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Belcanto-Festival macht Rossini-Reise zur Eurovisionsoper

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Bad Wildbad - Gioachino Rossini war der begehrteste Komponist seiner Zeit, als ihn der nobel honorierte Auftrag ereilte, für die Krönungsfeierlichkeiten des Bourbonenkönigs Karl X. im Juni 1825 eine Huldigungsoper zu komponieren. Die besten und teuersten Sängerinnen und Sänger standen parat. Der Belcanto-Papst konnte aus dem Vollen schöpfen. Und das tat er denn auch. Der Meister schafft einen frechen Event - der beim Belcanto-Festival «Rossini in Wildbad» nach Eurovision klingt.

 
Die Musik zur «Reise nach Reims» gehört zum Besten, was Rossini geschaffen hat: Brillante Arien und Ensembles für 18 Rollen, eine glänzende, farbenreiche Instrumentation, wirkungsvolle Chorsätze und ein anspielungsreiches, witziges Textbuch schaffen Amüsement auf höchstem Niveau.
 
Die 26. Auflage des Festivals «Rossini in Wildbad» präsentierte zum Auftakt am Donnerstagabend die europäische Festoper schlechthin. Das liegt am Textbuch. Am Vorabend der Krönung von Karl X. treffen sich im Gasthaus zur «Goldenen Lilie» Gäste aus ganz Europa. Sie wollen nach Reims, der klassischen Krönungsstadt. Doch sie sitzen fest. Es fehlt an Pferden für die Reise. Also geht man sich auf die Nerven, spinnt Intrigen, flirtet, giftet sich an und versöhnt sich schließlich nationenübergreifend. Das Ganze ist eine Art absurdes Theater, garniert mit hochvirtuoser, spektakulärer Musik.
 
Nach seiner erfolgreichen Uraufführung wurde das Werk nur wenige Male wiederholt. Rossini selbst zog die Partitur aus dem Verkehr. 1854 erklang sie noch einmal als Festoper zur Hochzeit von Kaiser Franz Joseph und Sissi. Dann verschwanden die Noten in den Archiven. Erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die Fragmente in verschiedenen Bibliotheken entdeckt und die Partitur rekonstruiert. Seit Claudio Abbados Wiederaufführung 1992 trat «Il Viaggio a Reims» ihren späten Siegeszug an.
 
Regisseur und Intendant Jochen Schönleber machte aus dem schmalen Etat seines Festivals wieder eine Tugend. Fast alle Rollen besetzte er mit jungen Teilnehmern der Akademie BelCanto von Maestro Raul Gimenez, der schon bei der legendären Abbado-Produktion als Tenor mit von der Partie war. Als ruhender Pol inmitten dieser Youngstertruppe fungierte der erfahrende Weltstar Bruno Pratico als Baßbuffo in der Rolle des deutschen Barons von Trombonok. Der darf am Schluss mit Pickelhaube eine deutsche Nationalhymne anstimmen mit dem friedlichen Text: «Stille Harmonie regiere das glückliche Geschick Europas».
 
Das Publikum in Bad Wildbad - Belcantofans aus ganz Europa - reagierte begeistert. Das lag sicherlich am hohen musikalischen Niveau. Maestro Antonino Fogliani, ein Rossinikenner, leitete die «Virtuosi Brunenses» und den «Camerata Bach Chor» aus Tschechien mit ebenso strenger wie lockerer Hand. Wenn im Schlussensemble nach der deutschen Hymne spanische Folklore, «God Save the King», russischer Schmalz und sogar ein Tiroler Jodler erklingen, dann wird aus der Huldigung für den Franzosen Karl X. eine Eurovisionsoper. 
 
Martin Roeber
 
› Premiere: Donnerstag, 17. Juli 2014
› 2. Aufführung: Donnerstag, 24.Juli 2014
› 3. Aufführung: Samstag, 26.07.2014
 
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