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Breakdancer interpretieren Bachs «Wohltemperiertes Klavier» in der Neuen Nationalgalerie

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Berlin - In das gläserne Obergeschoss der Neuen Nationalgalerie in Berlin kommt jetzt im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung. Die vierfachen Breakdance-Weltmeister Flying Steps aus Berlin-Kreuzberg werden dort Bachs «Wohltemperiertes Klavier» interpretieren. Dabei tanzen die sechs jungen Männer auf einem Kunstwerk. Denn derzeit hat dort der in Südtirol geborene und in New York lebende Künstler Rudolf Stingel einen riesigen Teppich mit schwarz-weißen Ornamenten ausgelegt.

Das bis zum 24. Mai zu bewundernde temporäre Kunstwerk lädt dem Künstler zufolge «wie in der arabischen Wohnkultur zum Sitzen und Liegen» - und nun auch zum Tanzen ein. Stingel sei sofort einverstanden gewesen, sagt Christoph Hagel, der Regisseur von «Flying Bach» und bereits für spektakuläre Inszenierungen bekannt. Allerdings muss der für die Tanzaufführungen notwendige Konzertflügel Hagel zufolge nach jeder Vorstellung wieder in den Keller der Nationalgalerie getragen werden. Das Instrument gehöre «nun mal nicht zum Kunstwerk».

Bevor Hagel, der die Breakdancer am Klavier begleitet, mit den sechs Flying Steps zu proben begann, gab er ihnen theoretischen Unterricht zur Musik von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750). Schließlich sollte man wissen, wenn man mit Bach-Kompositionen arbeite, was Fugen und Präludien seien, meint der Regisseur und Dirigent.

Dies sei eine «echte Herausforderung gewesen», sagt Flying-Step-Chef Vartan Bassil, der mit seiner 1993 gegründeten Truppe weltweit auftritt und im vergangenen Jahr zur kulturellen Umrahmung auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten gehörte. Das Flying-Bach-Projekt sei auch eine ersehnte Chance, «unsere Kunst in einem völlig neuen Licht jenseits der Straße zu zeigen». Es werde - wenn auch für den Breakdance eher ungewöhnlich - auch «langsame Formen» geben.

Die 70-minütige Tanzperformance wird vom 13. April bis 1. Mai jeweils um 20.30 Uhr stattfinden. Dann werden 350 Plätze im Halbrund vor einer Bühne auf der Teppichinstallation angeordnet sein - darunter auch Kissenplätze, kündigt Hagel an. «Den Hintergrund wird die grandiose Silhouette Berlins bilden, die man durch die Glasfronten der Nationalgalerie sieht.»

Als Hagel die Flying Steps das erste Mal sah, habe er sofort überlegt, wo es in Berlin einen geeigneten «Berührungspunkt zur heiligen Musik» gebe. Beim Anblick von Skatern vor der Neuen Nationalgalerie habe er dann schnell die geeignete Location gefunden. «Wir holen die Streetdancer einfach ins heilige Museum», erklärt Hagel seine Idee.

Mit von der Partie sind auch zwei Frauen. Sabina Chukurova spielt auf dem Cembalo und die japanische Tänzerin Yui Kawaguchi bedient zusammen mit den Breakdancern die unterschiedlichen Tanzstile. Und natürlich entspännen sich bei sechs Männern und einer Frau auch gleich mehrere Liebesgeschichten, verrät Hagel. »Insgesamt stoßen zwei faszinierende Welten aufeinander - Bachs unvergängliche Musik und der explosive Tanzstil der B-Boy Crew."

Hagel ist in Berlin für Inszenierungen an ungewöhnlichen Orten bekannt. Großen Zuspruch erfuhren seine Aufführungen von Haydns Oper «Orpheus und Eurydike» sowie Mozarts «Apollo und Hyacinth» im Bode-Museum auf der Museumsinsel. Vor zwei Jahren war er sogar in den Untergrund gegangen. Im fertiggestellten, aber noch nicht in Betrieb genommenen U-Bahnhof Bundestag inszenierte er Mozarts Oper «Die Zauberflöte». Bereits vor zehn Jahren sahen fast 60 000 Zuschauer den von ihm produzierten «Zirkus um Zauberflöte» in der Inszenierung von George Tabori im Zirkus Roncalli.

 

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