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Buhs und Jubel für «Fidelio»-Urfassung an der Wiener Staatsoper. Foto: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn
Buhs und Jubel für «Fidelio»-Urfassung an der Wiener Staatsoper. Foto: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn
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Buhs und Jubel für «Fidelio»-Urfassung an der Wiener Staatsoper

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Wien - Beethovens einzige Oper «Fidelio» liegt gleich in drei Versionen vor. Die Wiener Staatsoper brachte jetzt die selten gespielte Urfassung auf die Bühne. Ein umstrittenes Experiment.

Als zentralen Beitrag zum Beethovenjahr 2020 hat die Wiener Staatsoper die Urfassung von Ludwig van Beethovens einziger Oper «Fidelio» herausgebracht. Die minimalistische Regie von Amélie Niermeyer im Einheitsbühnenbild von Alexander Müller-Elmau betonte unbeabsichtigt die Längen des Stückes, die mit dafür verantwortlich waren, dass die Uraufführung im Jahre 1805 ein Flop wurde und Beethoven zu Überarbeitungen zwang. So gab es am Samstagabend Buhsalven für das Regieteam. Der tschechische Dirigent Tomas Netopil, Generalmusikdirektor am Essener Aalto-Theater, und die Solisten, darunter Jennifer Davis als Leonore und Benjamin Bruns als Florestan, wurden bejubelt.

Die Handlung der «Befreiungsoper» hatte Niermeyer in ein modernes «Gefängnis» verlegt, das wie die Schalterhalle eines U-Bahnhofs aussah. Ein schlichtes Loch im Boden diente als Kerker, in dem der Staatsgefangene Florestan schmachtet, den seine Geliebte, verkleidet als «Fidelio», aus den Händen der Häscher, des Gouverneurs Don Pizarro (Thomas Johannes Mayer) und des Gefängniswärters Rocco (Falk Struckmann), zu befreien sucht.

Anders als in Beethovens idealistischem Original, das mit Rettung und Lobpreis von Liebe und Gerechtigkeit endet, inszeniert Niermeyer das Finale rabenschwarz mit dem Tod Leonores, die von Pizarro erstochen wird, als sie sich schützend vor ihren Geliebten wirft. Der Figur der Leonore stellt die Regisseurin eine Schauspielerin als zweites Ich an die Seite, ein mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommener Regietrick, der die Handlung beleben soll.

Beethovens «Fidelio» wirkt mit ihren hölzernen Dialogen, die auch in der modernisierten, ins Allgemein-Menschliche überhöhten Fassung von Moritz Rinke den Erzählfluss hemmen, wie eine Kreuzung aus deutschem Singspiel und sinfonischer Schauspielmusik. Der Komponist werkelte Jahre lang daran herum, bis sein Schmerzenskind nach der dritten Überarbeitung im Jahre 1814 doch noch zum populären Repertoirestück wurde. An der Wiener Staatsoper ist neben der neu inszenierten Urfassung auch die Letztfassung zu sehen, in einer «klassischen» Deutung von Otto Schenk aus dem Jahre 1970.

Das Theater an der Wien bringt am 16. März die 1806 erstmals aufgeführte «Fidelio»-Zweitfassung heraus, in eine Inszenierung des in Wien geborenen Hollywood-Schauspielers Christoph Waltz. Beethovenkenner können sich auf diese Weise tief in die Entstehungsgeschichte des Werkes versenken, zu der auch diverse Konzertouvertüren gehören, die noch populärer sind als die Oper selbst.

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