayreuth - Was wäre Bayreuth ohne Wagner? Und was wäre aus Wagner geworden ohne Bayreuth? Zum Glück muss diese Fragen niemand mehr beantworten. Es ist, wie es ist. Nach einem Jahr Pause hat die Stadt ihre weltberühmten Festspiele zurück.

Wagner, was sonst. Wer auf ein Telefonat im Bayreuther Rathaus wartet, hört als Warteschleifenmusik natürlich Takte aus der Feder Richard Wagners. Bayreuth, Wagner und die Festspiele. Enger geht es kaum. Am 25. Juli wird das Festival, das sich ausschließlich um den Komponisten Richard Wagner (1813-1883) dreht, eröffnet.

Damit ist Bayreuth mit seinen 74 000 Einwohnern wieder zurück in der Opernwelt, denn 2020 musste es corona-bedingt einmal ohne die Festspiele gehen, als es noch keinen Impfstoff gab und keine Schnelltests. In diesem Jahr wird wieder gelitten, geträumt und gestorben in Wagners Welttheater. Wie immer ist es freilich nicht, das Programm ist abgespeckt, der rote Teppich bleibt im Depot und der Staatsempfang nach der Eröffnung ist auch gestrichen. Trotzdem glaubt Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger: «Wir werden besondere Festspiele erleben.» Dass man etwa die Hälfte der Plätze belegen kann, sei in der momentanen Situation ein vernünftiger Kompromiss.

Rein ins weltberühmte Haus dürfen Geimpfte, Getestete oder Genesene. Und die FFP2-Maske muss sitzen: Wer schon einmal mehrere Stunden in dem Gebäude bei Sommerhitze ausgeharrt hat, weiß, dass der Wagnerianer diesmal besonders leidensfähig sein muss.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was aus der Provinzstadt Bayreuth geworden wäre, wären Richard Wagner und seine Frau Cosima nicht zufällig auf das Städtchen gestoßen. Oder was aus Wagner geworden wäre. Schließlich suchte er für die Umsetzung seiner Festspielidee einen Platz, an dem er der Solitär war. Und nicht ein Künstler unter vielen, wie er es etwa in München gewesen wäre, wo sein Festspielhaus auch einmal geplant war.

So also gehören sie zusammen, die Stadt, das Opernhaus am Grünen Hügel, der im Garten seiner Villa begrabene Komponist und die Festspiele. Ein paar Sommerwochen lang Ausnahmezustand. Mit Gästen aus aller Welt. Mit Weingläsern, die in lauen Sommernächten klirren. Mit Menschen, die schon am frühen Nachmittag Abendroben tragen, wenn sie hinaufwandern zum Grünen Hügel.

Wobei man auch ehrlicherweise sagen muss, dass sich das Thema Glamour in der Regel auf den Eröffnungstag beschränkt mit der Auffahrt der Prominenz. Wagner und seine Werke sind schließlich eine ernste Angelegenheit, und eine locker-leichte Festspielszene mit allerlei Events und Chichi hat sich in Bayreuth nie herausgebildet. Es gibt stattdessen Konzerte in Wagners ehemaligem Wohnhaus Wahnfried, es gibt Lesungen oder Signierstunden. Das von der Festspiel-Leitung aufgelegte Rahmenprogramm «Diskurs Bayreuth» sowie die Kinderoper sind ambitionierte Projekte, die jedoch nicht massentauglich sind.

Vermutlich trifft es das Wort «familiär», das OB Ebersberger zur Umschreibung der Festspiel-Atmosphäre wählt, tatsächlich besonders gut. Viele Bayreuther haben ihre ganz persönlichen Festspiel-Geschichten zu erzählen: Ob als Statisten oder Kinderdarsteller im Festspielhaus, ob als Studenten mit Ferienjobs am Grünen Hügel, ob als Gastgeber für Festspielmitwirkende.

«Das Stadtbild wird bunter», sagt Engin Gülyaprak, wenn er die Festspielzeit umschreibt. Der Gastronom ist Chef des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes im Kreis Bayreuth. Die Festspielgäste sind wichtig für ihn und seine Kollegen. Ein ausgedehntes Frühstück, spätabends noch ein Menü mit gutem Wein - man gönnt sich schließlich was vor und nach Wagner.

Die Branche hat es in den vergangenen Monaten schwer gebeutelt. Dass - wenn auch mit weniger Zuschauern als sonst - die Festspiele nun wieder steigen, erleichtert Gülyaprak und seinen Verband: «Gerade die Hotels haben es bitter nötig.»

Der Ausfall im vergangenen Jahr sei schmerzhaft gewesen, sagt Manuel Becher, Chef der Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH. Jedoch habe man beweisen wollen, dass die Stadt auch ohne Festspiele ein lohnendes Auflugs- und Reiseziel für Kulturinteressierte sei. «Das ist gelungen, wir haben den Beweis erbracht.»

Und womöglich will auch der eingefleischteste Wagnerianer nicht nur über Partituren, Inszenierungen und Sängerleistungen grübeln, sondern sich von den Barockschätzen der Markgräfin Wilhelmine, der Lieblingsschwester Friedrich des Großen, verzaubern lassen oder im Biergarten sitzen.

«Der Fliegende Holländer» ist die Oper, die in diesem Jahr die Festspiele eröffnet. Für Wagner-Verhältnisse ein wahrhaft kurzes Werk von etwa zwei Stunden ohne Pause. Ob dann Angela Merkel ein letztes Mal als Bundeskanzlerin im Festspielhaus sitzen wird? Sie war schon seit den 1990er Jahren ein treuer Gast, als sie noch nicht Politik in der allerersten Reihe machte.

Auf dem roten Teppich hat sie sich meist in zweiteiligen Ensembles, die mehr praktisch als auffallend waren, und freundlich lächelnd gezeigt. Dass in einer Pause beim Essen im Festspielrestaurant einmal ihr Stuhl samt Kanzlerin umknickte, ist inzwischen eine hübsche Festival-Anekdote. Oft blieben Merkel und ihr Mann noch einige Tage länger in Bayreuth, unbemerkt von den meisten anderen Gästen saßen sie in weiteren Aufführungen. Vermutlich sind auch ihre Leibwächter inzwischen echte Wagner-Experten.

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