Mannheim - Ein monumentales Spektakel aus Klang- und Videoeffekten zu einer Musik, die auch nach 30 Jahren nichts von ihrer beklemmenden Intensität eingebüßt hat: Roger Waters ist mit seinem Rock-Meisterwerk «The Wall» nach 1980/81 mit Pink Floyd und 1990 nach dem Fall der Mauer in Berlin noch einmal unterwegs und hat am 3. Juni Deutschland erreicht. 9.000 Fans in der Mannheimer SAP-Arena feierten den Auftakt der hierzulande nach Angaben des Veranstalters nahezu ausverkauften Konzertreihe.
Mit einer großen Band brachte Waters die Stücke aus dem erfolgreichsten Doppelalbum der Rockgeschichte auf die Bühne, auf der im Laufe des Konzerts eine 73 Meter breite und elf Meter hohe Mauer errichtet und als Fläche für eine ausgeklügelte, Maßstäbe setzende Laserprojektion genutzt wurde. Die bekannten Filmsequenzen von Bombergeschwadern und im Stechschritt marschierenden Hämmern wurden von aktuellen Einspielungen von Barack Obama bis hin zu nach den beiden Weltkriegen getöteten Soldaten und Zivilpersonen ergänzt - «The Wall» als Klagemauer.
Von «In The Flesh» über die drei Teile von «Another Brick In The Wall» bis «Comfortably Numb» und dem Finale mit «Run Like Hell», «Waiting For The Worms» und «The Trial» ließ der inzwischen 67-jährige Waters die Geschichte von dem hinter einer Mauer verschwindenden jungen Mann Pink Revue passieren. Das falle ihm heute leichter als damals, die Zeiten hätten sich geändert, erklärte Waters. 1980 sei er ein durchgeknallter Rockstar mit einem Haufen Problemen gewesen, sagt er an einer besonders gewagten Stelle, einem Duett mit sich selbst bei «Mother». Doch dieses Experiment geht gut, weil die Fragen, die in dem Text gestellt werden, eindeutig besser zu dem 30 Jahre jüngeren, optisch verfremdeten Waters im Film passen.
Schon früh im Konzert wird deutlich, dass Waters Stück um Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Religion noch immer das Dilemma auf den Punkt bringt, das Erwachsenwerden in der westlichen Welt ein Albtraum sein kann, eine Persönlichkeitszerstörung statt einer Persönlichkeitsbildung. Millionen von jungen Männern in aller Welt haben über die Jahrzehnte Waters Texte und Musik aufgesogen und sich damit identifiziert. Nun älter geworden rutschen einige unruhig auf ihrem Sitz in der bestuhlten Arena, wenn der Schlüsselsong «Comfortably Numb» über diese wohlige Gefühllosigkeit kommt: Wie weit trifft das auf einen selbst zu? Die Gitarre läuft in dem Solo dagegen Sturm, aber ist die Mauer nicht schon zu hoch?
«Warum 'The Wall' jetzt?»
Nein, sagt Roger Waters auf seiner Webseite, auf der er eigens einen Menüpunkt «Warum 'The Wall' jetzt?» eingerichtet hat. Da wendet er sich gegen Zyniker, die Menschen die Fähigkeit zu einfühlsamen, verständnisvollen und kooperativen Beziehungen absprechen. «Meiner Meinung nach ist es in unserer Geschichte zu früh, zu einer solchen Schlussfolgerung zu kommen, weil wir noch immer eine sehr junge Art sind. Ich glaube, dass wir zumindest die Chance haben, nach etwas Besserem als diesem Hund-frisst-Hund-Metzel-Ritual zu streben, das unsere derzeitige Reaktion auf unsere institutionalisierte Angst voreinander ist. Ich empfinde es als meine Pflicht als Künstler, meinen – gleichwohl vorsichtigen - Optimismus auszudrücken und andere dazu zu ermutigen, das auch zu tun.» Und dann zitiert er noch den Träumer, John Lennon.
Waters hat hervorragende Musiker dabei, die Emotionalität eines Pink-Floyd-Konzerts hat der Abend allerdings nicht. Gitarrist Dave Kilminster spielt ein unglaubliches Solo bei «Comfortably Numb» - und erreicht doch nicht den besonderen Ausdruck, den David Gilmour in jeden Ton legen kann. In London hatte es eine kleine Reunion der einst tief zerstrittenen noch lebenden Pink-Floyd-Mitglieder Waters, Gilmour und Nick Mason gegeben. Hoffnung auf mehr ist aber wohl nicht angebracht: Waters hat bereits vor Beginn der «The Wall»-Tour im vergangenen Jahr angekündigt, dass dies sein letztes großes Projekt sein könnte.
Tourdaten: 10. und 11.06. Hamburg (O2 World), 15. und 16.06. Berlin (O2 World), 18.06. Düsseldorf (Esprit-Arena), 20.06. München (Olympiahalle). Bis auf vereinzelte Restkarten in München ist die Tournee nach Angaben der Konzertagentur Lieberberg ausverkauft.